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Novembertage

Entscheidungen und Ereignisse im 20. Jahrhundert

AutorRolf Steininger
VerlagStudienverlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl172 Seiten
ISBN9783706559584
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Ein Jahrhundert der Extreme: Rolf Steininger schildert anhand von 21 'Novembertagen', welche Ereignisse und Entscheidungen des 20. Jahrhunderts unsere Welt nachhaltig geprägt haben. Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Extreme: Die erste Hälfte wurde von zwei Weltkriegen geprägt, die zweite vom Kalten Krieg. In dieser Zeit kam es zu Ereignissen und Entscheidungen, die die Geschichte nachhaltig geprägt haben. Dabei fällt ein interessantes Phänomen auf: Erstaunlich viele dieser geschichtsträchtigen Momente fanden im November statt - seien es das Ende des Ersten Weltkrieges, der Hitlerputsch von 1923, der nationalsozialistische Pogrom an den Juden 1938 oder der Fall der Berliner Mauer. Der renommierte Zeithistoriker Rolf Steininger untersucht 21 dieser 'Novembertage' näher. Beginnend mit der Balfour-Deklaration vom 2. November 1917 bis hin zur Ermordung von Israels Regierungschef Yitzhak Rabin am 4. November 1995 nimmt er diese Schicksalstage des 20. Jahrhunderts ins Visier. Übersichtlich, lebendig und fundiert schildert er, was unsere Welt geprägt, erschüttert und verändert hat.

Rolf Steininger, Dr. phil., ordentlicher Universita?tsprofessor, von 1984 bis zur Emeritierung 2010 Leiter des Instituts fu?r Zeitgeschichte der Universita?t Innsbruck; seit 1989 Senior Fellow des Eisenhower Center for American Studies der University of New Orleans; seit 1995 Jean Monnet-Professor; Gastprofessuren in Tel Aviv, Queensland (Australien) und New Orleans; Gastwissenschaftler in Ho Chi Minh-Stadt (Saigon), Hanoi und Kapstadt; 1993 Ruf an die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 2008 an die Freie Universität Bozen; 2011 Tiroler Landespreis fu?r Wissenschaft; zahlreiche Vero?ffentlichungen und preisgekro?nte Ho?rfunk-, Film- und Fernsehdokumentationen zur Zeitgeschichte.

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Leseprobe

Einleitung


Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Extreme. Die erste Hälfte wurde von zwei Weltkriegen geprägt, die zweite vom Kalten Krieg. Dabei wird beim Rückblick auf den Ersten Weltkrieg oft der bekannte amerikanische Diplomat George F. Kennan zitiert, der diesen „großen Krieg“ im Jahre 1979 einmal – in deutscher Übersetzung – die „Urkatastrophe des 20 Jahrhunderts“ genannt hat. Das englische Original zeigt dabei sehr viel präziser, was Kennan meinte. Er spricht von der „seminal catastrophe of this century“. Seminal kommt von semen, der Same. Kennan wollte damit sagen, dass im Ersten Weltkrieg der Same für weitere Katastrophen angelegt war. Die größte Katastrophe war zweifelsohne der Zweite Weltkrieg, weil es nach 1918 nicht gelang – um im Bild zu bleiben –, den Samen für das Unkraut Krieg zu vernichten. Der Erste Weltkrieg führte zum Untergang der Monarchien in Deutschland, in Österreich-Ungarn und in Russland und zum Zerfall des Osmanischen Reiches und legte den Grundstein für etliche der nachfolgenden Katastrophen. Mit dem Kriegsende 1918 und den Friedensverträgen von 1919 wurde der Friede jedenfalls nicht gewonnen, weder in Europa, noch im Nahen Osten. Das vom amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson verkündete Selbstbestimmungsrecht wurde nicht realisiert, stattdessen in den sogenannten Friedensverträgen willkürlich neue Grenzen gezogen und zahlreiche Minderheitenprobleme geschaffen. Der Vertrag von St. Germain machte aus Österreich ein Land, das „niemand wollte“ und letztlich 1938 im Anschluss an Deutschland endete. Der Vertrag von Versailles war für die Deutschen von Anfang an „unannehmbar“. Der Artikel 231, in dem die Alleinschuld für diesen Krieg Deutschland zugewiesen wurde, vergiftete das politische Klima in Deutschland von Anfang an und trug viel zum Scheitern der Weimarer Republik bei. Der amerikanische Außenminister Robert Lansing beurteilte den Vertrag von Versailles, den er mit zu verantworten hatte, 1921 einmal so:

