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E-Book

Ogottogott - Wie glaubt man und wenn ja, warum?

AutorJan-Christof Scheibe
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783641224431
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
»Mensch, Gott, du kannst ja richtig witzig sein!« (Jan-Christof Scheibe)
Ups - Gott ist weg! Jan-Christof Scheibe ist der Glaube abhanden gekommen und er vermisst ihn. Also sucht er nach Wegen aus seiner religiösen Beziehungskrise. Aber wer kennt eigentlich den Weg zum großen Boss? Die Pfarrerin, der Guru, der Tauchlehrer oder doch Google-Plus? Als Stuntman des Glaubens stellt sich Scheibe seinen Zweifeln am Nichtglauben und stürzt sich in die Abgründe der Weltreligionen. Kein Pilgerpfad ist seinem scharfen Verstand zu schmal, kein Beichtstuhl seinem Witz zu heiß. Ein Buch über den sinnlosen Sinn der spannenden Suche nach Gott - kompakt, kenntnisreich, nachdenklich und überaus witzig.
  • Ein frecher Zweifler auf der Suche
  • Für alle, die sich ihres Unglaubens nicht so sicher sind
  • Wach, tabulos und garantiert gut gelaunt


Jan-Christof Scheibe, geb. 1963, ist Sohn eines Kirchenorganisten und Enkel zweier Pfarrer. Seine Show 'Zuviel Sex ist gar nicht gesund' spielt er mittlerweile im 20. Jahr. Sein Bühnenprogramm 'Ogottogott' erhielt begeisterte Kritiken. Er arbeitet als Schauspieler, Regisseur, Komponist und Texter.

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Leseprobe

2. WILL ICH WIEDER GLAUBEN? – GUTE GRÜNDE GEGEN DIE RELIGION

Tja, Humor in den Religionen, das ist auch so ein Thema, gerade für mich! Größtenteils Fehlanzeige! Sehr gut möglich, dass Gott welchen hat. Ich denke sogar: er muss welchen haben! Anders wären für ihn, den »Vater« im Himmel, die andauernden Sperenzchen seiner Kinder wohl kaum zu ertragen. Wer die Menschen so unvollkommen baut, kann nur Sinn für Witze haben!

Seine Stellvertreter auf Erden hingegen zeichnen sich leider immer wieder durch das absolute Gegenteil aus: komplette Humorlosigkeit. Auch das war ein Grund, warum Religion in meinem Leben eine immer geringere Rolle spielte. Nicht, dass ich vergessen hatte, wie es sich anfühlt zu glauben! Und ganz deutlich gab es da immer wieder dieses kurze Aufblitzen, eine Sehnsucht. Aber so wie im Weihnachts-Gottesdienst auf der Orgelempore und in Haus Hannah war es nicht mehr. Und es gibt ja auch ganz gute Gründe, dem Ganzen den Rücken zu kehren!

Religion hat sich immer wieder entfernt von ihren Ursprüngen und die Visionen ihrer Gründer bis zur Unkenntlichkeit pervertiert. Dieses bewusste Umdeuten oder fahrlässige Missverstehen von göttlichen Botschaften hat anscheinend System, denn es durchzieht alle Religionen. Und diesen Ballast, diesen spirituellen Sondermüll, schleppt man dann als Anhänger einer Religion die ganze Zeit mit sich herum, bewusst oder unbewusst. Will ich also wirklich wieder religiös werden? Will ich wirklich zurück zu meinem Glauben und zu Gott? Und muss man einer Religion angehören, um zu glauben, um IHN wiederzufinden?

Wenn man selber von bestimmten Dingen keine Ahnung hat, dann sucht man sich einen Spezialisten, der sich damit auskennt. Wenn in meiner Wohnung die Elektrik spinnt, werde ich den Teufel tun und selber am Sicherungskasten herumlöten. Und wenn ich Gott suche, dann liegt es natürlich nah, dass ich mich auch hier an entsprechende Experten wende. Die spirituelle Fachwerkstatt, mit der ich früher gern zusammengearbeitet habe, heißt »Evangelische Kirche«. Aber leider findet man in der Historie des Christentums eben auch ein besonders reiches Portfolio an Ballast und unerfreulicher Geschichte! Und diese Geschichte hat man als Glaubender immer im Gepäck. Man kann sich dumm stellen oder taub, aber sie bleibt trotzdem da. Und man muss sich zu ihr verhalten.

