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E-Book

Notfallmanagement

Human Factors in der Akutmedizin

AutorCornelius Buerschaper, Gesine Hofinger, Michael St.Pierre
VerlagSpringer-Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl190 Seiten
ISBN9783540270140
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR

Der Mensch in der Akutmedizin: Risikofaktor oder Garant sicheren Handelns?

Notfälle und kritische Situationen gehören zum Alltag der Akutmedizin - ihre Vermeidung und sichere Beherrschung kann gelernt und trainiert werden.

Das vorliegende Buch bietet als erstes deutschsprachiges Werk alle wesentlichen Grundlagen, Ursachenanalysen und gezielte Hilfestellungen:

- Fehler und Fehlerursachen

- Die Psychologie menschlichen Handelns

- Menschliche Wahrnehmung  und Informationsverarbeitung

- Einfluss von Stress und Müdigkeit

- Kommunikation - Teamarbeit - Führung

- Organisation und Sicherheitskultur

Das Autorenteam - Ärzte und Psychologen - haben hier ihre jahrelange Erfahrung im Notfallmanagement und in der Expertise auf dem Gebiet der Human-factor-Forschung zusammengetragen und praxisnah aufbereitet.

Unentbehrliches Wissen in allen Notfallsituationen für Ärzte aller Fachrichtungen, Intensivpflege- und Rettungsdienstpersonal!

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Leseprobe

7 Ziele und Pläne: Weichenstellung für den Erfolg (S. 69-70)

Fallbeispiel
Ein polytraumatisierter, adipöser Patient wird nach seiner operativen Erstversorgung mit den Diagnosen einer Lungenkontusion, einer offenen Unterarmfraktur und einer Oberschenkelfraktur auf die Intensivstation verlegt. Der Patient ist normoventiliert und hat einen Hb-Gehalt von 12,5 mg%. Auf der Intensivstation entwickelt er wenige Stunden nach der Aufnahme zunehmend hohe Atemwegsdrucke. Trotz einer FiO2 von 0,7 fällt die pulsoxymetrisch gemessene Sättigung langsam. Zu diesem Zeitpunkt ist der Patient hämodynamisch stabil. Der zuständige Assistenzarzt vermutet aufgrund eines deutlich abgeschwächten Atemgeräusches auf der rechten Thoraxseite einen Pneumothorax und legt ohne vorherige Rücksprache mit seinem Oberarzt eine Thoraxdrainage. Da der Assistenzarzt mit dieser Technik keine Erfahrung hat und auch keinen erfahrenen Kollegen zur Aufsicht dazu holt, setzt er die Thorakotomiestelle zu tief an und perforiert mit dem Trokar der Thoraxdrainage die Leber. Über die Drainage entleert sich Blut, was von dem Assistenzarzt als Bestätigung seiner Diagnose eines Hämatopneumothorax gesehen wird. Das Einbringen der Thoraxdrainage verbessert allerdings weder die Beatmungsdrucke noch die Oxygenierung. Aus dieser Tatsache zieht der Intensivarzt jedoch keine Konsequenz.

Als sich innerhalb von 20 Minuten weitere 1500 ml Blut über die Drainage entleeren, beginnt der arterielle Blutdruck zu fallen. Der Assistenzarzt legt daraufhin zwei weitere periphere Venenzugänge und beginnt mit der Zufuhr von kristalloidem und kolloidalem Volumenersatz. Zeitgleich wird die Intensivpflegekraft beauftragt, einen Suprareninperfusor bereitzustellen, eine arterielle Blutgasanalyse durchzuführen und Gefrierplasmen in der Blutbank zu bestellen. Obwohl der Hb-Wert in der Blutgasanalyse 7,9 mg% beträgt, bestellt der Assistenzarzt aus ungeklärtem Grund keine Erythrozytenkonzentrate.

