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E-Book

Nichts als die Wahrheit

AutorDieter Bohlen
VerlagHeyne
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl Seiten
ISBN9783641122034
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Dieter Bohlen kennt nicht nur die ganze Wahrheit, sondern auch keine Tabus: In seinem Buch erzählt er das Abenteuer seines Lebens und enthüllt die bestgehüteten Geheimnisse der Promi-Szene. Herrlich ehrlich, äußerst aufschlussreich und ausgesprochen amüsant!

Dieter Bohlen, Musiker, Produzent und Buchautor, hat weltweit mehr als 160 Millionen Tonträger verkauft. Neben den legendären Modern Talking produzierte er unter anderem Mark Medlock, Yvonne Catterfeld, Alexander Klaws, Bonnie Tyler und Dionne Warwick. Seit 2002 ist er Chef-Juror bei Deutschland sucht den Superstar und Supertalent, den beiden erfolgreichsten TV-Formaten im deutschen Fernsehen. Für seine Leistungen erhielt er die Goldene Kamera, den Bambi, die Goldene Stimmgabel, den Goldenen Löwen, mehrfach den Deutschen Musikpreis ECHO, die Goldene Feder für sein erstes Buch 'Nichts als die Wahrheit' sowie als erster deutscher Musiker den BRAVO Platin-Otto.

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Leseprobe

Also ich sag mal so: Wenn andere mit dem goldenen Löffel im Mund geboren werden, dann sind’s bei meinen Ahnen Mistgabel und Sahnespritztüte. Oma und Opa Bohlen waren Schweine- und Kuh-Bauern in der dunkelsten Ecke von Ostfriesland, irgendwo an einem Kanal. Außer Schweinen und Kühen hatten sie noch elf Kinder. Ich kann von Glück sagen, dass mein Vater ein echter Sturkopp ist und unbedingt Abi machen wollte. Sonst würde ich jetzt vielleicht auch mit Gummistiefeln hinterm Deich rumhopsen und an Kuheutern rummachen. Oder ich wäre Otto Waalkes geworden, auch ein Absturz.

Der wichtigste Mensch, die allergrößte Liebe meines Lebens ist Mamas Mama: meine Oma Marie. Alles was ich bin, bin ich durch sie. Sie war etwas absolut Einmaliges. Dass ich ihr Enkel war, gab mir schon früh das Gefühl, auch etwas Besonderes zu sein. Sie ist die Person, die in mir den Keim gepflanzt hat, meinen Träumen zu folgen. Dazu muss man wissen: Oma Marie war Hausfrau in Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, und flüchtete nach dem Krieg mit Opa Wilhelm, einem Konditormeister, fünf Kindern und einem megamäßig leckeren Rezept für Erdbeertorte in die Nähe von Oldenburg. Opi starb früh an Leberkrebs, Oma Marie war Oma Courage, strickte, häkelte, machte morgens, mittags, abends Essen. Sie konnte das beste Kaninchen auf diesem Planeten, das spickte sie mit Knoblauchzehen, bis es aussah wie ein Igel. Immer wenn der kleine Dieter ein Jahr älter wurde, steckten seine Kerzen quasi nicht im Kuchen, sondern im Karnickel, ihr Geburtstagsgeschenk für mich. Für mich war sie die schönste Frau der Welt, sie schnitt sich nie die Haare und hinten am Kopf, weiß ich noch, hatte sie so eine Schnecke aus geflochtenem Haar kleben. Von ihr kriegte ich dieses Antennenmäßige, was ein Mensch haben muss, um Komponist zu sein. »Vor den Erfolg hat der Heiland den Schweiß gesetzt«, »Du sollst immer ehrlich sein« – ihre Schnacks waren meine Werte, ich sag immer: Mein Neues Testament stammt nicht von Gott, sondern von Omi.