Ähnlich wie man als Deutscher bei Reisen ins Ausland immer vor Augen haben sollte, dass unsere Urgroßväter auch schon gerne in fremden Ländern wie Polen oder Tschechien vorbeigeschaut haben, aber eben nicht mit dem Hartschalenkoffer, sondern mit Panzern und Artillerie. Natürlich können meine oder gar jüngere Generationen nicht für die Gräueltaten der Nazis verantwortlich gemacht werden, aber man sollte sich vergegenwärtigen, was für Assoziationen andere Menschen haben könnten, deren Vorfahren im Krieg umgekommen sind, wenn sie hören, dass du Deutscher bist. Ähnlich ist es beim Christentum: Du stehst als Christ in einer Tradition. Und die war in den letzten beiden Jahrtausenden beileibe nicht immer nur ruhmreich!

Religionen in der Geschichte, eine Horrorshow

Die Geschichte des Christentums ist ein Paradebeispiel dafür, wie weit sich eine Religion von den Regeln und Geboten ihres Gründers entfernen kann. Jesus zog ohne Besitz als eine Art Bettelmönch durch Judäa, predigte Gewaltlosigkeit und kritisierte Gier, Reichtum und Unrecht. Er predigte das Reich Gottes. Und dann kam: die Kirche. Und wie sie kam! Menschen, die sich zum Pazifisten Jesus Christus bekannten, haben im Laufe der Zeit Kriege angezettelt, andere diskriminiert, ganze Völker zwangsmissioniert und gelogen und betrogen, dass sich die Balken biegen.

Im Jahre 1095 zum Beispiel rief der damalige Papst Urban II. zum »heiligen Krieg« (Ja, genau! Den Begriff hat nicht der IS erfunden!) gegen die Muslime und zur Rückeroberung Jerusalems auf, das damals im Osmanischen Reich lag. Prima Sache, dachten sich die christlichen Ritter Europas: So eine bewaffnete Pilgerfahrt nach Palästina bringt nicht nur Punkte im Himmel, sondern auch Gold in den Beutel. Auf ging’s zum Gemetzel, und als 1099 Jerusalem erobert war, hatten sie in den Städten, an denen sie vorbeigekommen waren, alles mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest war. Das Geschäftsmodell wurde danach noch ein paarmal angewandt, bis die Plünderung des – christlichen! – Konstantinopel während des IV. Kreuzzuges im Jahr 1204 dann selbst dem Papsttum gegen den Strich ging.

Was aber nicht bedeutete, dass man grundsätzlich ein Problem mit dem Zusammenraffen von Reichtümern gehabt hätte, im Gegenteil! Besonders perfide war in diesem Zusammenhang die Erfindung des Ablasshandels, der einen Erlass der Sünden gegen die Zahlung eines Geldbetrages versprach. Was die Anhäufung von Besitz betrifft, ist Religion immer unglaublich kreativ gewesen. Und noch heutzutage hortet – vor allem die katholische – Kirche beeindruckende Vermögenswerte. »Fällt euch Reichtum zu, so hängt euer Herz nicht daran«, heißt es im 62. Psalm in der Bibel, aber allein das Bistum Köln besitzt Wertpapiere im Wert von 2,5 Milliarden Euro und knapp 1 Milliarde Euro an Immobilienbesitz. Ich könnte mir vorstellen, dass Jesus seinen Schäfchen empfehlen würde, dieses Geld karitativ zu verwenden, anstatt es »arbeiten« zu lassen. Aber dazu, den Mahnungen ihres Meisters zu folgen, hat sich die Kirche bisher noch nicht durchringen können. Sie gibt ein unglaubwürdiges Bild ab in dieser merkwürdigen Diskrepanz zwischen vermeintlicher Solidarität mit den Armen auf der einen und dem eigenen Reichtum auf der anderen Seite. Wenn die Kirche ein Gebrauchtwagenhändler wäre, mein Auto würde ich woanders kaufen.

