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E-Book

Ökonomische Aspekte der Entwicklung neuer Arzneimittel unter besonderer Berücksichtigung kleiner Nutzergruppen

AutorUta Schütte
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl60 Seiten
ISBN9783958205130
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Für Arzneimittelhersteller lohnt sich die Forschung nach Arzneimitteln für kleine Nutzergruppen - betrachtet werden in dieser Arbeit Kinder und Orphan Diseases - ökonomisch häufig nicht, da die Ausgaben höher sind als für 'normale' Medikamente und die zu erwartenden Einnahmen deutlich geringer. Um den fehlenden wirtschaftlichen Anreizen und deren Auswirkungen entgegenzuwirken, wurden für beide Gruppen EG-Verordnungen verabschiedet. In diesem Rahmen ist es für Pharmaunternehmen grundsätzlich Pflicht für neue Medikamente auch Kinderstudien durchzuführen. Für Orphan Diseases enthält die entsprechende EG-Verordnung Kriterien und wirtschaftliche Anreize für die Entwicklung von 'Orphan Drugs'. Die Verordnungen haben ihre Wirkung gezeigt und Fortschritte für die kleinen Nutzergruppen erreicht und kleine Nutzergruppen am Arzneimittelmarkt sind stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt.

Uta C. D. Schütte studierte von 2007 bis 2010 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Volkswirtschaftslehre. Dort entdeckte sie Gesundheitsökonomie und absolvierte daraufhin ein Masterstudium im Bereich Gesundheitsökonomie an der Universität Bay

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3, Kleine Nutzergruppen: Normalerweise reguliert sich ein Markt selber über Angebot und Nachfrage. Charakteristisch für kleine Nutzergruppen am Arzneimittelmarkt ist das Versagen dieses Mechanismus, da einerseits die Nachfrage nach neuen Substanzen wesentlich höher als das Angebot ist, aber andererseits die Nachfrage quantitativ zu gering für neue Entwicklungen ist. Zu seltenen Nutzergruppen zählen Kinder und Jugendliche (im Folgenden als Kinder bezeichnet), Menschen mit seltenen Leiden, so genannten 'Orphan Diseases', und Menschen die zwar an häufig auftretenden Krankheiten leiden, aber in wirtschaftlich schwachen Regionen leben ('Neglected Diseases'). Alle haben die Gemeinsamkeit, dass es sich für Arzneimittelhersteller wirtschaftlich nicht lohnt, Medikamente für sie zu entwickeln (Hagn, Schöffski 2008). Allerdings gehört zu den Grundsätzen der WHO, dass Menschen unabhängig von ihrer Rasse, Religion, politischen Einstellung oder wirtschaftlichen und sozialen Lage dieselben Möglichkeiten haben sollen, medizinische Behandlung auf höchstem Niveau in Anspruch zu nehmen. Um das zu gewährleisten und dem Marktversagen entgegen zu wirken, gab es in den letzten Jahren viele politische Veränderungen, welche die Problematik kleiner Nutzergruppen stärker in den Vordergrund gerückt haben (Eurordis 2009). Oft müssen Patienten, die kleinen Nutzergruppen angehören 'off-label' oder 'unlicenced' behandelt werden. Off-label bedeutet, dass Arzneimittel verwendet werden, die nur für andere Krankheiten oder in anderen Dosierungsverhältnissen zugelassen sind. Dadurch ergeben sich Risiken und Unsicherheiten in der Anwendung und Kostenerstattung. Unlicenced werden Patienten behandelt, wenn Medikamente neu zubereitet werden, die dann keine Zulassung haben. Dies ist nur erlaubt, wenn es keine Alternativen gibt, der Arzt die Verantwortung übernimmt und die Patienten ihre Zustimmung geben (VFA 2004). Im Folgenden soll die Entwicklung der kleinen Nutzergruppen 'Orphan Diseases' und 'Kinder' näher betrachtet werden. 