Er ordnet die weitere Gabe von Volumenersatzmitteln an und lässt erst zu diesem Zeitpunkt seinen Oberarzt verständigen. Noch bevor dieser eintrifft, wird der Patient drucklos und zeigt auf dem Überwachungsmonitor eine pulslose elektrische Aktivität. Es gelingt nach kurzzeitiger Reanimation, den Kreislauf des Patienten wiederherzustellen. Anhand der Lage der Drainage und des klinischen Verlaufs vermutet der Oberarzt eine iatrogene Perforation der Leber und stellt die Indikation zur Notfall-Laparotomie. Es gelingt unter massivem Einsatz von Volumenersatzmitteln und ungekreuzten Blutprodukten, den Patienten auf niedrigem Niveau hämodynamisch zu stabilisieren und in den Operationssaal zu transportieren. Bei der Laparotomie finden sich ein blutgefülltes Abdomen und eine anhaltende Blutung aus einer Stichverletzung der Leber.

Die Blutung kann erst nach kurzfristiger Unterbindung der Blutzufuhr zur Leber und durch eine Lebersegmentresektion kontrolliert werden. Der Patient entwickelt aufgrund der Massivtransfusion ein akutes Lungenversagen und muss mehrere Wochen beatmet werden. Als Ursache für die anfängliche Beatmungsproblematik findet sich noch intraoperativ bronchoskopisch ein dicker Blutkoagel, der den rechten Hauptbronchus fast vollständig verlegt. Ein Assistenzarzt wird mit einem intensivmedizinischen Beatmungsproblem konfrontiert. Die Symptomkonstellation eines erhöhten Atemwegsdrucks, eines einseitig veränderten Atemgeräusches und einer langsam abfallenden Sättigung deutet er als Zeichen eines Pneumothorax. Obwohl es für diese Symptomkonstellation mehrere Differentialdiagnosen gibt und der Patient zu diesem Zeitpunkt nicht vital gefährdet ist, beginnt der Assistenzarzt auf seine erste Verdachtsdiagnose hin zu handeln. Er sucht weder nach alternativen Ursachen für das Beatmungsproblem, noch holt er sich eine zweite Meinung ein.

Da er die Anlage der Thoraxdrainage ohne Aufsicht eines erfahrenen Kollegen durchführt, zieht er die Möglichkeit von Komplikationen bei der Planung offensichtlich nicht in Betracht. Als es daraufhin doch zu Komplikationen kommt, erkennt er diese zunächst nicht. Im weiteren Verlauf der Behandlung werden aus Veränderungen (z. B. abfallender Hb-Gehalt) keine therapeutischen Konsequenzen gezogen. Dadurch wird der Patient reanimationspflichtig und kann nur durch eine forcierte Volumengabe und eine intraoperative Massivtransfusion mit Blutprodukten hämodynamisch stabilisiert werden. In Folge der Massivtransfusion verschlechtert sich die pulmonale Situation des Patienten erheblich und er entwickelt ein ARDS.

