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Ökologische Aufklärung

25 Jahre 'Ökologische Kommunikation'

AutorChristian Büscher, Klaus Peter Japp
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl303 Seiten
ISBN9783531924250
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis42,25 EUR
Der vorliegende Sammelband ist der Beobachtung geschuldet, dass in den ak- ellen öffentlichen Debatten über Problemlösungen hinsichtlich einer 'ökolo- schen Krise' soziologische Argumente keinerlei Rolle spielen. Die Rettung der Welt wird sozusagen ohne Vorstellungen von 'Gesellschaft' betrieben. All- falls hinsichtlich der Verursachung der Krise wird die Verselbständigung eines wissenschaftlich-technisch-kapitalistischen Komplexes angenommen, der die dringend gebotene Verhinderung weiterer Schäden durch menschliche Eingriffe in die Natur systematisch unterminiert. Ansonsten finden sich zumeist Appelle an die Einsicht in eine Art notwendiger ökologischer Demut, gerichtet an Per- nen, sowohl in ihren jeweiligen Lebensstilen als auch in ihrer Eigenschaft als Träger gesellschaftlicher Rollen (Politiker, Manager, Wissenschaftler etc. ), oder Appelle an die Verantwortung von Unternehmen, die sozialen und ökologischen Folgen ihres Tuns zu berücksichtigen und sich politisch, ökologisch sowie sozial 'korrekt' zu verhalten. Vor 25 Jahren hat Niklas Luhmann die Studie 'Ökologische Kommunikati- 1 on' vorgelegt. Es war der systematische Versuch, die Möglichkeiten der mod- nen Gesellschaft, sich auf eine ökologische Gefährdung einzustellen, mit Hilfe einer 'Theorie der Gesellschaft' durchzuspielen. Aus der Prämisse, dass die Gesellschaft einem Primat funktionaler Differenzierung unterliegt, folgt seine Beobachtung: Funktionssysteme können nur auf der Ebene ihrer Programme unter Einbeziehung ihres je spezifischen Codes Resonanz auf ökologische P- bleme erzeugen. Damit ist ein anderes Niveau der Erwartungsgeneralisierung anvisiert, als es allgemein üblich ist.

Dr. Christian Büscher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Dr. Klaus Peter Japp ist Professor an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld.



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Leseprobe
Die Ökologie der Individuen. Erwartungen an individuelles Umwelthandeln (S. 231-32)

Armin Grunwald

1 Fragestellung

Die seit den 1970er Jahren dauernde Umweltkrise kommt scheinbar nicht an ein Ende. Zwar wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder eine Abnahme ihrer Relevanz diagnostiziert, zumindest in der öffentlichen und politischen Wahrnehmung. Diese sei spätestens seit Beginn des Jahrtausends durch andere Handlungsfelder wie Terrorbekämpfung, Massenarbeitslosigkeit oder Wirtschaftskrise so in Anspruch genommen, dass für sie nur wenig von der knappen Ressource ‚Aufmerksamkeit‘ verbleibe.

Dennoch ist die Umweltkrise prominent in die öffentliche Diskussion zurückgelangt, in den letzten Jahren vor allem im Kontext des Klimawandels. Damit kehren jedes Mal auch bestimmte Kommunikationsmuster und Metaphern wieder, wie etwa die auf 5 vor 12 stehende Uhr, die zum raschen Handeln in der Klimafrage anhalten soll, die Rede von dem einen Boot, in dem wir alle sitzen, die Warnung vor nationalen Alleingängen, die Beteuerung, dass umweltpolitisches Handeln der Wirtschaft nicht schade, sondern nütze, die Rede von der Weltrettung – und eben auch die Moralisierung des umweltrelevanten Handelns der Individuen, verbunden mit der Aufforderung, dieses in ökologischer Absicht zu ändern (so jüngst Leggewie/Welzer 2009). Wenn auch Sloterdijk (2009) überwiegend anderes im Auge hat als die Umweltkrise, kann doch der Titel seines aktuellen Buches für die Appelle an die Individuen als paradigmatisch auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Thematik der Ökologie genommen werden: „Du musst Dein Leben ändern“.

Niklas Luhmann (1986) hat in der „Ökologischen Kommunikation“ das Moralisieren über Umweltprobleme und das Appellieren an die Wahrnehmung individueller Verantwortung als ungeeignetes Mittel zur Bewältigung der Umweltkrise bezeichnet. Aus der Theorie der Gesellschaft, wie Luhmann sie vor Augen hat, folgt dies unmittelbar. So wird doch darin eine moralische Koordination vor dem Hintergrund einer funktionalen Differenzierung für unwahrscheinlich erachtet: „Die moralische Kommunikation tritt noch unter dem Anspruch auf, für die Gesellschaft zu sprechen; aber in einer polykontexturalen Welt kann dies nicht mehr einstimmig geschehen“ (Luhmann 1997: 248).