3.1, Orphan Diseases: 3.1.1, Allgemeine Problematik: Von weltweit ca. 30.000 bekannten Krankheiten zählen mehr als 5.000 zu Orphan Diseases. In der EU leiden 25-30 Mio. Menschen an seltenen Krankheiten (Schieppati et al. 2008). Die Entwicklung von 'Orphan Drugs' (Arzneimittel für seltene Leiden)bietet Pharmaunternehmen keine wirtschaftlichen Anreize, weshalb sich große Probleme bei der Diagnose, Behandlung und Vorsorge von Orphan Diseases ergeben. Aufgrund mangelhafter wissenschaftlicher Kompetenz ist der Zugang zu Therapien sehr schwierig. Oft sind Ärzte unzureichend ausgebildet, um seltene Krankheiten zu erkennen und durch fehlende Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene gibt es nur wenige Daten zu Orphan Diseases (ebd.). Um diesen Problemen entgegen zu treten und die medizinische Versorgung nach einer korrekten Diagnose zu verbessern, hat die Politik in den letzten Jahren reagiert und entsprechende Maßnahmen umgesetzt. 3.1.2, Politisch - rechtlicher Hintergrund: Die EU und die USA gehören zu den führenden Pharmaindustrien weltweit. Bereits 1983 wurde in den USA ein Gesetz zur Förderung der Erforschung seltener Krankheiten erlassen (Orphan Drug Act - ODA). Erst 2000 reagierte auch die EU auf die Problematik von Orphan Diseases (Hagn, Schöffski 2008). Im Folgenden sollen insbesondere die politisch-rechtlichen Maßnahmen der EU und vergleichend die der USA betrachtet werden. Seit 2000 ist die 'Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden' in Kraft. Sie definiert seltene Leiden (Artikel 3), das Verfahren zur Antragstellung (Artikel 4, 5) und Anreize (Artikel 6-9) zur Entwicklung von Orphan Drugs. Demzufolge kann ein Medikament als Orphan Drug ausgewiesen werden, wenn es 'für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung eines Leidens bestimmt ist, das lebensbedrohend ist oder eine chronische Invalidität nach sich zieht und von dem Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinschaft nicht mehr als fünf von zehntausend Personen betroffen sind' oder wenn nachgewiesen werden kann, dass 'das Arzneimittel für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung eines lebensbedrohenden Leidens, eines zu schwerer Invalidität führenden oder eines schweren und chronischen Leidens in der Gemeinschaft bestimmt ist und dass das Inverkehrbringen des Arzneimittels in der Gemeinschaft ohne Anreize vermutlich nicht genügend Gewinn bringen würde, um die notwendigen Investitionen zu rechtfertigen.' Ein weiteres Kriterium ist, dass 'in der Gemeinschaft noch keine zufrieden stellende Methode für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung des betreffenden Leidens zugelassen wurde oder dass das betreffende Arzneimittel - sofern eine solche Methode besteht - für diejenigen, die von diesem Leiden betroffen sind, von erheblichem Nutzen sein wird.' (Vgl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft (EG) 2000, 18/1) Wenn diese Kriterien erfüllt sind, kann ein Antrag bei der EMEA gestellt werden. Dieser wird vom Ausschuss für Orphan Medicinal Products (Committee for Orphan Medicinal Products - COMP) der EMEA geprüft und gegebenenfalls wird das Medikament als Orphan Drug ausgewiesen. Der COMP setzt sich aus Vertretern der Mitgliedsstaaten der EU und Vertretern von Patientenorganisationen zusammen. Den Vorgang der Ausweisung nennt man Designation (Hagn, Schöffski 2008). Der Antrag für die Designation als Orphan Drug kann jederzeit und nur von Mitgliedern des Europäischen Wirtschaftsraumes gestellt werden (Heemstra et al. 2008). Innerhalb von 90 Tagen muss der COMP der Europäischen Kommission ein Gutachten zu einem Antrag vorlegen. Die Kommission hat danach 30 Tage Zeit, um über den Antrag zu entscheiden. Anträge auf Designation als Orphan Drug werden bevorzugt bearbeitet (VFA 2010a). Damit die Entwicklung von Arzneimitteln für seltene Leiden lukrativ für Pharmaunternehmen wird, gibt es verschiedene Anreize. Nach Artikel 6 der EG-Verordnung werden Investoren in besonderem Maße bei der Entwicklung von Orphan Drugs unterstützt. Der COMP hat dabei eine Beratungsfunktion und hilft den Unternehmen bei der Erstellung eines Prüfplanes. Dadurch wird sichergestellt, dass die Anträge den europäischen regulatorischen Anforderungen genügen und die Aussicht auf eine Marktzulassung wird erhöht (EMEA 2010a). Ein weiterer Anreiz besteht darin, dass eine zentrale Zulassung für die gesamte EU