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Ökonomische Chancen und Risiken des EU-Beitritts für Bulgarien

AutorToni Konov
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl102 Seiten
ISBN9783638859295
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich VWL - Fallstudien, Länderstudien, Note: 2,0, Universität Hamburg, 84 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Am 25. April 2005 wurde in Luxemburg der EU-Beitrittsvertrag für Bulgarien und Rumänien unterschrieben und seit dem 1. Januar 2007 sind beide Länder Mitglieder der Europäischen Union. Sie werden oft als die 'ökonomischen Schlusslichter der Union' bezeichnet. Trotz vieler Probleme im Laufe des Integrationsprozesses haben sie dennoch gezeigt, dass sie in der Lage sind, schnell marktwirtschaftliche Strukturen aufzubauen, Strukturschwächen zu bekämpfen und somit für die große 'Europäische Familie' bereit zu sein. Die Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist, die ökonomischen Chancen und Risiken des Beitritts Bulgariens zur Europäischen Union zu identifizieren und daraus eine sinnvolle Strategie für die erfolgreiche Integration des Landes in die europäischen Strukturen auszuarbeiten. Um gleichzeitig die Erfolgspotentiale und Gefahren für Bulgarien bestimmen zu können, wird zunächst ausführlich die Ausgangssituation des Landes mit Rückblick auf den historischen Hintergrund chronologisch erläutert. In einem nächsten Schritt wird als Kernstück der Arbeit eine ausführliche Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung Bulgariens in den Jahren des Strukturwandels durchgeführt. Ferner wird als Referenzsystem für die erforderlichen Anpassungsprozesse im Zuge einer Integration Bulgariens einerseits die Süderweiterungen der EG um Griechenland 1981 und Spanien und Portugal 1986 und andererseits die Erweiterung der EU um die zehn mittel- und osteuropäischen Länder in 2004 herangezogen und vor dem Hintergrund nationaler Besonderheiten und aktueller Entwicklungen untersucht. Auf der Basis ökonomischer Theorien werden im Kapitel 4 wahrscheinliche Wachstumsszenarien und Aufholprozesse behandelt und dabei eine Bewertung aus bulgarischer Sicht vorgenommen. Dabei wird ebenso auf die Problematik der räumlichen Disparitäten im Land eingegangen. Abschließend wird eine Chance-Risiko-Analyse kritisch reflektiert und die Perspektive Bulgariens nach dem EU-Beitritt untersucht.

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Leseprobe

2 Die wirtschaftliche Entwicklung Bulgariens


 

2.1 Ökonomischer Rahmen während des totalitären Regimes vor 1989


 

Allgemeine Daten

 

Die Republik Bulgarien als Staat kann auf eine über 1300-jährige Vergangenheit zurückblicken.

 

Das Land liegt in Südosteuropa und hat eine Fläche von 110.994 km2. Nachbarstaaten sind Rumänien (im Norden), Serbien und Montenegro (im Westen), Mazedonien (im Südwesten), Griechenland und die Türkei (im Süden). Im Osten grenzt Bulgarien an das Schwarze Meer.

 

Im Land leben 7,68 Mio. Einwohner, davon 1,2 Mio. in der Hauptstadt Sofia. Die bulgarische Währung heißt Lew (ISO-Bezeichnung: BGN). 1 EUR = 1,95583 BGN.

 

Vorgeschichte

 

Wie alle früheren Satellitenstaaten der Sowjetunion in Ost-, Zentral- und Südosteuropa stand Bulgarien 45 Jahre lang unter dem starken Einfluss des Sozialismus. Aus diesem Grund erhielt es im Laufe der Zeit mehr oder weniger ähnliche politische, wirtschaftliche und soziale Struktur nach dem Muster des „Großen Bruders“ – die ehemalige UdSSR. Die staatlichen Eingriffe im Wirtschaftsleben erfolgten durch eine Vielfalt von Instrumenten und Maßnahmen, wie etwa staatliche Planung in der Form von Fünf-Jahres-Plänen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung, öffentliche Unternehmen, Förderungsmaßnahmen und Vergünstigungen zur wirtschaftlichen Entwicklung. Der staatlich regulierte Außenhandel wurde im Rahmen des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) abgewickelt, wobei die Spezialisierungsbereiche die Verarbeitung von Metallprodukten, die Landwirtschaft und die Konsumgüterindustrie waren. Der Einsatz von wirtschaftspolitischen Instrumenten und der staatliche Eingriff beschränkten den Wettbewerb und verfälschten den Marktmechanismus. Charakteristisch für das Wirtschaftssystem waren noch die Dominanz von Staatsbetrieben, die staatlich kontrollierten Preise, das geringe Warenangebot, Kaufkraftüberhänge[1] und fehlende institutionelle Voraussetzungen für eine funktionsfähige Marktwirtschaft.