„Prüft den Vertrag und ihr werdet finden, dass Völker gegen ihren Willen in die Macht jener gegeben sind, die sie hassen, während ihre wirtschaftlichen Quellen ihnen entrissen und anderen übergeben sind. Hass und Erbitterung, wenn nicht Verzweiflung, müssen die Folgen derartiger Bestimmungen sein. Es mag Jahre dauern, bis diese unterdrückten Völker im Stande sind, ihr Joch abzuschütteln, aber so gewiss wie die Nacht auf den Tag folgt, wird die Zeit kommen, da sie den Versuch wagen.“

Es dauerte genau 18 Jahre, bis Nazideutschland diesen Versuch wagte. Das Ergebnis ist bekannt. Und insofern erfüllte sich das, was Frankreichs Marschall Ferdinand Foch 1919 nach der Unterzeichnung gesagt hatte: „Dies ist kein Frieden. Es ist für 20 Jahre ein Waffenstillstand.“

Genauso kam es. Adolf Hitler plädierte zwar öffentlich für eine Revision von Versailles, tatsächlich plante er aber von Anfang den Krieg, den er 1939 entfesselte und der mit dem Unternehmen „Barbarossa“ – dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 – zum ungeheuerlichsten Eroberungs-, Versklavungs- und Vernichtungskrieg der Neuzeit wurde. Nirgends wird die Verflechtung von Ideologie und Kriegsführung so deutlich wie in diesem Krieg. Ideologie hieß: Ostexpansion, Eroberung, Beherrschung und Ausbeutung des europäischen Teiles der Sowjetunion als „Lebensraum“ für die deutschen „Herrenmenschen“, Ausrottung des Bolschewismus, Vernichtung des Judentums. Mit dem Untergang der 6. Armee im Winter 1942/43 in Stalingrad war dann allerdings nicht nur für alle sichtbar der Mythos von der Unbesiegbarkeit der Wehrmacht dahin, Stalingrad wurde auch zu einem der entscheidenden militärischen Wendepunkte im Zweiten Weltkrieg.

Wie nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde aber auch am Ende des Zweiten Weltkrieges der Friede nicht wirklich gewonnen. Es gab zwar die Vereinten Nationen, aber nicht die „eine Welt“, die dem amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt vorgeschwebt hatte. Das Gegenteil war der Fall. Mit dem Sowjetdiktator Stalin war eine Kooperation über den Krieg hinaus nicht möglich. Es begann das, was als Kalter Krieg in die Geschichte eingegangen ist. Bis 1990/91 war die Welt in zwei Lager geteilt, die sich unversöhnlich gegenüberstanden: auf der einen Seite die westlichen Demokratien unter Führung der USA, auf der anderen Seite die kommunistischen Staaten unter Führung der Sowjetunion. Mit der Atombombe waren beide Seiten in der Lage, sich gegenseitig zu vernichten. Aber dazu ist es nicht gekommen: Die Bombe sorgte dafür, dass der Kalte Krieg ein kalter Krieg blieb. Das änderte allerdings nichts daran, dass es zahlreiche Krisen, Kriege und Stellvertreterkriege gab: es gab weiter Minderheitenprobleme, es gab den Koreakrieg, es gab und gibt die Dauerkrise im Nahen Osten mit gleich mehreren Kriegen, es gab den Ungarnaufstand, die Berlinkrise, die Kubakrise und Amerikas Weg in den Vietnamkrieg. Der Fall der Berliner Mauer im November 1989 läutete dann eine neue Phase in der Auseinandersetzung zwischen Ost und West ein. Als der Kalte Krieg mit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 zu Ende ging, war das allerdings nicht das Ende der Geschichte, wie es damals auch hieß.