erteilt wird. Außerdem können die anfallenden Gebühren für einen Zulassungsantrag ganz bzw. teilweise erlassen werden. Finanziert wird diese Maßnahme von der Europäischen Kommission (Amtsblatt der EG 2000). Dadurch wurden im Zeitraum von 2000 bis 2007 Förderungen in Höhe von 30,2 Mio. Euro gewährt (Hagn, Schöffski 2008). Die wohl größte Anregung zur Forschung im Bereich der Orphan Diseases ist die zehnjährige Marktexklusivität (Artikel 8), die bedeutet, dass 'die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten während der nächsten zehn Jahre weder einen anderen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines ähnlichen Arzneimittels für dasselbe therapeutische Anwendungsgebiet annehmen noch eine entsprechende Genehmigung erteilen noch einen Antrag auf Erweiterung einer bestehenden Genehmigung stattgeben.' (Vgl. Amtsblatt der EG 2000, 18/4) In Artikel 9 der Verordnung sind weitere Anreize beschrieben, auf die im nächsten Kapitel kurz eingegangen werden soll. Es gibt einige Ausnahmen, die das Marktexklusivitätsrecht entkräften. Es können Genehmigungen für ähnliche Arzneimittel erteilt werden, wenn der Erstanbieter seine Zustimmung gibt, wenn er das Arzneimittel nicht in ausreichender Menge liefern kann oder wenn das zweite Arzneimittel dem ersten klinisch überlegen ist, d.h. dass es beispielsweise sicherer oder wirksamer ist (Hagn, Schöffski 2008). Es kann auch passieren, dass einem Medikament der 'Orphan-Status' entzogen wird. Nach Artikel 8 (2) der Europäischen Verordnung kann ein Medikament nach 6 Jahren neu bewertet werden. Dazu müssen Mitgliedstaaten dem COMP mitteilen, dass ein Kriterium, das entscheidend für die Gewährung der Designation war, nicht mehr gilt (Amtsblatt der EG 2000). Unter bestimmten Vorraussetzungen ist auch eine vorzeitige Verfügbarkeit eines Medikamentes möglich, obwohl es noch nicht für den Markt zugelassen wurde. Wenn Unternehmen belegen können, dass ihr Medikament wirksam und verträglich ist und sie kurz vor einer Marktzulassung stehen, können vorläufige Genehmigungen beantragt werden. Es können auch durch Ärzte fallspezifische, vorläufige Genehmigungen beantragt werden, die dann nur für einen Patienten und einen bestimmten Zeitraum gelten (Orphanet 2010a). In den USA gibt es mit dem ODA seit 1983 gesetzliche Regelungen zur Förderung der F&E von Arzneimitteln für seltene Leiden. Eine Krankheit wird demnach als selten eingestuft, wenn diese eine Prävalenz von weniger als 7,5/10.000 Patienten aufweist. Um den Orphan-Status für ein Medikament zu erlangen, muss ein Antrag beim Office of Orphan Products Development (OOPD) der Food and Drug Administration (FDA, amerikanische Behörde für Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit) eingereicht werden. Bei erfolgreicher Prüfung des Antrages wird die Designation erteilt. Unabhängig von der Patientenzahl kann auch eine Designation für ein Orphan Drug erteilt werden, wenn die Ausgaben nachweisbar die zu erwartenden Einnahmen übersteigen (VFA 2010a). Bezüglich der Anreize gibt es einige Unterschiede zur EU, die sich aber eher auf das Ausmaß der einzelnen Regelungen beziehen. So wird die Marktexklusivität nur sieben Jahre gewährt. Ebenso wie in der EU nimmt der zuständige Ausschuss (OOPD) eine beratende Rolle ein und begleitet Investoren bei der Entwicklung eines Arzneimittels für seltene Leiden (ebd.). Weitere Anreize werden im nächsten Kapitel betrachtet. Auch in den USA ist es möglich schon vorzeitig Orphan Drugs zur Verfügung zu stellen, wenn es sich um ein Medikament zur Behandlung von schwerer oder lebensbedrohender Krankheit handelt, es keine alternativen Arzneimittel oder Behandlungsmethoden gibt und sich das Medikament bereits in der klinischen Entwicklung befindet, sodass ein Mindestmaß an Sicherheit und Wirksamkeit gegeben ist (Orphanet 2010b). Im nächsten Kapitel soll es ausführlicher um die wirtschaftlichen Anreize zur Entwicklung von Orphan Drugs gehen.
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