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Nur in der Hölle kann man den Himmel sehen

Der Weg einer jungen Mutter aus der Heroinsucht

AutorKatja Steinmacher
Verlagmvg Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl250 Seiten
ISBN9783864153150
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Die moderne Variante von Wir Kinder vom Bahnhof Zoo. Katja S. ist 15 Jahre alt, als sie zum ersten Mal Heroin probiert. Keine zwei Jahre später ist sie ein Junkie - drogenabhängig und ständig auf der Suche nach der nächsten Dosis, um dem Druck der Realität zu entfliehen. Immer öfter bleibt sie der Berufsschule fern, an der sie eine Ausbildung zur Arzthelferin begonnen hat. Als alle Geldreserven aufgebraucht sind, lernt sie einen Millionärssohn kennen, die Sucht steigert sich ins Uferlose. Mehrfach versucht sie einen kalten Entzug, wird schließlich in eine Suchtklinik eingewiesen, wo sie sich in einen anderen Patienten verliebt. Sie wird schwanger - und will endlich ihr Leben in den Griff bekommen. Für das Baby. Für eine gemeinsame Zukunft. Doch drei Jahre nachdem ihre Tochter gesund zur Welt gekommen ist, wird sie rückfällig. Um die teure Sucht zu finanzieren, verkauft sie selbst Heroin - bis sie eines Tages von ihren zwei besten Freunden verraten wird und im Frauengefängnis landet. Die Liebe zu ihrem Kind, das ihr herzerschütternde Briefe ins Gefängnis schreibt, hilft ihr schließlich nach fast 20 Jahren Drogensucht, dieser unheilvollen Spirale aus Abhängigkeit, Entzug, Therapie und erneutem Absturz zu entfliehen.

KATJA S. war fast 20 Jahre lang heroinabhängig. Als 13-Jährige kam sie erstmals mit Drogen in Berührung, mit 15 konsumierte sie zum ersten Mal Heroin, mit Anfang 20 bekam sie während einer Therapie eine Tochter, die heute volljährig ist - und wurde anschließend wieder rückfällig. Erst im Alter von 32 Jahren schaffte sie es, von den Drogen loszukommen. Heute ist sie seit 11 Jahren clean. Katja S. war fast 20 Jahre lang heroinabhängig. Als 13-Jährige kam sie erstmals mit Drogen in Berührung, mit 15 konsumierte sie zum ersten Mal Heroin, mit Anfang 20 bekam sie während einer Therapie eine Tochter, die heute volljährig ist - und wurde anschließend wieder rückfällig. Erst im Alter von 32 Jahren schaffte sie es, von den Drogen loszukommen. Heute ist sie seit 11 Jahren clean.

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Leseprobe

Schlittschuhhalle und Jugendzentrum


Im Winter waren wir am liebsten in der Schlittschuhhalle in Göppingen; sie war der ultimative Treffpunkt aller Teenager, die noch nicht in eine Disco durften. Der Kontakt mit Jungs ließ sich dort natürlich nicht vermeiden, und auch für uns Jüngere gab es abends eine Disco auf dem Eis, die fast noch besser war als die der Älteren. Ich war knackige 13, rauchte und hatte meist eine hautenge Zebrahose an, die meinen coolen Fahrstil perfekt unterstrich. Durch meine Leidenschaft fürs Rollerbladefahren hatte ich einen echten Vorsprung, denn wer das beherrscht, kann fast automatisch auch Schlittschuh und Ski laufen.

Ich sauste also wie der Blitz zwischen den anderen Läufern hindurch und machte meine Kanadier, wie diese Figur damals hieß. Die waren so spektakulär, dass sie Jung und Alt imponierten. Man macht sie, um die Fahrt rasant abzuschließen, setzt dabei das rechte Bein genau vor das linke und schlägt einen Hakenkreis nach rechts, um die anderen Läufer mit richtig viel Tempo zu kreuzen. Damit konnte ich mir quasi ständig mein nächstes »Opfer« unter den Jungs aussuchen. Mike zum Beispiel brachte eines Tages seinen Kumpel Jan mit, beide trugen schwarz-weiße Lederjacken, und es muss Mike, der scharf auf mich war, schwer getroffen haben, dass ich mich damals für Jan entschied.

Jan war groß und schlaksig und hatte blonde Locken. Was er neben dem Schlittschuhlaufen besonders gut konnte, war Knutschen, und das war für mich erst mal das Wichtigste. Ich glaube, ich hatte nie wieder einen, der so gut küssen konnte, und wir verbrachten fast zwei Wochen nur in den Umkleidekabinen mit intensivem Knutschen. Unsere Slips waren total durchnässt, und ich wusste damals noch nicht, dass das fast besser war als Sex.

