Das folgende Kapitel beginnt mit einem Überblick über die Erforschung der Mikroalgen und deren Besonderheiten, um dann kurz die wichtigsten Vorteile dieser Organismen gegenüber anderer Energiepflanzen herauszustellen. Im weiteren Verlauf werden die verschiedenen Kultivierungssysteme und Erntemethoden, sowie der aktuelle technische Stand näher thematisiert und die verschiedenen Systeme verglichen.
Weltweit existieren mehr als 100.000 verschiedene Arten von Mikroalgen, näher erforscht sind bis heute nur einige Tausend.[16] Ein fast zwei Jahrzehnte andauerndes Forschungsprojekt (Aquatic Species Program) des Energieministeriums der USA untersuchte im Zeitraum von 1978 bis 1996 mehr als 3.000 verschiedene Mikroalgenarten. Von diesen wurden rund 300 für die zukünftige Erforschung alternativer Energiequellen als relevant erachtet.[17] Warum diese Organismen eine so wichtige Rolle als alternative Energiequellen spielen und warum so intensiv an ihnen geforscht wird, soll nun kurz umrissen werden.
Mikroalgen haben einige entscheidende Vorteile gegenüber Landpflanzen, aufgrund derer sie dem Anbau konventioneller Energiepflanzen vorzuziehen sind. Die wohl herausragendste Eigenschaft ist der Ölertrag je Anbaufläche. Er liegt, wie in Tabelle 2 zu sehen, im Vergleich zu konventionellen Energiepflanzen um ein vielfaches höher. Dies resultiert aus ihrer hohen Wachstumsrate, dem hohen Ölgehalt und der Tatsache, dass sie keinerlei unbrauchbare Biomasse wie Wurzelwerk oder Blätter produzieren.
Wie alle Grünpflanzen betreiben auch Mikroalgen Fotosynthese, für die sie CO2 benötigen. Dies kann bei ihrem Wachstum sowohl aus der Umgebungsluft entzogen, als auch künstlich zugeführt werden. Hier bietet sich die Möglichkeit, in Kraftwerken erzeugtes CO2 als Rohstoff für die Gewinnung von Algenbiomasse zu nutzen und somit die direkten Emissionen des Kraftwerks zu reduzieren. Basierend auf der durchschnittlichen chemischen Zusammensetzung ist eine Tonne Algenbiomasse in der Lage, rund zwei Tonnen CO2 aufzunehmen und gleichzeitig 1,6 Tonnen Sauerstoff freizusetzen.[18] Das Verhältnis des aufgenommenen CO2 in Verbindung mit der schnellen Wachstumsrate stellt mit die größte Stärke der Mikroalgen dar. Tabelle 1 zeigt, wie viel Kilogramm CO2 ein Hektar deutscher Mischwald im Vergleich zu einem Hektar Algenfarm pro Jahr aufnehmen kann.
Tabelle 1: CO2-Aufnahme im Vergleich[19],[20]
Tabelle 2: Erträge verschiedener Energiepflanzen im Vergleich
Ein weiterer Vorteil der Mikroalgen gegenüber Landpflanzen ist die Fähigkeit, nicht nur phototroph[21], sondern auch heterotroph zu wachsen. Die Algen benötigen als Energiequelle nicht zwingend Licht, sondern können auch auf organische Verbindungen wie Glukose, Stärke oder Zucker ausweichen. Somit ist ein kontinuierliches und lichtunabhängiges Wachstum, auch in der Nacht, möglich. Wenn eine variable Nutzung aus Sonnenlicht, CO2 und organischen Nährstoffen vorliegt, spricht man von mixotrophem[22] Wachstum. Besonders diese Kombination aus beiden Wachstumsarten ist für die Forschung interessant, da hier große Synergiepotenziale liegen.
Weitere Vorteile der Mikroalgen werden in Kapitel 4 und 5 im Zusammenhang erklärt.
Dem Umfang dieser Bachelorarbeit entsprechend findet hier eine Eingrenzung auf die drei laut Aquatic Species Programm relevantesten Arten statt. Diese wurden auch in weiteren Studien als wichtig erachtet und reichen aus, um das nötige Grundverständnis zu schaffen und kurz den Stand der Forschung zu beleuchten. Die für diese Arbeit wichtigsten Unterschiede der betrachteten Gattungen liegen in der benötigten Wachstumsumgebung, der optimalen Energiequelle sowie dem Lipidgehalt in der erzeugten Trockenmasse. Der Lipidgehalt gibt bei Mirkoalgen den Öl- bzw. Fettanteil an, den der Organismus während des Wachstums im Inneren der Zellstruktur eingelagert hat.
