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Neue Märkte, neue Kriege

Warum die moderne Privatisierung militärischer Aufgaben mehr ist als die Rückkehr zur historischen Normalität des Söldnertums

AutorB. Reichel, B. Schulz, M. Wicking
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl77 Seiten
ISBN9783638014359
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis20,99 EUR
Studienarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Politik - Internationale Politik - Allgemeines und Theorien, Note: 1,0, Technische Universität Dortmund (Politikwissenschaften), Veranstaltung: Internationale Konflikte, 46 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Sie wollten schon immer Scharfschütze werden? Dann hat Blackwater, eine Firma aus Moyock in North Carolina, das ideale Angebot für Sie. Nicht einmal tausend Dollar kostet der fünftägige Grundkurs für Scharfschützen - sowohl für den Militär- als auch für den Polizeibereich. Der Kurs beinhaltet neben Sicherheitsvorkehrungen und Waffenpflege selbstverständlich auch so komplexe Bereiche wie das Erfassen beweglicher Ziele. Zudem gibt es eine Einführung in die besten Heckenschützenposition in städtischen Gebieten. Ihre Ausbilder sind Scharfschützen aus dem Polizei- und Militärdienst mit jahrelanger Berufserfahrung. Was Sie mit den erlernten Fähigkeiten anstellen, ist Ihre Sache. Ob Sie für die irakische Polizei arbeiten wollen oder für eine Miliz auf Kinder schießen - der Markt ist groß genug und bietet viele Möglichkeiten. Von ihm handelt die vorliegende Arbeit. Sie erläutert die Struktur des heutigen privaten Militärmarktes, thematisiert rechtliche, moralische und wirtschaftliche Probleme und erklärt, warum Söldner in der Geschichte der Menschheit eher die Regel als die Ausnahme sind.

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Leseprobe

Teil I: Privatisierte Kriegsführung –

Anfänge und Entwicklung

 

1. Geschichte der privatisierten Kriegsführung

 

Wer von privatisierter Kriegsführung spricht, setzt implizit etwas voraus – einen Gegenspieler, einen Antagonisten, durch den das Privatisierte erst klare Konturen erhält. In der Geschichte ist dieser Antagonist die gesellschaftlich strukturierte und organisierte, legitimierte und limitierte Macht, kurz: der Staat.  Erst seit es den Staat so wie wir ihn heute kennen gibt, lässt sich von einem Unterschied zwischen staatlicher und privatisierter Kriegsführung überhaupt sprechen. Schon allein dadurch wird deutlich, dass die Geschichte der privaten oder privatisierten Kriegsführung immer auch die Geschichte des Staates, der sie unterdrückt, fördert, begrüßt, duldet oder einsetzt, ist.

 

Die Verwebung dieser beiden Antagonisten, die manchmal auch Partner sind, soll im Folgenden in einem historischen, schlaglichtartigen Abriss kurz dargestellt werden. Dabei soll auch herausgearbeitet werden, wie das Pendel der Kriegsführung im Lauf der Jahrhunderte zeitweise eher in Richtung staatlich, dann wieder eher in Richtung privatisiert ausgeschlagen ist. Wohin das Pendel derzeit tendiert, wird in den folgenden Kapiteln eine Rolle spielen. Denn es scheint, als sei die Kriegsführung in einem dramatischen Umbruch begriffen. Das zumindest in den Ländern der westlichen Welt seit Jahrhunderten selbstverständlich gewordene Gewaltmonopol des Staates scheint zu bröckeln.

 

1.1 Privatisierte Kriegsführung

 

Was genau die Aufgaben eines Staates sind, ist nicht endgültig festgelegt. Es gibt viele Aufgaben, die sich sowohl von öffentlicher als auch von privater Seite erledigen lassen. Die Trennlinie zwischen öffentlichen und privaten Dienstleistungen hat sich im Lauf der Zeit beständig verschoben. Heute werden Aufgaben von privaten Dienstleistern erledigt, die früher als geradezu natürliche Aufgaben des Staates angesehen wurden. Das sind zum Beispiel Strafvollzug, Polizeiwesen bzw. Sicherheitsdienste, Müllabfuhr, Steuererhebung, Schulwesen, Energieversorgung oder Post.