Irgendwann war es aber vorbei mit ihm, was jedoch nicht schlimm für mich war, denn ich hatte mir schon den Nächsten ausgeguckt – Lucas. Er gehörte zu einer Clique, deren Mitglieder auch alle schon älter waren, und sah so wahnsinnig gut aus, dass ich fast in Ohnmacht fiel, wenn ich ihn nur von Weitem sah. Er fuhr ein Auto und eine Rennmaschine und kam mit seinem getunten Auto immer die Straße entlang, wenn wir Schule aus hatten. Ich hätte niemals gedacht, mit meinen jungen Jahren überhaupt eine Chance bei ihm zu haben, und es hätte wirklich etwas daraus werden können, wenn mir hier nicht – wie später noch oft – die Rolle der »schwarzen Witwe« bestimmt gewesen wäre.

So machten wir einmal ein nächtliches Date aus, zu dem ich dann aber nicht hinging, weil ich Angst hatte, im Dunkeln unterwegs zu sein. Deshalb rief ich ihn am nächsten Tag an, um ihm das zu erklären, aber da war nur sein Vater am Telefon, der mir sagte, Jan sei gerade tödlich mit dem Motorrad verunglückt. Ich war fassungslos und hielt das erst für einen üblen Scherz, aber es war die Wahrheit: Lucas war beim Überholen frontal gegen einen Lkw geknallt.

Ich war wie vor den Kopf geschlagen und schwer getroffen – zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wie viele meiner Freunde und Bekannten ich später noch durch andere Umstände verlieren sollte; so viele jedenfalls, dass ich ihre Zahl heute gar nicht mehr weiß.

Als die Wintersaison zu Ende war und auf der Rollschuhbahn, die der Eisfläche dann folgte, nicht mehr viel los war, inspizierte ich den nächsten Ort, an dem das mit Sicherheit anders zu sein versprach: das Jugendzentrum in Boll.

Dorthin fuhr ich mit Simone, inzwischen meine Busenfreundin im wahrsten Sinne des Wortes. Sie war knapp zwei Jahre älter als ich und hatte eine enorme Oberweite, was die Männerwelt ganz verrückt machte. Das war auch der Grund, warum sie mir bei Jungs oft in die Quere kam, aber auch sonst vertraute ich ihr nicht und merkte im Übrigen selbst schon, dass ich mir immer wieder die gleichen komischen Freunde suchte. Ihr Mofa war total hässlich, eine Vespa in Orange, aber immerhin beförderte es mich – mit voll aufgedrehtem Kassettenrekorder auf dem Rücksitz – an den Ort meiner Wünsche, und das war auf jeden Fall besser, als dorthin zu laufen.

Ich war noch immer 13 und alle anderen, die wir dort trafen, waren älter, aber wir erregten trotzdem ihre Aufmerksamkeit. Die Jungs beobachteten und taxierten uns, was uns natürlich ungeheuer schmeichelte. Eines Abends saß einer von ihnen in seinem Auto und zündete sich einen Joint an. Simone und ich lehnten von außen an seinem Fenster und schauten gebannt zu.

Natürlich sagte ich: »Hey, lass mich auch mal ziehen!« – neugierig und aus dem Wunsch heraus, auch hier dazuzugehören. Er wollte zwar erst nicht so recht und hatte wohl Skrupel, aber ich sagte, ich hätte das schon öfter getan. Schließlich landeten Simone und ich in seinem Auto, und wir fuhren an eine Stelle, wo wir den ganzen Joint in Ruhe rauchten.

Erst passierte absolut gar nichts bei mir, was ich äußerst enttäuschend fand, und auch eine Woche später, beim nächsten Mal, tat sich noch nichts. Ich ließ nicht locker, probierte es Tage später ein drittes Mal und merkte dann endlich, dass ich langsam stoned wurde. Das fand ich super, mein erster Rauschzustand, und das noch vor meiner ersten Periode! Danach taten Simone und ich nichts anderes mehr: Regelmäßig hauten wir nachts ab und gingen auf Tour.

Damals war der letzte meiner drei Brüder gerade ausgezogen und ich war mit meiner Mutter allein. Von da an gab es für mich kein Halten mehr. Ihre zaghaften Versuche, mir Grenzen zu setzen und mich zu einem ordentlichen Lebenswandel zu erziehen, indem sie mir etwas verbot oder eine Strafe androhte, scheiterten kläglich an meiner Aufsässigkeit und Abwehr. Ich weigerte mich standhaft, mich meiner Mutter zu beugen.