Chlamydomonas reinhardtii (Abbildung 3a) ist die am besten erforschte eukariontische[23] Süßwasseralge. Bezüglich der Lipid-Produktion ist Chlamydomonas reinhardtii nicht die effizienteste Art, kann aber aufgrund ihrer bekannten Eigenschaften einen Beitrag zum Verständnis der Grundlagen der Lipid-Synthese leisten. Da die Lipid-Produktion, wie auch die Kohlenhydrateinlagerung stark von der optimalen Wachstumsumgebung abhängen, kann hier durch gezielte Forschung ein Beitrag zum Grundlagenwissen geleistet werden. Ihre Besonderheit liegt, neben dem vollständig entschlüsselten/sequenzierten Genom und den transgenen[24] Fähigkeiten darin, dass sie geschlechtlich gekreuzt werden kann.[25] Hierdurch besteht die Möglichkeit, auch ohne Genmanipulation, Merkmale verschiedener Arten zu kreuzen und die Alge für spezielle Wachstumsbedingungen zu optimieren. Dies ist von Vorteil, da sich das Einschleusen fremder Gene aufgrund der dabei auftretenden genetischen Verzerrungen immer noch problematisch gestaltet.[26] Aufgrund vermehrter Forschung und großer Fortschritte im Bereich der Gentechnik wurden jedoch unlängst erste erfolgreiche Implementierungen fremder Gene gemeldet.[27]
Chlorella (Abbildung 3b) ist eine weitere gut erforschte Gattung der Mikroalgen. Sie kann im Vergleich zu Chlamydomonas reinhardtii nicht geschlechtlich gekreuzt werden, weist jedoch andere wichtige Eigenschaften auf, die sie für die Forschung interessant machen. Erstens liefert sie einen Lipidanteil von bis zu 50% in der Trockenmasse, was sie zum Anbau für die Ölproduktion prädestiniert; Zweitens kann Chlorella sowohl in Süß- als auch in Brackwasser[28] kultiviert werden. Bei der Unterart Chlorella protothecoides bewirkt die Zugabe von Glukose heterotrophes Wachstum, was zu einer signifikanten Erhöhung der Wachstumsrate, erhöhter Massenausbeute sowie einem gesteigerten Lipidgehalt von über 50% in der Trockenmasse führt.[29] Ebenfalls findet eine schnellere Regeneration der mixotroph wachsenden Algen von zu intensiver Beleuchtung statt und eine Photoinhibition[30] kann reduziert, bestenfalls sogar gestoppt werden.[31] Die Gensequenz von Chlorella variabilis konnte bereits im Jahr 2007 vollständig entschlüsselt werden, was einen wichtigen Meilensteil in der Erforschung dieser Gattung darstellte.[32]
Dunaliella salina (Abbildung 3c) ist aufgrund mehrerer Eigenschaften besonders geeignet für eine groß angelegte Produktion. Diese Mikroalgenart produziert einen hohen Lipidanteil[33] und hat eine hohe Salztoleranz, bis nahe der Sättigungsgrenze des Wassers[34]. Durch diese hohe Toleranz kann sie unter extremen Bedingungen kultiviert werden, wodurch sich das Wachstum anderer kontaminierender Organismen reduzieren lässt. Kieselalgen wie Dunaliella salina waren ein wichtiger Teil des oben erwähnten Aquatic Species Programm und sind für rund 20% des weltweit gebundenen CO2 verantwortlich.[35] Dunaliella salina ist sehr robust gegenüber äußeren Einflüssen und weist gute Wachstumsraten in der Produktion von Biomasse auf. Ein besonderes Merkmal dieser Algenart sind ihre Zellwände aus Kieselsäure und ihr Bedarf an Monokieselsäure (Si(OH)4) zu deren Aufbau. Wird die Verfügbarkeit an Si(OH)4 reduziert, werden anstatt dem Aufbau der Zellwände vermehrt Lipide produziert. Dieser Zusammenhang ist vorteilhaft für die Untersuchung des chemischen Stoffwechsels in der Alge und macht sie relevant für weitere Forschungen und Versuche. Momentan sind die Genom-Sequenzen zweier Kieselalgenarten komplett sequenziert und drei weitere, darunter auch Dunaliella salina, stehen kurz vor der Fertigstellung.[36]
Abbildung 3: Mikroskopaufnahmen vorgestellter Mikroalgen
a. Chlamydomonas reinhardtii[37]
b. Chlorella Vulgaris[38]
c. Dunaliella salina[39]
Bereits seit den 1950er Jahren wird an der Kultivierung von Mikroalgen und zugehöriger Systeme geforscht. Damals noch mit der Intention, eine alternative Proteinquelle zur Versorgung der wachsenden Weltbevölkerung zu finden. Seit der Ölkrise in den 1970er Jahren begann die Erforschung der Algen im Bezug auf die Bereitstellung erneuerbarer Energie.
Um das Wachstum von Algen zu gewährleisten, müssen ein paar relativ einfache Bedingungen erfüllt sein: eine Energiequelle, eine Kohlenstoff-Quelle, Wasser und Nährstoffe sowie die angemessene Temperatur. Diese Bedingungen lassen sich in vielen über die Jahre geschaffenen Systemen realisieren. Die Herausforderung, die bis...