 

„Ein Bereich, de in die Debatte über die Möglichkeit der Privatisierung öffentlicher Aufgaben nie einbezogen wurde, war die Landesverteidigung.“[2] Diese Monopolisierung militärischer Macht auf nationaler Ebene und Kartellisierung militärischer Macht auf internationaler Ebene war lange Zeit „geradezu der Inbegriff dessen, was den Daseinszweck des Staates ausmachte“.[3] Diese strikte Trennung des Militärischen vom Rest ist, so scheint es, ins Wanken geraten. Wenn sich die konkreten Abläufe auch im Lauf der Zeit geändert haben mögen, ist doch das Muster, andere für sich in den Krieg zu schicken, so alt wie der Krieg selbst.[4] Ein Blick in die Geschichte kann erhellen, wann und unter welchen Umständen private Krieger und Kriegsfirmen prosperieren.

 

Zunächst einmal lässt sich sagen, dass der Krieg eine wesentlich ältere Erfindung als der Staat – zumal der jenes Typs, den wir heute erleben – ist. Aus dieser Feststellung ergibt sich, dass es privatisierte Kriegsführung schon immer zumindest in einem gewissen Ausmaß gegeben haben muss. Wer etwas hat oder kann, was andere nicht haben oder können, ist im Vorteil. „Spezialisten für das Kriegshandwerk waren vermutlich schon das Ergebnis der frühesten Phasen der Arbeitsteilung in der Menschheitsgeschichte.“[5] Um Effizienzvorteile zu nutzen, schlossen sich schon damals Söldner zusammen – seither ein wiederkehrendes Merkmal von Söldneraktivitäten. So kämpften  in der Schlacht von Kadesch (1294 v. Chr.) auf ägyptischer Seite numidische Söldner in der Armee von Ramses II. gegen die Hethiter.[6]

 

In Griechenland verfuhren die Stadtstaaten unterschiedlich mit den käuflichen Kämpfern. Manche setzten wie Sparta ganz auf Bürgertruppen, andere auf Verstärkung eigener Streitkräfte durch ausländische Söldner-Spezialisten, etwa Schleuderer aus Kreta, Hopliten aus Syrakus oder Reiter aus Thessalien. Das Heer Alexanders des Großen bestand nicht nur überwiegend aus ausländischen Söldnern, es nutzte auch eine von den Phöniziern angemietete Flotte.[7]

 

Dass die Nutzung von Söldnertruppen auch nach hinten losgehen kann, musste Karthago bitter erfahren. Im ersten Punischen Krieg (264 – 241 v. Chr.) wurde es die Geister, die es rief, nicht mehr los. Söldner, die keinen Lohn bekommen hatten, wandten sich gegen Karthago und konnten erst mit einem weiteren Söldnerheer besiegt werden. Auch im Zweiten Punischen Krieg (218 – 202 v. Chr.) erging es den Karthagern nicht besser. Zwar war ihr Söldnerheer unter Hannibal den Römern deutlich überlegen, hatte aber dennoch keine Chance. „Der Krieg war im Grunde in dem Moment entschieden, als Rom die karthagischen Silberbergwerke in Spanien eroberte und damit dem Stadtstaat die Mittel für die weitere Finanzierung seiner großen Söldnerstreitmacht raubte.“[8]

 

Das Abgeben gewisser Kriegsaufgaben an Spezialisten von außen entwickelte sich im Mittelalter weiter.[9] „Die ersten privaten Militärorganisationen, die in dieser Zeit auftauchten, waren organisierte Gruppen spezialisierter Handwerker, die ihre Dienste demjenigen zur Verfügung stellten, der am besten bezahlte.“[10] Dieses System brachte Entwicklungen mit sich, die „in vielen Fällen zivile[n] Entwicklungen in Handel und Gewerbe (...) zum Durchbruch verhalfen: der Firma als Vehikel wirtschaftlicher Betätigung, dem schriftlich aufgesetzten Vertrag, dem nach Gewinn strebenden Einzelunternehmer (...).“[11]

