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E-Book

Oberst von Steuben

Vollständige Ausgabe

AutorAlbert Emil Brachvogel
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl485 Seiten
ISBN9783849623210
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Friedrich Wilhelm von Steuben, auch bekannt als Baron Steuben war ein preußischer Offizier und US-amerikanischer General. Er reorganisierte die Kontinentalarmee im US-amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Diese romanhafte Biographie beleuchtet das Leben des großen Militärführers.

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Leseprobe

Gefangene Rußlands


 


Eine Reise im offenen Schlitten, bei etwa zwölf und mehr Grad Kälte von der Rega bis zur Newa zurückgelegt, gehört gewiß nicht zu den Annehmlichkeiten. Wird sie aber in Begleitung von Kosaken und mit der gewissen Aussicht unternommen, von Petersburg alsbald in die sibirischen Einöden weitertransportiert zu werden, so möchten selbst die stärksten Nerven und trotzigsten Mannesherzen einer solchen Aussicht erliegen. Der Beginn von Knoblochs und seiner Gefährten Reise erfolgte mithin unter allgemeiner, trostlosester Niedergeschlagenheit! Sie erklärten sich sämtlich für langsam Sterbende, deren Todespein noch erschwert werde durch die nur zu gewisse Brutalität einer ebenso verhaßten wie grausamen Siegerin.

 

Was die Härte der Reise aber von vornherein milderte, war Iwan Grischows, des Hetmans, Benehmen, und daß General Knobloch ihn geschickt zugunsten aller Leidensgefährten ausbeutete. Grischow war nicht bloß von sehr viel besserem, wenn auch ebenso rohem Gemüte wie Romanzow, er war auch einer jener listigen Naturen, die, gegen ihre Gebieter kriechend und gehorsam, dennoch auf eigene Hand Politik treiben, den veränderten Umständen sofort sich zu bequemen wissen und innerhalb ihrer Pflichterfüllung so ungehorsam zu sein verstehen, daß sie einen Befehl in einer Weise ausführen, der gerade die entgegengesetzte Wirkung hat als die, welche derselbe beabsichtigte. General von Knobloch wie Steuben hatten sein Herz durch das vortreffliche Russisch völlig erobert, in dem sie ihn anredeten und mit ihm verkehrten. Der General war ferner reich und hatte sich für den Marsch nach Pommern mit bedeutenden Geldmitteln, namentlich offenen Wechselbriefen, versehen, und so herb es für ihn war, in seinem Alter von Weib und Kind mutmaßlich für immer zu scheiden, war es ihm doch eine große Beruhigung, seine Familie in guten Glücksumstände zu wissen, was in damaligen Zeitläuften beim preußischen Militäradel als ein sehr seltener Fall galt. Die Freundlichkeit des Hetmans, mit der er den General wie dessen Genossen behandelte und ihnen jede mögliche Erleichterung und Bequemlichkeit gewahrte, vergalt Knobloch mit klingenden Belohnungen. Ein oder zwei Kosaken waren stets bereit, seine Wünsche betreffs erwärmender Getränke, Speisen, Nachtlager und dergleichen zu erfüllen, so daß die kleine Karawane stets einen Proviantschlitten von Genüssen mit sich führte, welche ihnen ihr Los doch etwas weniger grau erscheinen ließ. Da die preußischen Offiziere klug genug waren, von ihren Vorräten einen Teil den Kosaken selbst abzutreten, um diese bei gutem Humor zu erhalten, so wurde für die rohen Kinder der Steppe diese Eskorte zum reinen Vergnügen, und sie sprachen laut aus, daß sie ihre gutes, armen Väterchen gerne so bis nach Sibirien und in alle Ewigkeit begleiten möchten.

 

Natürlich war dieser fromme Wunsch nicht gerade nach dem Geschmack aller Beteiligten. Jedenfalls hatten die freundlichen Beziehungen, welche Knobloch und die Seinen mittels Tabak, Wodka und etlichen Pfunden Speck zwischen sich und ihren Wächtern hergestellt hatten, eine treuherzige Intimität der Kosaken zur Folge, welche erst ihre höheren Zinsen in dem Augenblick trug, als sie russischen Boden betraten.

 

Dies Ereignis fand am 1. Januar deutschen Stils statt und war überaus merkwürdig. Eine Meile vor der Grenze ritt der Hetman dicht an des Generals Schlitten.

 

»Väterchen,« sagte er zu ihm, »bald wird es besser mit uns. Wir haben etwa nur sechs Werst bis zum Grenzpfahl, jenseits aber sind wir die Herren und können euch mehr Liebe beweisen als bisher. Vergiß nicht,« er blinzelte listig, »ihr seid geheiligte Leute, denn ihr seid der Kaiserlichen Majestät Gefangene! Freilich kann sie euch nach Sibirien in die Bleigruben schicken, euch auch totprügeln lassen oder als Gemeine in irgendein Regiment in Moskau, Twer oder Tobolsk stecken, aber nur Sie allein kann es. Jeder Russe verliert Hand oder Hals, der euch oder was euer ist, anpackt! Seid deshalb stolz, grob, ruhig; fürchtet euch nicht. Du, Väterchen General, aber sprich ja kein Russisch mit den Beamten oder den anderen, wenn ich es dir nicht rate, denn die große Zarin hat Aufpasser überall, und dem armes Iwan möchte es schlecht bekommen, wenn sie erführe, er sei euer Freund!«

 

»Verlaß dich darauf, Freund Hetman, daß ich schweige. Was sollte uns auch geschehen, wenn du uns bewachst?«

 

»Gut denn, Väterchen. Ich werde jetzt zwei Leute vorausschicken, die uns anmelden.«

 

Er instruierte die beiden Verläßlichsten seiner Truppe, und die Kosaken ritten ab. Etwa eine Stunde später tauchten die grüngestreiften Pfähle mit den kaiserlichen Adlern und die Gebäude der Grenzstation am flachen Horizont auf. Bald hielten sie vor denselben. Russische Infanterie mit geladenem Gewehr, Offiziere und Beamte empfingen sie. Hetman Grischow saß ab, erstattete, so schien es, einem feisten Major Bericht und übergab ihm die Liste der Gefangenen.

