Vorwort
Am Morgen müssen sie früh weg, am Abend kommen sie spät nach Hause. Sind sie endlich da, sollen sie im Haushalt mithelfen und den Kindern eine Gutenachtgeschichte erzählen oder bei den Hausaufgaben zum Dreisatzrechnen helfen. Tatsächlich hat sich bei den Männern in den letzten Jahren vieles geändert: Sie investieren deutlich mehr Zeit in Familie und Kinder und mit oft hohem Engagement. Trotzdem ist der Standardvorwurf, oft aus weiblichem Munde, immer noch weitgehend derselbe: Männer sind das faule Geschlecht. Sie tun zu wenig im Haushalt, und wenn das Kind einmal krank ist, sind es die berufstätigen Mütter, welche zu Hause bleiben müssen.
Die ungenügende familiäre Präsenz der Väter wird gern herangezogen, um die Schwierigkeiten der Mütter mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie aufzuzeigen und ihre mangelnden Aufstiegschancen zu beklagen. Solche Statements sind grundsätzlich richtig. Aber sie blenden die große Bandbreite der Aufgaben, welche Väter durchschnittlich leisten, nahezu vollständig aus. Bei der Frage, ob Männer gute Väter sind – was auch immer darunter verstanden wird –, kommt es weniger darauf an, wie viele Stunden sie mit ihrem Nachwuchs verbringen und wie präsent sie im täglichen Familienalltag sind. Entscheidender ist, welche Beziehung sie zu ihrem Nachwuchs aufbauen, welche Verantwortung sie in Familie und Partnerschaft übernehmen – nicht nur nach der Geburt, sondern auch längerfristig. Dabei sind die Partnerinnen oft das Zünglein an der Waage, inwiefern sie den Männern im familiären Bereich Eigenständigkeit zugestehen und auch ermöglichen. Frauen sind keinesfalls lediglich die überlasteten Opfer, so wie sie immer wieder dargestellt werden, sondern ebenso die Schaltstellen, wenn es um das Familienmanagement geht.
Warum nehmen wir dies nicht verstärkt zur Kenntnis, und weshalb gelten Frauen beinahe als unantastbar? Warum setzen wir so sehr auf das Stereotyp der väterlichen Präsenz als quasi einziges Qualitätsmerkmal? Wahrscheinlich vor allem deshalb, weil sich die Forschung jahrelang darauf eingeschossen hat und eine Studie nach der anderen feststellt, dass Frauen im Haushalt und bei der Fürsorge für die Kinder nach wie vor mehr leisten. Diese Asymmetrie zulasten des weiblichen Geschlechts ist zwar eine empirische Tatsache, aber nicht in allen Bereichen der Haus- und Familienarbeit, sondern vor allem partiell. Trotzdem gilt sie fast als unantastbare Wahrheit. Nun gibt es jedoch neue Vaterschaftskonzepte, die den Blick auf Männer ausweiten und ihn nicht nur auf ihre Anwesenheit und die traditionell sichtbaren Familienleistungen konzentrieren, sondern auch Kategorien definieren, welche zwar nicht direkt sicht- und messbar sind, aber trotzdem als Fürsorge- und Haushaltsarbeit anerkannt werden.
Jede Generation hält sich für das Maß aller Dinge. Dies gilt auch für meine Generation. Doch es waren gerade diese neuen Vaterschaftskonzepte, die mich vor gut zehn Jahren im Zusammenhang mit meiner eigenen Biografie nachdenklich gemacht haben. Nach und nach dämmerte mir, wie eng mein Blickwinkel als junge Mutter auf die Vaterpflichten meines Partners gewesen war. Vieles drehte sich bei uns immer und immer wieder nur um die eine Frage: Was gehört zu Haus- und Familienarbeit, und wer macht mehr als der andere? Dabei stritten wir uns regelmäßig, weil ich seine Arbeiten wie Steuererklärung ausfüllen, Versicherungen abschließen und unter Kontrolle halten, Kleinreparaturen im Haus ausführen oder das Auto in die Werkstatt bringen, damit der Sohn zum Fußballmatch gefahren werden konnte, überhaupt nicht als männlichen Anteil von Haus- und Familienarbeit deklariert haben wollte. Ich fand, er sei einfach ein Workaholic, der zu Hause zu wenig präsent war, und ich das Opfer. Dabei hatte ich verdrängt, dass unser Arrangement ja ein Ergebnis gemeinsamer Aushandlungen war: dass er zuerst in seine Karriere investiert, unsere junge Familie finanziell versorgt und ich dann nachholen kann, wenn die Kinder etwas größer sind. Doch in den insgesamt acht Jahren, in denen ich ausschließlich Hausfrau und Mutter war, begleitete mich die Angst fast täglich – so wie es vielen jüngeren Frauen auch heute noch geht –, ich könnte den Anschluss ans Berufsleben verpassen. Und gleichzeitig litt ich auch an der gesellschaftlichen Doppelmoral, die immer noch wirkmächtig ist: Wenn mein Partner die Betreuung der Kinder übernahm, was für mich selbstverständlich war, wurde er immer als Superpapa hochgejubelt und als Ausnahmeerscheinung bewundert. Ich lernte damals, dass man Frauen und Männer an sehr unterschiedlichen Standards misst, wenn sie gelobt oder getadelt werden. Dies hat sich bis heute nur in Nuancen verändert.
