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Nichts als die Wahrheit - Der Fall Lance Armstrong und die Aufarbeitung eines der größten Betrugsskandale in der Geschichte des Sports

AutorJürgen Kalwa
VerlagSonixstories
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl220 Seiten
ISBN9783962552381
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Lance Armstrong war der Mann, um den sich alles drehte. Aber es gab in seinem mafiaartigen Netzwerk zahllose Mitwisser und Mittäter. Sie waren diejenigen, die die Legendenbildung möglich machten. Aber auch die, die für seinen Sturz ins Nichts sorgten. Der Fall zeigt, welche Doppelmoral durch Doping und Korruption im Sport gefördert wird. Und weshalb es sich nicht um Kavaliersdelikte handelt, sondern um organisierte Kriminalität.

Journalist - seit 1989 in New York, arbeitet als Korrespondent für den Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Neue Zürcher Zeitung mit Schwerpunktthemen Sport und Kultur. Autor zahlreicher Sachbücher.

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Leseprobe

Eine feste Wagenburg ist unser Gott


 

 

 

Zurück nach Austin. Zurück in die Pearl Street und in die Kanzlei der Armstrong-Anwälte Herman, Howry & Breen.

Wir wissen heute, dass Lance Armstrong 2005 bei seiner Vernehmung im Büro seiner eigenen Anwälte einen Meineid geleistet hat. Wofür man normalerweise in Amerika ins Gefängnis geht.

Warum kam ausgerechnet er unbeschadet und straffrei davon? Die kurze Antwort ist knapp und beschämend schlicht: Als er viele Jahre später doch noch alles zugibt, ist sein Meineid verjährt.

Die lange Antwort ist etwas komplizierter. Sie aufzuspüren, war der Hauptgrund dafür, weshalb ich mich über so viele Jahre mit ihm, aber vor allem auch mit seinem Umfeld beschäftigt habe.

Gewiss, Lance Armstrong war der Mann, um den sich die ganze Geschichte drehte. Aber es war eine Geschichte, in der er beständig alles verdrehte. Er war Solist und Dirigent zugleich, hinter dem und neben dem eine ganze Garnitur von Jüngern und Ja-Sagern existierte, wie man sie im Radsport als Spitzenfahrer einfach hatte.

Seine Mannschaftsmitglieder waren gute bis sehr gute Radfahrer, die als Funktionsträger mehrere Jobs inne hatten. Die besseren nannte man Adjutant oder Leutnant – eine Anspielung an das Militär. Andere bezeichnete man als Domestik, eine Ableitung aus dem Französischen, wo das Wort eigentlich Dienstbote bedeutet. Dieser Terminus wurde schon bei einer frühen Tour de France 1911 für Fahrer aufgebracht, die hauptsächlich Hilfsdienste versehen. Sie haben unter anderem den Kapitän der Mannschaft und seine Top-Brigade mit Getränken und Nahrungsmitteln zu versorgen. Sie haben ihnen Windschatten zu geben, damit sie etwas gemütlicher durch die Landschaft strampeln können. Und sie haben taktische Manöver zu fahren und sich dabei notfalls auch zu verausgaben, solange dies dem Anführer dient.

Dann gab es Sportliche Leiter und natürlich technisches Personal, das für das Material verantwortlich war. Dabei handelte es sich in den Teams von Armstrong um Leute, die einen Tick mehr Erfahrung hatten als der Durchschnitt und die nicht nur wussten, dass er ausschließlich auf eingerittenen, weicheren Fahrradsätteln antrat, sondern auch wie man die Reifen für ihn fünf Jahre und länger an einem kühlen, dunklen Ort lagern konnte, ehe sie zum ersten Mal aufgezogen werden durften. Die klassische Gummimischung brauchte Zeit, hatte Armstrongs Mechaniker Julien de Vriese herausgefunden.