Und dann ist da natürlich noch die Frage nach dem Umgang mit denen, die anders denken und glauben! Als vor gut 500 Jahren Amerika entdeckt wurde, ist die Kirche nicht eingeschritten, um die Massakrierung ganzer Völker zu verhindern! Nein, sie hat das Blutbad im Gegenteil noch mit der passenden Ideologie gerechtfertigt. Nur sich zum Christentum bekennende »Eingeborene« konnten mit etwas Milde rechnen, für die anderen galt: »Willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein.«

Mit ähnlicher Brutalität ging man auch gegen die »Feinde im Inneren« vor. Die Inquisition ist ein derart unerfreuliches Kapitel der christlichen Geschichte, dass ich es hier nur am Rande streifen möchte. Nicht weil es unerheblich wäre, sondern weil ich dabei einfach immer beinahe depressiv werde. Gibt es eine Hölle? Eher nicht, würde ich sagen. Aber wenn, dann hätten die damaligen Inquisitoren sehr gute Karten, sich dort wiederzufinden. Vermeintlichen Hexen und Häretikern wurden unter Folter Schuldgeständnisse abgepresst, um sie dann in Schauprozessen zum Tode auf dem Scheiterhaufen zu verurteilen. Dieses gottlose Treiben von Männern Gottes war genauso zynisch und menschenverachtend wie die Schauprozesse Stalins in der Sowjetunion der 1930er-Jahre. Im Mittelalter predigte die christliche Kirche Nächstenliebe, und vollzog zeitgleich sogenannte »Gottesurteile«. Als Hexen denunzierte Frauen schmiss man gefesselt ins Wasser: Schwammen sie oben, waren sie offensichtlich mit dem Teufel im Bunde und wurden als Hexen verbrannt. Gingen sie hingegen unter und ertranken, so bekamen sie ein christliches Begräbnis.

Inquisitoren haben so lange Druck auf Galileo Galilei ausgeübt, bis er seiner Entdeckung vom Kreisen der Erde um die Sonne öffentlich abschwor. Doch hier höre ich auf, weitere Schandtaten aufzuzählen. Nicht weil mir keine weiteren einfielen, sondern weil ich dabei schlechte Laune bekomme. Wie sagte Mark Twain so schön: »Geistige Nahrung ist wie jede andere; es ist angenehmer und zuträglicher, sie mit einem Löffel als mit einer Schaufel zu nehmen.«

Doch das muss gerechter Weise gesagt werden: Der Missbrauch von eigentlich guten Ideen durch fanatische Verblendete ist nicht allein ein Privileg des Christentums. Die von der »Aufklärung« inspirierte Französische Revolution hat in zehn Jahren ungefähr genauso viele Todesurteile vollstreckt wie die spanische Inquisition in 300 Jahren. Der Islamismus führt die Tradition des Meuchelns für einen Platz im Paradies auch heute noch munter fort. IS und ISIS meinen einen »heiligen Krieg« zu führen und berufen sich auf den Koran. Ein »Krieg«, bei dem junge Männer mit LKW in Menschenmengen fahren. Sehr mannhaft und mutig, gratuliere! Wie urteilt der amerikanische Soziologe Mark Juergensmeyer: Das seien nur »Cowboy-Mönche mit Machoreligiosität, die sich unter Zuhilfenahme phallischer Waffenformen in ein himmlisches Bett bomben wollen, wo sie unfassbare sexuelle Attraktionen erwarten«.

Nach wie vor werden religiöse Minderheiten von allen großen Weltreligionen verfolgt: Muslime in Ägypten jagen und töten Kopten, als hätte Allah zum religiösen Halali geblasen, Hindus bekämpfen indische Christen bis aufs Blut, und auch die Vertreibung und Verfolgung der islamischen Rohingya-Minderheit durch Buddhisten in Myanmar ist nur ein weiteres unrühmliches Kapitel in dem Buch über »Angewandten Religionsmissbrauch«.

Es bleibt also die Frage: Will ich Christ und damit in einer Religion Mitglied sein, deren Historie so von Brutalität und Intoleranz geprägt ist, dass sich jedes Clubhaus einer schlagenden Verbindung dagegen ausnimmt wie eine Begegnungsstätte zur Integration von Ausländern und Flüchtlingen? Manchmal denke ich: Wenn keiner mehr glaubt, kann auch niemand mehr dem anderen auf den religiösen Schlips treten. Leute, lassen wir’s doch einfach bleiben!

Allein bin ich mit dieser Ansicht offenbar nicht.

Religion ist wie Stummfilm und Printmedien: ein...

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