Lässt man das 20. Jahrhundert Revue passieren, so kann man etwas Erstaunliches feststellen: Einige der wichtigsten Entscheidungen und Ereignisse fallen immer in einem bestimmten Monat, nämlich im November. Ich habe 21 dieser „Novembertage“ einmal näher untersucht. Es beginnt mit dem

2. November 1917, der sogenannten Balfour-Deklaration – so genannt nach dem britischen Außenminister Arthur James Balfour – mit der Zusage der britischen Regierung gegenüber den Zionisten, sie beim Aufbau einer „nationalen Heimstätte in Palästina“ zu unterstützen. Ein Dokument mit Auswirkungen im Nahen Osten bis auf den heutigen Tag. Am

7. November 1917 übernehmen die Bolschewisten in Russland die Macht. Der Sieg der Kommunisten führt zur Sowjetunion, die immerhin bis 1991 existiert. Dann der

3.–12. November 1918: Ende der Monarchien und Kriegsende für Deutschland und Österreich mit verheerenden Folgen für beide Länder, die in den folgenden Jahren nicht zur Ruhe kommen. Eine Konsequenz für Deutschland ist am

9. November 1923 der Versuch Adolf Hitlers, die Macht an sich zu reißen. Der Hitler-Putsch mit dem Marsch auf die Feldherrnhalle scheitert bekanntlich, aber Hitler wird trotzdem später „Führer“ und Reichskanzler des Deutschen Reiches und gibt am

9. November 1938 grünes Licht für die sogenannte Reichskristallnacht, der Pogrom gegen die Juden, ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum Holocaust. Hitler entfesselt den Zweiten Weltkrieg, wo am

22. November 1942 die Einkesselung der 6. Armee vor Stalingrad durch die Rote Armee den Untergang dieser Armee einleitet, der gleichzeitig zum Wendepunkt des Krieges wird. Am

1. November 1943 veröffentlichen die Außenminister Großbritanniens, der Sowjetunion und der USA zum Abschluss ihrer Konferenz in Moskau die „Moskauer Deklaration“, die zur „Geburtsurkunde“ von Österreichs 2. Republik wird und gleichzeitig den „Opfermythos“ dieser Republik begründet. Am

29. November 1947 entscheidet die UNO die Teilung Palästinas in zwei Staaten, einen jüdischen und einen arabischen, und institutionalisiert damit nachgerade den Nahostkonflikt. Am

24. November 1950 greift die Volksrepublik China in den Koreakrieg ein und stellt die Truman-Administration damit vor die Alternative: Ausweitung des Krieges mit Einsatz der Atombombe oder Waffenstillstand. Am

1. November 1952 zünden die Amerikaner die erste Wasserstoffbombe. Damit beginnt eine neue Runde im Wettrüsten. Am

4. November 1956 schlagen sowjetische Truppen den Aufstand in Ungarn gewaltsam nieder. Die USA greifen nicht ein. Damit wird eine unsichtbare Linie bestätigt: Osteuropa bleibt sowjetisches Herrschaftsgebiet. Am

5. November 1956 überfallen Großbritannien, Frankreich und Israel Ägypten. Damit wird gleichzeitig das Ende der britischen Herrschaft im Nahen Osten eingeläutet; die USA übernehmen ihre Position. Am

17. November 1957 protestieren 35.000 Südtiroler auf Schloss Sigmundskron gegen die italienische Politik in ihrem Land. Von nun an weht ein scharfer politischer Wind in Südtirol. Am

10. November 1958 löst Sowjetdiktator Chruschtschow mit einer Rede im Moskauer Sportpalast die neue Berlinkrise aus. Der Bau der Mauer und die zurückhaltende Reaktion des Westens führt letztlich zu Willy Brandts „Ostpolitik“. Am

1. November 1963 wird Südvietnams Regierungschef Diem gestürzt und am nächsten Tag ermordet. Damit beginnt der Weg der USA in den „Sumpf“ Vietnam. Am

22. November 1963 wird US-Präsident John F. Kennedy ermordet, ein emotionales Ereignis der ganz besonderen Art. Für viele ist dies das abrupte Ende einer neuen Zeit, für die der dynamische Präsident geradezu zum Symbol geworden ist und der...

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