Wenn sie mal was geschenkt bekam, was in unserer Familie zweimal in fünf Jahren passierte, bunkerte sie es gleich in der Kommode, »für schlechtere Tage«, wie sie meinte. Ich halte es seit Kindheit genauso: Anzüge erst mal in den Schrank, alles Teure schnell ab in den Safe. Und später, wenn ich alles wieder vorholen will, merke ich manchmal: »Ist ja schon total out, das Teil.« So liegt zum Beispiel seit Jahren eine 18-Karat-Cartier-Uhr – so mit dickem Gold drum rum – in meinem Tresor. Die kann man eigentlich nur noch anziehen, wenn man Dealer in Herne-Süd werden will und Sätze sagt wie: »Ey, du voll fett der krasse Macker!«

 

Omi hatte eine russische Seele: erdig, schwermütig, melancholisch, dieses ganze Moll-Feeling in meiner Musik habe ich von ihr. »Herrr, gäh vorrann auf derrr Lebbensbahn!«, sang sie immer mit zittriger Stimme in ihrem Memel-Ecke-Ostpreußen-Akzent, der so angenehm rollt und so ein Wohlfühlen und eine Gemütlichkeit im Bauch macht. Und den ich noch heute im Ohr habe. Oder sie schimpfte: »du Lorrrrbass«, »du fetterrrr Borrrrcher«, was so viel heißt wie »du Lümmel«, »du Wutz«. Damit meinte sie mich, ihren Enkel. Vor einem Konzert in Danzig drückte ich mal einer bettelnden alten Mutti einen Tausender in die Hand, nur weil sie mich so an Omi erinnerte. Als sie vor ein paar Jahren starb, meine Omi, war das Am-Grab-Stehen für mich, wie fünfzig Prozent von mir mit einzubuddeln. Könnte ich jetzt wie E. T. in den Himmel telefonieren, wo sie sicherlich dem lieben Gott auch grade Karnickel brät, würde ich sagen: Omi, ich liebe dich und es vergeht kein Tag, wo ich nicht an dich denke. Eigentlich plante ich auch, an dieser Stelle ein Tempo-Taschentuch ins Buch zu kleben, dies wurde mir aber vom Verlag untersagt.

 

Nach meiner Oma ist meine Mama Edith die zweitsüßeste Frau von der ganzen Welt, weich wie Yes-Torty, die sich schämt, wenn ich im Fernsehen das Wort »geil« in den Mund nehme, und die sich dann beim Friseur hinter ihrer »Frau im Spiegel« versteckt, um nicht drauf angesprochen zu werden. »Junge, dafür haben wir dich nicht studieren lassen«, sind ihre Worte. Sie sieht aus wie Dagmar Berghoff, nur noch hübscher, wie ich finde. Eine ganz zierliche Person, der man fast einen Keks zustecken möchte, weil sie so wenig wiegt und Beschützerinstinkte in Männern weckt. Ein Journalist schrieb mal unter ein Bild von uns beiden: »Der mit den Falten, das ist der Sohn.« Ach ja, die Falten! Zum einen lege ich mich, seit ich achtzehn bin, rigoros in die Sonne, das hinterlässt natürlich seine Spuren. Zum anderen habe ich die Hans-Bohlen-Krater-Gene geerbt. Ich habe die Befürchtung, in seine Familie sind mal Hush-Puppies eingekreuzt worden. Egal! Mein Vater sieht vielleicht nicht aus wie ein Model, dafür hat er einen enormen Charme. Früher fielen die Frauen reihenweise auf ihn rein, auch Klein Edith.

 

Ich war ein Volltreffer. Meine Eltern – Hans fünfundzwanzig, Edith grade mal achtzehn – verabredeten sich nur einmal zum Eisschlecken, schon wurde Mama Mutti. Sie heirateten, denn das war natürlich damals unmöglich, Kinderkriegen ohne Trauschein. Bei meiner Geburt schrie sie die ganze Zeit: »Ich platze, ich platze!«, für sie muss sich das angefühlt haben, als ob sie da ein ganzes Haus inklusive Garage und Vorgarten zur Welt bringt, dabei kriegte sie blutunterlaufene Augen. Ich hatte nämlich schon damals das, was mich heute auszeichnet: eine halbe Wassermelone auf den Schultern.