Luhmann argumentiert weiter, dass keine allgemein akzeptierten Programme existierten, die eine soziale Koordination moralischer Perspektiven leisten könnten. Die Unterscheidung gut/schlecht allein könne dies nicht leisten, da sich in jeder Situation Bewertungen im Sinne von gut oder schlecht vornehmen ließen. Dieser frühen Warnung vor Moralisierung und bloßen Appellen an individuelles Umwelthandeln haben sich in der Zwischenzeit viele angeschlossen, teils auch ohne den Luhmannschen Theoriehintergrund zu übernehmen.

Freilich gibt es Überschneidungen in der Diagnose: Angesichts komplexer Wirkungszusammenhänge und systemischer Verknüpfungen in der ausdifferenzierten modernen Gesellschaft stoße individuelles Handeln an sozusagen objektive Grenzen, eröffne nur sehr begrenzte Lösungsmöglichkeiten für Umweltprobleme und könne sogar kontraproduktiv sein. Auch in der besten Absicht unternommene Handlungen könnten Folgen haben, die dieser Absicht gerade zuwiderlaufen. Heute gilt, in abgewandelter Nutzung eines fast zum Sprichwort gewordenen Luhmann-Satzes: Dieses alles kann man wissen.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt5
Vorwort7
Wirtschaft10
Recht11
Wissenschaft12
Politik13
Erziehung13
Individuelles Umwelthandeln14
Beratung der Gesellschaft14
Authentizität ökologischer Kommunikation15
Danksagung15
Ökologische Themen(Teil 1)17
Formen ökologischer Aufklärung18
1 Ökologische Krise und Selbstgefährdung18
2 Aufklärung über ökologische Tatbestände21
3 Ökologische Vernunft23
4 Ökologische Programme28
Wissenschaftliche Programme29
Ökonomische Programme30
5 Ökologische Kommunikation34
Resonanz39
6 Diskussion41
Literatur45
Hochtechnologien und die ökologischeSelbstgefährdung der Gesellschaft49
1 Einleitung: Technik als ökologisches Problem49
2 Die Abhängigkeit der Gesellschaft von Technik: Der Fall Hochtechnologie52
3 Das Fallbeispiel: Ökologische Selbstgefährdung durch funktionierendeTechnik – FCKW und ozone depletion55
3.1 Wissenschaft und Ozon56
3.2 Politik des Ozon59
4 Schluss: Ökologische Gefährdung als gesellschaftlicheSelbstgefährdung?61
Literatur63
Die Realität einer Katastrophe.Gesellschaftliche Diskurse zum Klimawandel166
1 Einleitung66
2 Ökologisches Nicht-Wissen und gesellschaftliche Steuerungsprobleme69
3 Der Diskurs hinter dem Diskurs72
4 Der Klimadiskurs als gesellschaftlicher Lernprozess75
4.1 Phänomen globaler Klimawandel: ein vorläufiger Sachstand77
4.2 Wissenschaftliche Autorität81
4.3 Die Modellierung des Sozialen83
4.4 Schnittstelle Klimaforschung – Klimapolitik85
5 Fazit87
Literatur89
Resonanz gesellschaftlicher Funktionssysteme(Teil 2)93
Ökologische Resonanzen in der Wirtschaft.Moralisierung der Märkte?194
1 Einführung94
2 Ökologische Resonanzen in der Wirtschaft96
3 Resonanzfähigkeit der Wirtschaft in der Theorie der ökologischenModernisierung102
4 Ökologische Resonanzfähigkeit der Wirtschaft in der Forschung zumökologischen Konsum107
5 Ökologische Resonanzfähigkeit der Wirtschaft in denorganisationstheoretischen Arbeiten zum „corporate greening“113
6 Ökologische Kommunikationen in der Wirtschaft – Moralisierung derMärkte?119
Literatur122
Kommunikation über Risiken im Rechtssystem.Das Beispiel Nanotechnologie126
1 Einleitung: Die Herausforderung der Nanotechnologie126
2 Gefahr und Risiko als Brückenbegriffe zwischen Recht und Wissen128
2.1 Gefahr und Erfahrungswissen128
2.2 Veränderung der Wissensgenerierung durch Prozeduralisierung129
3 Kognitive und normative Rationalität131
3.1 Verschleifung von Normalität und Normativität131