Inhaltsverzeichnis
Vorwort6
Inhaltsverzeichnis10
I Grundlagen: Fehler, Komplexität und menschliches Handeln13
1 Risikofaktor Mensch? Fehler in der Akutmedizin15
1.1 Notfallmanagement und kritische Situationen16
1.2 Human Factors: Einflussfaktoren und Fehler18
1.3 Fehler in der Akutmedizin21
1.4 Human Factors: Sicheres Handeln überwiegt24
1.5 Human Factors – Auf einen Blick24
Literatur25
2 Herausforderung Akutmedizin27
2.1 Komplexität und menschliches Handeln28
2.2 Fertigkeiten – Regeln – Wissen: Handlungsformen in kritischen Situationen31
2.3 Komplexität – Auf einen Blick33
Literatur34
3 Fehler und Fehlerursachen35
3.1 Was ist ein Felher?36
3.2 Klassifikation von Fehlern37
3.3 Fehlerketten, Zwischenfälle und Unfälle41
3.4 Fehler – Auf einen Blick42
Literatur42
4 Die Psychologie menschlichen Handelns43
4.1 Die »Psycho-Logik« von Denken, Wollen und Fühlen45
4.2 Grundlagen menschlichen Handelns45
4.3 Motivation48
4.4 Emotionen50
4.5 Denken52
4.6 Sicherheitsgefährdende Einstellungen55
4.7 Grundlagen des Handelns – Auf einen Blick55
Literatur55
II Individuelle Faktoren des Handelns57
5 Menschliche Wahrnehmung: Die Sicht der Dinge59
5.1 Vom Reiz zum Neuron: Sinnesphysiologie60
5.2 Gestalten und Muster: Organisation der Wahrnehmung62
5.3 Erkennen und Bedeutung schaffen64
5.4 Wahrnehmung und Gefühle65
5.5 Tipps für die Praxis66
5.6 Wahrnehmung – Auf einen Blick66
Literatur66
6 Informationsverarbeitung und Modellbildung: Weltbilder69
6.1 Organisation des Wissens: Schemata und mentale Modelle71
6.2 Sind wir denkfaul und uneinsichtig? Ökonomie, Kompetenz und Sicherheit71
6.3 Wunsch und Wirklichkeit: Informationsverzerrungen73
6.4 Trugbilder: Inadäquate mentale Modelle74
6.5 Was ist wahrscheinlich? Der Umgang mit unsicherer Information75
6.6 Tipps für die Praxis78
6.7 Informationsverarbeitung und Modellbildung – Auf einen Blick78
Literatur79
7 Ziele und Pläne: Weichenstellung für den Erfolg81
7.1 Zielbildung und Zielklärung83
7.2 Planen86
7.3 Tipps für die Praxis89
7.4 Ziele und Pläne – Auf einen Blick89
Literatur89
8 Aufmerksamkeit: Im Fokus des Bewusstseins91
8.1 Steuerung des Handelns: Aufmerksamkeit, Vigilanz und Konzentration92
8.2 Offen für Neues: Hintergrundkontrolle und Erwartungshorizont94
8.3 Störungen der Aufmerksamkeit95
8.4 Tipps für die Praxis98
8.5 Aufmerksamkeit – Auf einen Blick98
Literatur99
9 Stress: Ärzte unter Strom101
9.1 Was ist Stress?102
9.2 Formen der Stressbewältigung107
9.3 Vom Stress überwältigt109
9.4 Umgang mit Stress110
9.5 Beitrag der Organisation zur Stressreduktion111
9.6 Tipps für die Praxis111
9.7 Stress – Auf einen Blick111
Literatur112
10 Handlungsstrategien: Wege zur guten Entscheidung113
10.1 Strategien guten Handelns114
10.2 Strategien im Umgang mit Fehlern118
10.3 Tipps für die Praxis120
10.4 Handlungsstrategien – Auf einen Blick120
Literatur120
III Human Factors im Team123
11 Teamarbeit: Der Schlüssel zum Erfolg125
11.1 Kennzeichen von Teams und Teamarbeit127
11.2 Teams und Teamarbeit in der Akutmedizin128
11.3 Probleme und Fehler in der Teamarbeit129
11.4 Kennzeichen guter Teamarbeit132
11.5 Tipps für die Praxis134
11.6 Teamarbeit – Auf einen Blick134
Literatur134
12 Kommunikation: Reden ist Gold137
12.1 Das Chaos gestalten: Funktionen von Kommunikation138
12.2 Kommunikation verstehen139
12.3 Allgemeine Kommunikationsstörungen143
12.4 Schlechte Kommunikation in kritischen Situationen146
12.5 Gute Kommunikation in kritischen Situationen148
12.6 Kommunikation nach kritischen Situationen150
12.7 Kommunikation – Auf einen Blick152
Literatur152
13 Führung: Dem Team Richtung geben155
13.1 Ein-Führung157
13.2 Führungstheorie157
13.3 Führungsprobleme in kritischen Situationen160
13.4 Situative Führung162
13.5 Tipps für die Praxis163
13.6 Führung – Auf einen Blick163
Literatur163
IV Fehler und Sicherheit in Organisationen165
14 Organisation und Fehler167
14.1 Organisation als System170
14.2 Organisationale Fehlertheorie171
14.3 Organisationale Fehlerquellen173
14.4 Organisation und Fehler – Auf einen Blick176
Literatur177
15 Zuverlässige Akutmedizin179
15.1 Unternehmensziel Patientensicherheit181
15.2 Fehlervermeidung184
15.3 Fehlerbewältigung188
15.4 Die Akutmedizin der Zukunft denken191
15.5 Zuverlässige Akutmedizin – Auf einen Blick193
Literatur194
Stichwortverzeichnis197

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