Kaum war zwei Jahre später mein Bruder Uwe geboren, warf mein Vater seinen Job als Beamter im Straßenbauamt Aurich hin und machte sich mit seiner Straßenbau-Firma »Hans Bohlen Tiefbau GmbH Oldenburg« selbstständig. Das Geld für die allerersten Maschinen und Geräte bettelte er sich bei allen möglichen Bekannten zusammen. Abends am Abendbrottisch ging es nur um Preise, Schubkarren, Zementmischer, Walzen, Raupen und Bagger. Gleichzeitig schaufelte sich mein Vater Bratkartoffeln mit extra viel Eiern und Flinsen rein, die Oma Marie für ihn gebrutzelt hatte. Bevor wir anderen uns hingesetzt hatten, war er schon fertig mit seinem Teller. Die Auftragslage war schwierig, meine Mutter hielt im Büro die Stellung und bekam fast jedes Mal einen Kreislaufkollaps, wenn die Lieferanten den Zement anlieferten und die Preise wieder um einskommafünf Pfennig gestiegen waren. Sie feilschte, als ob es um ihr Leben ginge, und versuchte die Moneten zusammenzuhalten, während mein Vater zu ihrem Leidwesen oft zu wenig wie ein Geschäftsmann dachte. Wenn sie mahnte: »Hans, diesen Arbeiter musst du jetzt wirklich entlassen, der war acht Wochen krank, außerdem säuft er wie ein Loch«, dann brauchte sich der Typ nur hinzustellen und sich ein paar Tränen abzuweinen und schon zerfloss mein Vater vor Mitgefühl. Überhaupt: Das hab ich von ihm, da bin ich wie er: Dieses Weichwerden bei Menschen, die schluchzen. Auch mein Papa wäre, glaube ich, auf marodierende Feld-, Wald-, Wühl- und Tränenmäuse reingefallen.

 

Bei all der Arbeit und Anspannung wollte ich meiner Mutter immer zeigen, wie lieb ich sie hatte. Bei uns vor dem Haus hatte meine Oma Rabatten voll mit blauen und gelben Stiefmütterchen gepflanzt. Als ich zwei Jahre alt war, rupfte ich die alle raus, weil mir meine Oma das Märchen von Schneewittchen erzählt hatte und ich keine böse Stiefmutti wollte. Zum Muttertag 1959, ich war gerade fünf, hatte ich endlich die Idee für den ultimativen Liebesbeweis: Ich beschloss, meiner Mutter ein bisschen von ihrer vielen Arbeit abzunehmen und unser Haus – Esszimmer, Küche, Bad – einmal komplett feucht aufzuwischen. Als ich nach getaner Arbeit feststellte, dass mein Werk nicht zufrieden stellend glänzte, ging ich zum Kühlschrank, holte die gesammelten Margarine-Vorräte raus und versuchte damit, alles zum Spiegeln zu bringen. Meine Mutter schlug die Hände überm Kopf zusammen und kriegte einen Schreianfall, woraufhin ich schon in diesem zarten Alter beschloss, meine Aktivitäten in der Küche in Zukunft auf ein Minimum zu reduzieren.

 

Trotz Arbeiten und megamäßig Ranklotzen: Die Kohle war knapp bei uns zu Hause und wenn sie nicht knapp war, war sie ganz aus. Eines Abends wollten meine Eltern ins Kino und hatten noch nicht mal das Geld für zwei Karten übrig. In meinem Zimmer im Regal stand ein hellblaues Sparschwein, in das mein Onkel Günther und meine Tante Marianne bei ihren Besuchen immer was für mich reinsteckten. Um sich überhaupt mal einen netten Abend leisten zu können, schlich mein Vater in mein Zimmer und erschlug mein Sparschwein, während ich schlief.

Ein anderes Mal wünschte ich mir einen tollen Doppeldecker-Tuschkasten mit ganz vielen Zwischenfarben und Extrafach für meine Pinsel. Alle in meiner Klasse, so hatte ich das Gefühl, hatten die Luxus-Ausführung von Pelikan, aber für den kleinen Dieter reichte es dann doch nur wieder für die Sparversion aus Taiwan. Theateraufführungen in der Schule waren der größte Horror. Ich wollte so gern als Held gehen, alle sollten mich beneiden. »Hier ist ein Badehandtuch, leg dir das um die Schultern, du bist jetzt Prinz!«, sagte meine Mutter. Damit war der Fall für sie erledigt.

Und ich erinnere es auch noch wie heute: Mein erster und einziger Besuch mit meinem Vater im Hallenbad. Ich hatte zwei Albträume: meine grün-schwarz karierte Badehose, die ich hasste, weil sie so hässlich war. Und mich mit allen anderen zusammen umziehen zu müssen. »Kann ich da rein?«, fragte ich meinen Vater und deutete auf die Einzelkabine für zwei Groschen. Aber er sagte nur: »Komm mit!« und zog mich in die...

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