 

2.2 Die Transformation in Bulgarien seit 1989


 

Nach dem Umsturz des gescheiterten sozialistischen Regimes am 10. November 1989 waren die wirtschaftlichen und rechtlichen Strukturen in Bulgarien nicht ausreichend entwickelt, um einen schnellen Transformationsprozess zu ermöglichen. Es herrschte chronische technologische Unterentwicklung.

 

Das negative sozialistische Erbe machte Bulgarien – mit Ausnahme Albaniens und Rumäniens – zu dem politisch, wirtschaftlich und kulturell rückständigsten Staat von allen ehemaligen Ländern des Ostblocks. Während der Umbruchsphase wurde evident, dass die Transformationsperiode nicht schmerzlos sein wird. Der Umbruch signalisierte jedoch den Beginn eines langen Aufbau- und Modernisierungsprozesses in Wirtschaft und Verwaltung.

 

Die instabile politische Situation nach dem Umbruch, gekennzeichnet durch häufige Politik- und Regierungswechsel in der ersten Hälfte der 1990-er Jahre[2], verhinderte eine konsequente Reform- und Transformationspolitik. Der Wunsch, das Kapitel des Kommunismus zu schließen war eine gewaltige Triebkraft, die noch durch die Hoffnung verstärkt wurde, sehr schnell die Segnungen der Marktwirtschaft zu erfahren.[3] Viele Menschen haben geglaubt in höchstens zwei Jahren über dem Berg zu sein. Dies war eine verständliche Selbsttäuschung, der auch diejenigen erlagen, die den Westen aus eigener Anschauung kannten und damit auch um die Schattenseiten der Marktwirtschaft hätten wissen müssen. Die sozialen Kosten des politischen und wirtschaftlichen Umbruchs waren erheblich größer als dies die meisten Bulgaren ursprünglich gedacht hatten. Der Rückschlag konnte daher nicht ausbleiben.

 

Das ganze Ausmaß der Rückständigkeit und die Verluste an Lebensstandard nach der Freigabe der Preise wirkten zutiefst verunsichernd. Ein weiterer Schock stellte die entstehende starke Differenzierung in Einkommensgruppen dar. Der neue Reichtum erschien den Armen unverdient. Zu den Verlierern gehörten die Rentner und auch die Facharbeiter. Besonders letzteren war das Ausmaß ihres Schutzes und ihrer Privilegien in einer veralteten konkurrenzunfähigen Produktionsstruktur unbekannt gewesen. Massenarbeitslosigkeit war eine völlig neue, deprimierende Erfahrung. Dazu kamen die hohe Inflation[4] und die geringe Kaufkraft der Renten und Gehälter, die die Menschen um ihre letzte Sicherheit gebracht haben. Die Realitätsschocks erklärten die Enttäuschung über die Modernisierungsparteien, die für die Verluste beim Lebensstandard und die neuen Unsicherheiten verantwortlich gemacht wurden.[5]

 

Da die große Privatisierung der Staatsbetriebe in der neu zu gestaltenden Republik nur langsam vorankam, konnten die altgedienten Nomenklatureliten als Manager der verbliebenen Staatsbetriebe viele führende Posten in ihren Händen behalten. Selbst im Privatisierungsfall erfolgte oft kein Austausch des alten Managements. In der allgemeinen Verwaltung und der Justiz war die Kontinuität besonders hoch und erwies sich beim Systemwechsel als besonders resistent gegen die Eliterotation. Diese hohe Kontinuität wirkte ambivalent. Einerseits hat sie der Gesellschaft beim Systemwechsel Konflikte erspart, andererseits ist sie zweifellos ein Bremsklotz der nachholenden Modernisierung gewesen.[6]

 

Politische Glaubwürdigkeit, ein stabiles Finanzsystem, Wirtschaftswachstum und makroökonomische Stabilität hängen eng miteinander zusammen. Diese Korrelation wurde dem bulgarischen Staat mit seiner inkonsistenten Wirtschaftspolitik und der zögerlichen Privatisierung im Industrie- und Bankensektor zum Verhängnis. Die Aufrechterhaltung der sozialistischen Produktionsstrukturen und die weit verbreitete „Vetternwirtschaft“ spielten hierbei eine entscheidende Rolle.