3.2 Die Dezentrierung des Subjekts des Wissens132
4 Die neue Rolle der „Standards“135
4.1 Selbstreflexion der Wissensgenerierung135
4.2 „Transwissenschaftliche“ Metaregeln der Kommunikation zwischen Rechtund Wissen136
4.3 Nach der „Gefahr“ die Paradoxie der „Vorsorge“137
5 Nanotechnologie und die Veränderung des Verhältnisses vonWissenschaft und Technologie139
5.1 Die Veränderung des Wissenssystems durch die Nanotechnologie139
5.2 Die Verschleifung von Wissenschaft und Technologie140
6 Veränderung des Kausalitätsmodells142
6.1 Riskante Nebeneffekte142
6.2 Zur Notwendigkeit eines „Wissensmanagements zweiter Ordnung“143
7 Ausblick: Recht und Management von Regeln144
Literatur145
Resonanz der Wissenschaft der Gesellschaft1151
1 Resonanz als analytisches Konzept?151
2 Die Resonanzfähigkeit der Wissenschaft154
2.1 Recht und Politik154
2.2 Politik und Wirtschaft155
2.3 Medien und Öffentlichkeit158
3 Resonanz als analytisches Konzept!164
Literatur165
Klimawandel der Umweltpolitik?Oder: Energiekonzepte als Identitätskrücke167
1 Einleitung167
2 Die Komplexität des Themas Klimawandel169
2.1 Zeitliche Aspekte pro-aktiver Klimapolitik170
2.2 Sachliche Aspekte pro-aktiver Klimapolitik172
2.3 Soziale Aspekte pro-aktiver Klimapolitik175
5.1 Klimawandel als „super wicked problem“178
3 Eine erfolgreiche Themenkarriere179
4 Inkonsistente Entscheidungen und ineffiziente Maßnahmen183
5 Klimapolitik als Identitätsmanagement189
Literatur193
Umweltkommunikation und Erziehung197
1 Einleitung197
2 Drei Exempla zur Umweltkommunikation im System Erziehung199
2.1 Umweltkommunikation und Reformpädagogik200
2.2 Umweltkommunikation und Umweltschutz-Bewegung in den 1970er Jahren2205
2.3 Umweltkommunikation und nachhaltige Entwicklung209
3 Umweltkommunikation als Bildungsprozess213
4 Ausblick215
Literatur218
Gesamtgesellschaftliche Resonanz(Teil 3)223
Die Ökologie der Individuen.Erwartungen an individuelles Umwelthandeln224
1 Fragestellung224
2 Ökologische Kommunikation227
2.1 Prämissen des Appells an individuelles Umwelthandeln227
2.2 Massenmedien, Lebenswelt und Öffentlichkeit229
2.3 Wissenschaftliche Aufklärung232
2.4 Zwischenfazit und weitere Fragen235
3 Strukturelle Überforderung der Individuen236
3.1 Wissensproblem237
3.2 Bewertungsproblem240
3.3 Mobilisierungsproblem240
3.4 Vermischung von Staatsbürger- und Konsumentenrolle241
3.5 Resümee: Individuen als Hamster im Laufrad?243
4 Die Ökologie der Individuen: Umwelthandeln in sozialen Systemen244
Literatur248
Ökologische Politikberatung alsGesellschaftsberatung?251
1 Resonanzprobleme im Verhältnis von Wissenschaft und Politik251
2 Gesellschaftsberatung statt Politikberatung?254
3 Gesellschaftliche Interessen und private Entscheidungen – ZwischenUmweltpolitikberatung und Umweltberatung258
4 Politische Öffentlichkeit und Massenmedien – Das Beispiel der Klimapolitik261
5 Partizipative Politikberatung264
6 Fazit268
Literatur269
Risiko und Gefahr.Zum Problem authentischer Kommunikation273
1 Vorbemerkung273
2 Authentizität274
3 Zeitbindung durch Risiken276
4 Politische Kommunikation280
5 Katastrophenkommunikation285
6 Verantwortungsübernahme durch Unternehmen289
7 Rationalität293
Literatur298
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren301
Dietmar BOLSCHO301
Christian BÜSCHER301
Achim DASCHKEIT301
Wolf R. DOMBROWSKY301
Anita ENGELS302
Armin GRUNWALD302
Jost HALFMANN302
Klaus Peter JAPP302
Isabel KUSCHE302
Karl-Heinz LADEUR302
Peter WEINGART303
Helmut WIESENTHAL303

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