Aus der Beschäftigung mit meiner persönlichen Biografie und der Väterforschung ist eine empirische Auseinandersetzung mit der Thematik entstanden. Doch der Anfang war mühsam. Obwohl ich mir ein sorgfältiges theoretisches Fundament zugrunde gelegt und dieses in verschiedenen Seminaren mit meinen Studierenden vertieft hatte – zuerst an der Universität Fribourg, dann in Wien und München –, merkte ich schnell, dass ich mit den herkömmlichen Untersuchungen wenig anfangen konnte. Erstens fehlten Studien, welche die Männer selbst und ihre eigene Sicht auf ihre familiären Aufgaben und Leistungen thematisierten und dabei auf die Rolle der Partnerin Bezug nahmen. Zweitens stand ich von Anfang an der etablierten wissenschaftlichen Sicht kritisch gegenüber, wonach nur präsente Männer gute und damit neue Väter sein könnten. Weil ich vorerst aber keine alternative Sichtweise präsentieren oder entsprechend argumentieren konnte, fühlte ich mich oft hilflos und unwissend. Je mehr ich mich jedoch mit den Studierenden und Doktoranden ins Thema vertiefte, desto stärker konnte ich die Komplexität und Widersprüchlichkeit nicht nur verstehen, sondern auch eine eigene Denkweise entwickeln.
Ganz wesentlich dazu beigetragen haben unsere Forschungsstudien, in deren Verlauf wir umfangreiche Väter- und Mütterbefragungen durchführten und die Ergebnisse auf internationalen Tagungen präsentieren konnten. In diesen Zusammenhängen bin ich immer wieder mit Frauen und Männern aus unterschiedlichen Berufsfeldern zusammengekommen, die wie ich ihre eigenen Blickwinkel und Positionen mit denjenigen anderer unter einen Hut bringen wollten. Natürlich gab es dabei auch irritierende Sichtweisen, Missverständnisse und kontroverse Diskurse, manchmal auch mangelnden Respekt vor einer anderen Perspektive. Diesen Respekt habe ich vor allem in den Diskussionen mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gefunden, die – teilweise selbst Mütter und Väter, teilweise auch nicht – viel offenere Meinungen vertraten als etablierte Forscherinnen und Forscher. Diese Erfahrungen stärkten mich in der Überzeugung, dass die Abschottung zwischen den Geschlechtern der Vergangenheit angehört und Männer und Frauen einen neuen Blick aufeinander entwickeln müssen.
Hier setzt mein Buch ein, mit dem ich drei Ziele verfolge. Das erste Ziel ist zu klären, wer Väter sind, was sie tun und wie sie wirken. Zunächst einmal zeige ich auf, dass eine aktive Vaterschaft auf günstige politische und betriebliche Rahmenbedingungen angewiesen ist, diese wiederum aber nur ein Teilchen des gesamten Mosaiks sind. Genauso ist zu berücksichtigen – und dies ist das zweite Ziel des Buches –, dass weder Männer noch Frauen eine je homogene Gruppe darstellen und sich folglich auch Paare massiv voneinander unterscheiden. Sie haben unterschiedliche Präferenzen, Lebensziele und Bewältigungsstrategien. Auf der politischen Ebene dürfte folglich eine Strategie zum Scheitern verurteilt sein, die ausschließlich auf das egalitäre Erwerbsmodell setzt, das heißt auf die Vorstellung, dass Männer absolut gleichberechtigt mit ihren Partnerinnen Berufs- und Familienarbeit teilen. Zwar wäre es schön, wenn die Möglichkeit der egalitären Partnerschaft eine Selbstverständlichkeit würde, aber bitte kein Dogma! Was wir brauchen, ist eine Familien-, Gesellschafts- und Unternehmenspolitik, welche die gesamte Variabilität der Familienmodelle widerspiegelt. Doch welches Familienmodell auch immer gewählt wird, es macht bei der Frage nach den neuen Vätern nur die eine Seite der Medaille aus. Die andere Seite sind die Mütter. Sie spielen eine Schlüsselrolle, weil sie oft die häuslichen Standards bestimmen und die Männer mit ihrem Engagement von ihnen abhängig sind. Wie stark ein Mann in die Familien- und Hausarbeit involviert ist oder wird, ist nicht nur eine Frage seiner Bereitschaft und seines Willens, sondern ebenso eine Frage des Verhaltens der Partnerin. Dies zu begründen ist mein drittes Ziel.
Mit dieser Publikation verfolge ich eine internationale Perspektive auf Väter und Mütter. Die Schweizer Leserschaft wird im Vergleich zu der deutschen und österreichischen Leserschaft schnell feststellen, wie rückständig unsere Väterpolitik ist. Im Oktober dieses Jahres hat der Bundesrat die Volksinitiative für zwanzig Tage Vaterschaftsurlaub abgelehnt. Als Grund wurden die Kosten angegeben, welche die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft beeinträchtigen würden. Am gleichen Tag bewilligte der Bundesrat jedoch eine Milliarde CHF für die Olympischen Winterspiele 2026. Diese Tatsachen werden massive politische Vorstöße nach sich ziehen.
Mein Buch will keine neuen Weisheiten vermitteln und sich auch nicht ins Feld der Kulturkritik oder gar der Ratgeber einreihen. Seine Absicht ist vielmehr, die Herausforderungen, denen sich Männer...