Zwar hatten sich zwischen meinen Brüdern und mir nie die Nähe und der Zusammenhalt entwickelt, die ich mir von klein auf gewünscht hatte, aber dennoch waren sie in meinem Empfinden immer mehr auf meiner Seite als auf der meiner Mutter, die ich als gegnerische Seite sah. Unser Verhältnis war gespannt und geprägt von einem gegenseitig harten Ton und frechen Antworten meinerseits. Da ich meine Mutter schon als kleines Mädchen weggeschoben hatte und es nicht ertrug, wenn sie mal mit mir schmusen wollte, hatte ich sie in ihrem Wunsch nach einer liebevollen und anhänglichen Tochter gründlich enttäuscht. So gestaltete sich auch unser Zusammenleben mit zunehmendem Alter immer unzugänglicher und rauer im Ton. Schon lange war ich ihr gegenüber verschlossen wie eine harte Muschel, und als mein letzter Bruder dann auszog, war das für mich das Signal zur Revolution und zu einem Rachefeldzug gegen alle, vor allem aber gegen mich selbst. Das Projekt Familie im Sinne von Gemeinschaft und Geborgenheit war gescheitert, und ich beschloss, nur noch nach meinen eigenen Regeln zu leben. Dazu gehörten meine regelmäßigen nächtlichen Ausbrüche: Da wir ja im Erdgeschoss wohnten, stieg ich unbemerkt aus dem Fenster meines Zimmers und gelangte später auf gleichem Weg dahin zurück.

Eine Weile zuvor schon hatten Simone und ich uns in zwei wirklich gut aussehende Zwillingsbrüder verknallt, und nun endlich lernten wir sie richtig kennen. Leider war aber der, den ich besser fand, damals schon vergeben, und so konnte er nur heimlich mein Freund sein. Aber auch das nahm ich in Kauf und so trafen wir die Jungs nachts an einer abgelegenen Hütte, um zu fummeln. Ich war eindeutig noch zu jung, um zu kiffen, und zu jung, um Sex zu haben, das spürte ich zwar irgendwie, aber es störte mich nicht; ich wollte beides, denn was war in meinem Leben schon normal? Nichts, aber auch rein gar nichts, und so war auch unser Petting damals nicht mein Ding: Irgendwie fühlte ich mich bei allem total gelangweilt, obwohl es eigentlich immer voll abging. Niemals und zu keiner Zeit wusste ich, was ich wirklich wollte, und so ließ ich mich nur treiben. Ich tat ja nur, was alle anderen um mich herum auch taten, und dachte mir, das sei das Richtige.

Eines Tages ging ich mit Simone ins Freibad und traf mich dort mit einigen aus der Clique. Zuerst redeten wir nur und saßen auf unserem Platz, aber plötzlich war Simone verschwunden. Ich war sauer, weil ich nicht wusste, wohin sie gegangen war oder wohin ich nun gehen sollte. Als sie Stunden später zurückkam, erzählte sie mir, dass sie mit ihrem Schwarm nach Hause gegangen war und dort Sex mit ihm gehabt hatte. Und obwohl sie fast zwei Jahre älter war als ich, stand mein nächstes Ziel damit schon fest: »Was die kann, das kann ich schon lange!«

Meine Mutter war zu der Zeit gerade für ein paar Tage verreist, meine Brüder sahen nur sporadisch nach mir, und ich hatte sturmfreie Bude. Also kamen alle Jungs zu mir, und wir feierten bis zum frühen Morgen. Mein Traumboy Sven, der eigentlich vergebene Zwilling, war natürlich auch da, und irgendwann verzogen wir uns endlich in mein Zimmer. Als es darum ging, ihm im Dunkeln den Gummi überzuziehen, wollte ich das zuerst nicht – ich hatte das ja noch nie getan. Als er aber darauf bestand, zog ich ihn ihm prompt falsch herum über, und er wurde sauer und riss ihn herunter. Nachdem er gegangen war, wusste ich schon, dass ich das so nicht auf mir sitzen lassen konnte. Und weil ja noch einige von den anderen da waren, die in der Küche Schnitzel mit Pommes und Nutella­brote aßen, beschloss ich, dass es Zappa sein sollte. Triumphierend ging ich mit ihm in mein Zimmer; es lief »Every breath you take« von Police, das werde ich nie vergessen. Wir fummelten ein bisschen rum – und plötzlich war er auch schon in mir drin, und ich spürte einen höllischen Schmerz. Er erschrak sehr, als...

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