 

Zunehmend kam in den städtischen Wirtschaftszentren, besonders in Norditalien, Geld in Umlauf, was zur Entwicklung des Bankwesen beitrug. „Unter diesen Umständen gewann die Praxis, Fremde in Dienst zu nehmen, die für die Bürgerschaft kämpften, zunehmend an Bedeutung.“[12] Das vertragliches Outsourcen militärischer Dienstleistungen an Vertragspartner – in Italien die so genannten Condottieri – hatte für die gesellschaftlichen Eliten große Vorzüge: Das Bürgertum bevorzugte Söldner, weil es dann nicht selbst kämpfen mussten; der Adel bevorzugte Söldner, weil bewaffnete Untertanen in seinen Augen ein höheres Sicherheitsrisiko darstellten.[13] Aber auch für die Söldner war dieses Geschäftsmodell verlockend: „Nachdem es über mehrere Jahrhunderte durch starke Exklusionsmechanismen beherrscht worden war, wurde das Militärwesen jetzt zu einem Sprungbrett des sozialen Aufstiegs.“[14] Söldner einzukaufen versprach zudem einen militärischen Vorteil: „Für die Kriegsführung in dieser Zeit waren Ausbildung und Ausrüstung der Soldaten viel ausschlaggebender als deren bloße Anzahl.“[15] Auch deswegen hatten am Ende des 14. Jahrhunderts private Söldnerarmeen ihre feudalen Vorgänger weitgehend von den Schlachtfeldern verdrängt. Weil die Söldnerheere zu einem Großteil von der bei Feldzügen abfallenden Beute bezahlt werden konnten, war der Krieg vergleichsweise billig – der Markt für Kriege expandierte.

 

Ein weiterer wesentlicher Schritt in der Entwicklung privater Kriegsführung war die Entstehung der ersten Söldnerkompanien, etwa im Italien der vielen verfeindeten Kleinstaaten im 14. Jahrhundert. „Das Fehlen zentraler Machtinstanzen schuf optimale Bedingungen für den auf eigene Rechnung kämpfenden Söldner.“[16] Weil aber kein Krieg ewig dauert, standen die Einzelkämpfer irgendwann ohne Arbeit und Auskommen da. In solchen Situationen schlossen sie sich zu freien Kompanien zusammen, die – wenn sie nicht auf einem Feldzug war – sich über Wasser hielten, indem sie Schutzgeld von Dörfern, Städten oder Fürsten erpressten.[17] „Zu Schlachten kam es nur dann, wenn der bedrohte Landesherr den räuberischen Scharen entgegentrat und diese nicht das Weite suchten, sondern sich zum Kampf stellten. Das freilich geschah selten (...).“[18]

 

Die freien Kompanien stellten eine Provokation für die damalige Gesellschaftsordnung dar, weil sie als „freie“ Organisationen aus der strikt hierarchischen Ständeordnung ausbrachen. Das blieb nicht ohne gesellschaftliche Folgen. „Die Tatsache, dass die dominanten militärischen Akteure in dieser Zeit private Kompanien freischaffender Söldner waren, brachte die Säulen des Feudalismus ins Wanken: das Ideal des Geburtsadels und es Grundbesitzes als Basis weltlicher Autorität, der Kirche als eines unverrückbaren Felsens und der Gefolgstreue und persönlichen Ehre als den einzig legitimen Beweggründen für den Kampf.“[19] Der Krieg als Geschäft führte dazu, dass die Kompanien mit detaillierten Geschichten über ihre Härte und Grausamkeit Marketing betrieben und lieber Gefangene machten als zu töten, weil sie sich Lösegelder erhofften. So bereiteten die freien Kompanien mit ihrer militärischen Dominanz den gesellschaftlichen Eliten große Probleme. Der erste, der sich ihnen von staatlicher Seite entgegenstellte, war der französische König Karl VII. Er erhob 1445 eine Sondersteuer, um den marodierenden freien Kompanien mit eigenen Streitkräften zu begegnen. Tatsächlich schaffte er es, sie zu besiegen. „Seinen eigenen Kompanien gewährte er anschließend...

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