 

Gedankenvoll hatte dieser Mann Iwans Bericht angehört und den Kopf nachdenklich geschüttelt. Gedankenvoll hatte er die Liste durchgelesen, und noch viel gedankenvoller, noch viel sonderbarer den Kopf geschüttelt, als ihm der Hetman Romanzows Brief an die Kaiserin vorzeigte. Es schien, daß er etwas mißbilligte oder bedauerte, ob nun den Brief, ob das Eintreffen der Gesellschaft, war unklar. Darauf gab er dem Hetman einen Wink und verschwand, die Liste in der Hand, mit ihm im Innern des kaiserlichen Amtshauses. – Während beide längere Zeit daselbst beschäftigt schienen, war es verzeihlich, daß sich die Aufmerksamkeit der Ankömmlinge der Umgebung zuwendete, Leuten, deren Sitten, Tracht und Art dem Lande angehörten, das ihnen fortan eine unfreiwillige und wahrscheinlich sehr harte Heimat werden sollte. – Das Militär stand steif und regungslos wie Mauern, lebhafte Neugier aber spiegelte sich sowohl auf den Gesichtern der Beamten wie in den Mienen der russischen Bauern des nahen Dorfes, die vielleicht das erstemal in ihrem Leben preußische Offiziere sahen. Noch hatten letztere ihre Studien und die melancholischen oder sarkastischen Bemerkungen, welche diese Umgebung ihnen aufnötigte, nicht beendet, als der russische Major mit dem Hetman und verschiedenen Beamten wie männlichen und weiblichen Dienstboten heraustrat.

 

Den Gefangenen ward eine unerklärliche Überraschung zuteil. Erstlich zeigte das breite, stutznasige Gesicht des Hetmans Iwan Grischow namenlose Bestürzung, und er nahm gegen die Gefangenen eine so blöde und ängstliche Unterwürfigkeit an, wie man sie bei ihm bisher nicht bemerkt hatte. Der Major aber, die Mütze ziehend, trat tiefgebückt zu dem Schlitten des Generals und richtete in gebrochenem Deutsch an ihn folgende Anrede:

 

»Exzellenz, mögen Sie die Gnade haben, zu gestatten, daß Ihr Diener, Major Labadin, Sie und Ihre Herren Begleiter ehrfurchtsvoll in Rußland willkommen heißt. Er hofft, Sie mögen gesund in Petersburg eintreffen und hochgeehrt vor die geheiligte Kaiserliche Majestät treten. Damit dies geschehe, bitte ich mir dir Ehre aus, Pelze und Decken wie Erfrischungen anzubieten, und Sie wollen gestatten, daß Ihr Diener für Ihr Wohlbefinden und glückliche Ankunft sorgt. Der Herr General und seine Offiziere sollen in der Residenz wenigstens sagen können, daß nichts von mir versäumt worden ist, was Devotion gegen Sie und Bewunderung gegen Se. Königl. Majestät von Preußen irgend nur erwarten kann!« Damit winkte er, und Beamte und Dienerschaft beeilten sich in übereifriger Höflichkeit, die Gefangenen mit Pelzdecken, Wildschuren und Fußsäcken zu versehen. Dann offerierte man ihnen ein ziemlich großes Fäßchen Rum, einen Samowar mit Teebechern, etliche Pfunde Tee und Zucker und eine ziemliche Quantität russischer Pfeifen und Tabak. Eine kleine dicke Dame, die Majorin augenscheinlich, ließ es sich nicht nehmen, ihnen noch Wein, Schinken und andere kalte Speisen aufzunötigen.

 

General von Knobloch war in großer Verlegenheit, wie er dies aufnehmen und inwiefern er sich erkenntlich zeigen sollte. Von Bezahlung oder Dank wollte aber Major Labadin nichts wissen. Er wendete sich kurz um, zog den Degen und ließ die Soldaten vor den Gefangenen präsentieren, der Hetman aber, um jede Erörterung abzuschneiden, kommandierte »marsch«, und die Schlitten flogen wieder davon, durchs Dorf hin ins weite, russische Reich hinein.

 

Die Gefangenen konnten sich von ihrem Erstaunen über die Zuvorkommenheit der Rußen und Iwans nunmehriges Gebaren gar nicht erholen. Es mußte etwas vorgegangen sein, was eine günstigere Wendung ihres Geschicks zur Folge hatte, sonst, dessen hielten sie sich überzeugt, wäre die Veränderung im Gehaben ihrer Wächter unmöglich gewesen. Knobloch rief, nachdem er mit Steuben und Koch den sonderbaren Fall vergebens erörtert hatte, den Hetman zu sich heran.

 

»Sage nur, Iwan, was dieser Willkommen, diese Geschenke des Majors Labadin bedeuten? Werden denn Gefangene immer so bei euch auf der Grenze behandelt?«

 

»Nein, großer, sehr...

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