 

Aufgrund der deutlich verschlechterten und unsicheren Wirtschaftslage zogen sich ausländische Investoren aus Bulgarien zurück. Allein von 1989 bis 1993 schrumpfte die Wirtschaftsproduktion des Landes um 30%. Im Zeitraum von 1993 bis 1998 ging das Bruttoinlandsprodukt Bulgariens im Schnitt um über 3% jährlich zurück.[7]

 

Der Höhepunkt dieser negativen Entwicklung bildeten die Jahre 1996 und 1997, als das reale BIP pro Kopf um -8,3% bzw. -9,1% abnahm.[8] Bulgarien erschütterte eine der schwersten Währungs-, Banken- und Wirtschaftskrisen im postkommunistischen Europa. Die Geldinstitute gewährten fortwährend Kredite an die unproduktiven staatlichen Betriebe. Es mangelte an einer effizienten, unabhängigen Bankenaufsicht und die bulgarische Zentralbank finanzierte die sich zunehmend verschuldenden Banken. Die schlechte makroökonomische Entwicklung, bedingt durch die ineffiziente Wirtschaftsstruktur, beschleunigte die Kreditausfälle, die bis zu 75% des Gesamtbestandes in den Bankportfolios erreichten. In 1996 mussten 17 Kreditinstitute aufgrund von Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anmelden.

 

Die Bereitstellung von Zentralbankgeld für die immensen Staatsausgaben und den Bankensektor erwies sich als ausschlaggebend für die Umwandlung der bereits beträchtlichen Inflation in eine Hyperinflation. Der bulgarische Lew erlebte eine schwere Krise und verlor fast 100% seines Wertes gegenüber Währungen wie dem US-Dollar und der Deutschen Mark. Dadurch büßte die bulgarische Währung seine Wertaufbewahrungsfunktion ein. Die Zentralbank verlor die Kontrolle über die Finanzlage, die Inflationsraten stiegen bis in den Bereich von 1.000% und mehr jährlich an. Die Wirtschaft wurde zunehmend „dollarisiert“ oder kehrte teilweise zum Naturaltausch zurück.[9]

 

Die negative Wirtschaftsentwicklung und die verfehlte Systemtransformation von der Plan- zur Marktwirtschaft weiteten sich schließlich zu einer Staatskrise aus.[10] Im Dezember 1996 eskalierte die Unzufriedenheit der Bevölkerung in heftigen Protesten. Die folgende Streikwelle und die Stürmung des Parlaments, infolge der im Januar 1997 in der Hauptstadt ausgebrochenen Unruhen, führten zur Durchsetzung der Forderungen nach Neuwahlen,[11] die ein rechtskonservatives Parteienbündnis gewann.

 

Der Regierungswechsel brachte einerseits die seit Juli 1997 bestehende Währungsanbindung des bulgarischen Lews an die Deutsche Mark bzw. heute den Euro, andererseits eine effiziente Bankenaufsicht mit sich. Durch die Währungsanbindung über den Währungsrat war die umlaufende Geldmenge von nun an durch die Devisenreserven der bulgarischen Zentralbank gedeckt und fest an sie gekoppelt. Die Einführung des Währungsrates nahm der Zentralbank zwar ihre geldpolitische Autonomie, aber dafür konnte sie nicht mehr als eine Art unerschöpfliche Geldquelle zur Finanzierung der Regierungspolitik instrumentalisiert werden. Damit wurden positive institutionelle und ökonomische Grundlagen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum gelegt.

 

Das von der neuen Regierung angekündigte umfangreiche Reformpaket brachte der Volkswirtschaft Bulgariens die beabsichtigten Konsolidierungseffekte – Inflationsrate und Wechselkurs stabilisierten sich. Die Wirtschaft konnte sich erholen. Auch ausländische Investoren, vor allem aus Deutschland, Österreich...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis3
Abbildungsverzeichnis5
Tabellenverzeichnis7
Abkürzungsverzeichnis8
1 Einleitung10
2 Die wirtschaftliche Entwicklung Bulgariens11
3 Erfahrungen aus vorhergehenden Erweiterungsrunden39
4 Wachstumstheorien61
5 Mehr Chancen oder mehr Risiken des EU-Beitritts für Bulgarien?73
6 Schlussbetrachtung und Ausblick90
Anhang92
Literaturverzeichnis96

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