Es wirkte wie eine Marotte, war aber vermutlich für ein paar Zehntelsekunden hier und da mitverantwortlich wie so viele andere Facetten auch. Für einen Dokumentarfilm über Lance Armstrong ging der Belgier mit den Kameras des amerikanischen Discovery Channel in den Reifen-Keller:

JULIEN DE VRIESE: „Now we are in the place of one of the most important things from the team. We are where all the tubulars are stacked. It is very important that the tubular is old and softer for the flat tires. While a tubular is young the glue is not dry. Feel here, the tubular is supple. A young one is harder. That’s the difference.“

In alten Reifen sei der verwendete Klebstoff nämlich ausgetrocknet, sagte er, was bei den neuen noch nicht der Fall sei. Das Material sei aus diesem Grund kurz nach der Produktion im Vergleich zu hart für die Ansprüche des Hochleistungsradfahrers, bei dem es auf die Optimierung aller Details ankommt. „Das macht den Unterschied aus“, erklärte de Vriese.

Der hatte für so erfolgreiche Radfahrer wie Eddy Merckx und Greg LeMond gearbeitet, aber seinen Job im US Postal Service Team gleich wieder gekündigt, nachdem 1999 Armstrongs erster positiver Kortison-Test bekannt wurde. Als die Sache durch die Hilfe des Radsportverbandes vertuscht war, umwarb der Texaner de Vriese persönlich, damit er es sich noch einmal überlegt und wieder zurückkehrt. Der tat ihm tatsächlich den Gefallen, offensichtlich weil er das Geld brauchte. Der Lohn für sein Engagement bestand unter anderem daraus: Als nach der Tour de France 2000 bekannt wurde, dass das Team seinen Abfall mit Schachteln des dopingverdächtigen, aber nicht verbotenen Mittels Actovegin mehr als 70 Kilometer vom Hotel entfernt entsorgt hatte, tauchte er im offiziellen Dementi der Mannschaft auf. Der aus Kälberblut herausgefilterte Stoff, dem leistungssteigernde Wirkungen nachgesagt werden und etwa von einem Mann wie Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt unentwegt seinen Fußball-Patienten verabreicht wurde, werde angeblich unter anderem in der Behandlung von de Vrieses Diabetes-Erkrankung verwendet. Mannschaftsmitglied Christian Vande Velde gab später in seiner eidesstattlichen Erklärung vor der USADA zu, dass es sich dabei selbstverständlich nur um reine Desinformation gehandelt hatte: „Ich wusste, dass die Behauptungen nicht wahr waren. Actovegin wurde den Postal-Service-Fahrern vom Teamarzt gegeben, um die Leistung zu steigern und den Kreislauf zu stimulieren.“

Es war ein gutes Beispiel dafür, wie Ärzte, Masseure und Chiropraktiker, genannt soigneurs, und Trainer involviert waren und am Lügengebäude mitbauten. Weitere Menschen agierten im Hintergrund. Darunter ein bestens vernetzter Financier, ein ruchloser Manager und Agent, die liebedienerischen Vertreter von Sponsorenfirmen. Nicht zu vergessen die Frauen, mit denen die Fahrer verheiratet waren oder zusammenlebten.

Im US Postal Service Team war das noch nicht alles. Es gab da etwa einen Franzosen, dem die Fahrer den Spitznamen Motoman gegeben hatten. Er hieß nach den Recherchen, die das Sportblatt L’Equipe veröffentlichte, Philippe Maire und war Betreiber eines Fahrradladens in Cagnes-sur-Mer an der Côte d’Azur. Er stritt jedoch ab, dass er derjenige gewesen war, der auf seinem Motorrad die Doping-Produkte gut gekühlt in Thermosgefäßen entlang der Strecke der Tour de France von Ort zu Ort transportiert und pünktlich abgeliefert hatte.

