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E-Book

Otto von Bismarck und Johanna von Puttkamer

Die Geschichte einer Liebe

AutorGabriele Hoffmann
VerlagInsel Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl398 Seiten
ISBN9783458738886
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR


<p>Gabriele Hoffmann ist promovierte Historikerin und Journalistin und hat viele erfolgreiche Biographien und Sachb&uuml;cher geschrieben, unter anderem die Doppelbiographie <em>Constantia von Cosel und August den Starke</em> sowie <em>Das Haus an der Elbchaussee</em>, eine Familiensaga, die zugleich ein repr&auml;sentatives Zeitbild des B&uuml;rgertums in Deutschland des 19. Jahrhunderts ist, und die Biografie des Bankiers Max Warburg, der in der Nazizeit 75.000 Juden das Leben rettete.</p>

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Leseprobe

75DER ABGEORDNETE

DAS SCHLOSS AN DER ELBE

1.

»Es ist solch ein eigenthümliches Haus, wie ein Märchen aus alten Zeiten«, sagt Johanna über Ottos Schloss. Der dreistöckige Klotz mit dem hohen Barockdach liegt, von Linden umgeben, in einem Garten mit streng geschnittenen Taxushecken, Wassergräben und weißen Sandsteingöttern – an einem der Götter hat Otto als Junge seine Treffsicherheit im Schießen geübt. Die Eingangstür ist ebenerdig und schlicht, ein Sandsteinsims läuft über dem Wappen des Erbauers August von Bismarck und seiner Frau, einer geborenen Katte. Innen führt eine breite Treppe mit Stufen aus Eichenholz in den ersten Stock. Die Wände sind dick, die Decken niedrig und die Zimmer groß. Johannas Wohnzimmer hat eine kostbare alte Ledertapete, andere Räume haben Leinwandtapeten mit gedruckten Chinoiserien oder Landschaftsbildern, und an ihren Wänden stehen goldene Rokoko-Stühle mit verblichenen Seidenbezügen.

Vom obersten Stock aus kann Johanna weit über das Land sehen. Im Norden zeigt Otto ihr das Städtchen Arneburg – in der Ferne, hinter der Lindenallee, auf dem jenseitigen hohen Elbufer. Im Westen sieht sie auf der anderen Elbseite die Domtürme von Stendal und im Südwesten die Stadttore und Kirchtürme von Tangermünde.

Mächtige Kirchtürme beherrschen die flache Altmark. Die Kirche von Schönhausen ist über 600 Jahre alt, ihr Turm ist hoch und viereckig, breit wie das Kirchenschiff – 76ein Wehrturm, in den die Einwohner sich retteten bei Krieg und Hochwasser.

Seit 1562 gehört der Ort den Bismarcks. Er hat 2000 Einwohner – Handwerker, Kaufleute, Bauern –, und der Herr von Schönhausen spielt nicht mehr entfernt die Rolle wie im Gutsdorf Kniephof, in dem alle vom Gutsbesitzer abhängen. Viele Bauern sind ihm zwar noch dienstpflichtig, doch wer irgend kann, kauft sich frei. Bismarck bewirtschaftet das Gut mit Hilfe des alten Verwalters Bellin.

Bismarck ist unruhig. Die Brüder Gerlach haben versprochen, etwas für ihn zu tun. Er wartet auf eine Nachricht aus Berlin.

Am 6. Oktober sind er und Johanna von der Hochzeitsreise zurückgekommen. In Prag hat sie ihr erstes Schauspiel gesehen, Shakespeares Kaufmann von Venedig. Nach Wien sind sie mit der Eisenbahn dritter Klasse auf harten Bänken gefahren und haben viele merkwürdige Leute kennengelernt. Johanna hat begeisterte Briefe nach Hause geschickt, und er war verärgert, weil sie so viel geschrieben hat. Sie war berauscht von Wien, von einem Mondscheinabend in Schönbrunn, und doch war es in Wien, dass sie zum ersten Mal stritten – später wussten sie nicht mehr, weshalb. Sie waren am Mondsee im Salzkammergut – die Welt wird schöner mit jedem Tag, sagte Johanna –, waren in Salzburg und in Tirol. In Meran trafen sie Ottos Cousin Fritz Bismarck-Bohlen und Moritz Blanckenburgs Onkel General Albrecht von Roon, beide Begleiter des jungen Prinzen Friedrich Karl. Sie überredeten Otto und Johanna, mit ihnen nach Venedig zu fahren, wo der König von Preußen seinen Bruder besuchte. In Venedig gingen sie in die Oper, der König erkannte Bismarck und lud ihn zur Tafel ein, sagte nach dem Essen, er möge ihn doch einmal in Berlin besuchen. Die Hochzeitsreise wurde länger als geplant, und die Kosten wurden höher als veranschlagt, aber das war ihnen egal. Sie legten einfach etwas von Johannas »Silberfond« in die Reisekasse – ihre 77Mitgift steckt im Gut Reinfeld, sie bekommt jährlich die Zinsen. Sie ist noch lange entzückt über ihre Reise, und Otto ist entzückt über ihre Freude.

Johanna richtet sich in dem alten Schloss ein, packt tagelang ihre Kisten aus, kramt. Er macht mit ihr Besuch bei Pastor Schrader und bei Lehrer Lindstädt und reitet viel mit ihr aus, solange das Herbstwetter hält. Sie trägt als Sonnenschutz einen Strohhut – im Frühjahr hat sie ihn gebeten, ihr in Berlin einen Hut mit breiter Krempe zu kaufen, aber er wählte einen mit schmaler Krempe, weil eine schmale Krempe gerade in Mode war. Seine Ideen kommen bei ihr nicht immer gut an. