Wie bereits einleitend erwähnt, ist Harry M. Markowitz als Begründer der modernen Portfoliotheorie anzusehen und die Kapitalmarkttheorie wurde in den letzten fünfzig Jahren entscheidend durch ihn geprägt. In einem Artikel im „Journal of Finance“[9] 1952 und in seinem Werk „Portfolio Selection“[10], welches 1959 erschien, stellte er die Gedanken zur Portfoliotheorie vor und wurde dafür zusammen mit seinen Kollegen Merton H. Miller und William F. Sharpe 1990 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Seine Theorie basiert im Wesentlichen auf der Annahme, dass sich eine Risikoreduktion von Wertpapierportfolios durch das Mischen von verschiedenen Anlagen erreichen lässt. Nach Markowitz kann das unsystematische oder auch das unternehmensindividuelle Risiko durch eine entsprechende Diversifizierung der Kapitalanlage vollständig eliminiert werden.[11]
Die moderne Portfoliotheorie lieferte damit den Grundstein für weitere, auf dieser Theorie aufbauende Ansätze zur Portfoliooptimierung und bildet das Fundament für jüngere Kapitalmarkttheorien. Insbesondere William Sharpe konnte im Rahmen der Portfoliotheorie weitere Preisbildungstheorien im Kapitalmarkt, wie z. B. das Indexmodell oder das Capital Asset Pricing Model, entwickeln. Dieses Kapitel wird sich neben der Portfoliotheorie den wichtigsten auf dem Markowitz-Modell aufbauenden Kapitalmarktmodellen widmen und im letzten Teil die Performance- und Risikomessung vorstellen. Eine formale Definition der in diesem Kapitel vorgestellten Kennzahlen und Formeln erfolgt im Rahmen des Kapitels Fünf.
Ausgangspunkt der „Portfolio Selection Theory“ war die empirische Beobachtung Markowitz’, dass Anleger ihr Vermögen gewöhnlich auf mehrere verschiedene Anlagen diversifizieren. Eine Diversifikation des Vermögens ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn nicht ausschließlich die Rendite des Portfolios im Vordergrund steht, sondern auch das Risiko. Im Falle der Fokussierung allein auf die Rendite wäre die Investition des gesamten Kapitals lediglich in das Wertpapier mit der höchsten erwarteten Rendite sinnvoll.[12]
Dieser Investmentansatz der Fokussierung widerspricht jedoch nach Markowitz jeglichem rationalem und risikobewusstem Investmentverhalten. Daher entwickelte Markowitz den Ansatz, die Selektion eines Portfolios anhand von erwarteter Rendite und erwartetem Risiko zu analysieren und zu optimieren. Im Rahmen der Portfoliotheorie bewies er, dass durch die optimale Diversifikation eines Portfolios wesentlich höhere Renditen bei geringerem Risiko erzielt werden können.[13]
Dabei greift die Portfoliotheorie auf das Entscheidungsprinzip unter Unsicherheit zurück, da die zukünftigen Entwicklungen der Rendite und des Risikos des Portfolios nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden können. Als Entscheidungshilfe und Prognosemöglichkeit finden hierbei insbesondere historische Kursentwicklungen der zu betrachtenden Wertpapiere Beachtung. Das zu erwartende Portfoliorisiko wird in der Portfoliotheorie durch die Varianz ?² ausgedrückt, die als Streuungsmaß die durchschnittliche quadratische Abweichung der Erträge vom Erwartungswert angibt. Anstelle der Varianz kann auch die Standardabweichung ?, die sich aus der Wurzel der Varianz ergibt, Verwendung finden.[14]
Um im Rahmen der Portfoliotheorie ein Wertpapierportfolio zu optimieren, sind jedoch nicht nur die durch die Varianz gemessenen Einzelrisiken von Bedeutung, sondern vielmehr deren Wechselwirkung zueinander.[15] Um die Kursveränderung eines Wertpapiers im Verhältnis zur Kursveränderung eines anderen Wertpapiers zu messen, wird im Rahmen der Portfoliotheorie die Kovarianz COV verwendet. Dabei drückt eine positive Kovarianz eine gleichläufige und eine negative Kovarianz eine gegenläufige Korrelation aus. Bei einer Kovarianz von null besteht kein Zusammenhang zwischen den Kursveränderungen der verschiedenen Anlagen.[16] Durch eine Kombination von schwach miteinander korrelierenden Wertpapieren können die Wertschwankungen bzw. das Risiko des Portfolios bei gleich bleibender Rendite verringert werden.[17] Das nachfolgende Diagramm 2.1 verdeutlicht, wie ein risikoarmes Portfolio (Aktie B) durch die Hinzunahme einer geeigneten, risikoreichen Aktie noch risikoärmer werden kann (Portfolio P).
Abbildung 2.1: Risiko-Performance-Diagramm[18]
Anhand der Portfoliokennzahlen erwartete Rendite, erwartetes Risiko und erwartete Korrelation lassen sich unter Berücksichtigung der individuellen Risikoneigung des jeweiligen Investors sämtliche effizienten Portfolios errechnen. Ein Portfolio, das auf der Effizienzkurve liegt und damit für den Investor relevant ist, hat bei einem bestimmten Risiko die höchste Renditeerwartung bzw. bei einer bestimmten Renditeerwartung das geringste Risiko (siehe Abbildung 2.2).[19]
Abbildung 2.2: Effizienzkurve[20]
Dabei gelten für das Grundmodell der Portfoliotheorie diese Annahmen:[21]
Der Planungszeitraum beträgt genau eine Periode.
Alle Wertpapiere sind bis in die kleinste Quantität beliebig teilbar.
Transaktionskosten und Steuern existieren nicht.
Den Investoren wird Risikoaversion unterstellt, das bedeutet, dass ein Investor bei gleicher Rendite immer die Alternative mit dem geringsten Risiko vorzieht.
Durch die Portfoliotheorie ist es Markowitz gelungen, ein Erklärungsmodell für das in der Praxis zu beobachtende Anlegerverhalten der Diversifikation zu finden. Darüber hinaus kommt das Modell von Markowitz zu dem Schluss, dass es in erster Linie auf die Korrelation zwischen den im Portfolio befindlichen Wertpapieren ankommt und nicht primär auf die Menge der im Portfolio gehaltenen Wertpapiere.[22]
Dennoch ist die Portfoliotheorie nicht frei von Problemen. So besteht eine Grundannahme der Portfoliotheorie darin, dass sich aus der Vergangenheit keine verlässlichen zukünftigen Kursentwicklungen vorhersagen lassen. Trotzdem werden die zukünftigen Renditen zum erheblichen Teil aus historischen Daten geschätzt, deswegen darf die Chance, dass ein Anleger ex ante ein seiner Risikoneigung entsprechendes, effizientes Portfolio findet, nicht überschätzt werden.[23] Ein weiterer Kritikpunkt ist die Vernachlässigung des Timing-Gedanken. Die Portfoliotheorie trifft keine Aussage über die optimalen Ein- und Ausstiegszeitpunkte bei den Wertpapieren, die das optimale Portfolio bilden. Folglich werden durch das Markowitz-Modell die Erkenntnisse der fundamentalen und technischen Analyse vollkommen vernachlässigt.[24]
Häufig zielt darüber hinaus die Kritik auf die enorme Informationsbeanspruchung. Um die Berechnung effizienter Portfolios zu gewährleisten, werden leistungsfähige Computer zur Verarbeitung großen Datenmengen benötigt. So müssen schon bei der Betrachtung von zehn Wertpapieren insgesamt 65 verschiedene Parameter, die sich aus zehn Renditen, zehn Varianzen und 45 Kovarianzen zusammensetzen berechnet und geschätzt werden. Aus diesem Grund räumt auch Markowitz ein, dass die praktische Anwendbarkeit der Portfoliotheorie über große Mengen von Wertpapieren nur institutionellen Anlegern möglich ist. [25]
Die bereits angesprochene Datenproblematik des Portfolio-Selection-Modells von Markowitz hat zur Entwicklung des Indexmodells[26] (auch: Single-Index-Modell) durch den Wirtschaftswissenschaftler William F. Sharpe geführt. Ziel des Modells ist es, die Anzahl von Input-Daten zu minimieren und somit das Markowitz-Modell praktisch anwendbarer zu gestalten.[27]
Nach Markowitz lässt sich das Risiko eines Portfolios dadurch vollständig eliminieren, dass dem Portfolio absolut negativ korrelierende Wertpapiere beigemischt werden. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass vollständig negativ korrelierende Wertpapiere nicht existieren. Nach Sharpe hat dies fundamentale Ursachen, da sich Ereignisse wie Leitzinsänderungen, Kriege und wirtschaftliche oder politische Veränderungen auf den gesamten Kapitalmarkt auswirken.[28]
Unter der Annahme, dass diese Einflüsse mithilfe eines Indizes (z. B. dem DAX) erfasst werden können, besteht die Möglichkeit, die Korrelation zwischen allen Paaren von Wertpapieren vollständig auf die Korrelation jedes Wertpapiers mit dem Index zurückzuführen.[29] Allerdings bestehen neben diesen globalen, gesamtwirtschaftlichen Ereignissen auch unternehmensindividuelle Besonderheiten, die sich im Aktienkurs des jeweiligen...