Der Einsatz einer solchen zusätzlichen Hilfskraft entsprang den Erfahrungen aus dem Festina-Skandal von 1998, als mehrere Razzien der französischen Strafverfolgungsbehörden in Hotels, in denen die Teams übernachtet hatten, jede Menge an Dopingsubstanzen fanden und so Art und Umgang der Doping-Praktiken in dieser Mannschaft aufdecken konnten. Mit Motoman würden solche Spuren gar nicht erst entstehen.

Man erkennt daran: Eine Doping-Verschwörung, die sich über Jahre abspielt und viele Sportler einbezieht, funktioniert nur, wenn es viele Helfershelfer und Handlanger gibt. Und wenn sie alle währenddessen und natürlich auch später den Mund halten. Oder, falls damit konfrontiert – wie Maire – einfach alles abstreiten.

Zu den Komplizen gehörten bedauerlicherweise auch Journalisten, die den Radsport aus nächster Nähe verfolgten, wie Daniel Coyle 2005 in seinem Buch Lance Armstrong’s War erstmals verriet. US Postal arbeitete auch in diesem Bereich gezielt, effektiv und konsequent – mit einer Schwarzen Liste mit den Namen kritischer Reporter. Man bestrafte diese Journalisten hauptsächlich damit, ihnen keine Interviews zu gestatten. Zugangssperre für Unbotmäßigkeit, die manchen Medienmenschen zu einem gefügigen Werkzeug machte.

„Wir haben Freunde im Presseraum“, verriet Johan Bruyneel, der Sportliche Direktor damals. „Wir wissen, was los ist. Und wer mit wem Kontakt hat.“ Man ging so weit und fotografierte missliebige Berichterstatter und ließ die Bilder vorsichtshalber als Warnung intern an alle Teammitglieder zirkulieren.

Einen ganz bestimmten Feind hatte man beim US Postal Service Team bereits vor dem Erscheinen seines Buches ausgemacht, das eine Pionierarbeit war. Es trug die bis dahin aufgetauchten Verdachtsmomente zusammen und enthüllte, welche Methoden angewendet wurden. Der missliebige Journalist war der Ire David Walsh von der Sunday Times in London.

Die PR-Leute bei US Postal waren angehalten, ständig herauszufinden, wo sich Walsh aufhielt und mit welchen Kollegen er während der großen Rundfahrten ein Auto teilte. „Wir haben uns natürlich Sorgen gemacht“, verriet Johan Bruyneel, wie Coyle in seinem Buch festhielt. „Es gibt viele Leute, die Lance stürzen wollen. Wir wussten nicht, was in dem Buch steht.“

Eine feste Wagenburg ist unser Gott.

Als das Buch fertig war, erschien es nur auf Französisch, aber nicht um die Theorie des Schriftstellers Ernest Hemingway zu bestätigen. Der Grund war viel profaner. L. A. Confidentiel: Les secrets de Lance Armstrong, das Walsh zusammen mit dem französischen Journalisten Pierre Ballester geschrieben hatte, drohte im Vereinigten Königreich erhebliche Unbill. Denn die britische Gesetzgebung kommt, wenn es um rufschädigende Anschuldigungen wie Diffamierung oder üble Nachrede geht, klagemutigen Figuren wie Lance Armstrong sehr entgegen. Der Betroffene muss nicht etwa beweisen, dass seine Reputation Schaden genommen hat und die Berichterstatter einen Sachverhalt ganz bewusst und nicht etwa bloß fahrlässigerweise falsch dargestellt haben. Die Beweispflicht haben der Autor und das Medienunternehmen, das die Aussage publiziert hat.

Was das bedeutete, zeigte sich schon wenig später. Es genügte Armstrong schlichtweg, gegen Walsh und seinen Arbeitgeber in London vor Gericht Klage einzureichen, nachdem die Sunday Times einen Text unter Bezug auf das Buch veröffentlicht hatte. Und tatsächlich: Der Amerikaner erzwang in diesem Prozess nicht nur einen Widerruf, sondern auch noch eine Schadenersatzsumme von 300.000 Pfund. Erst...

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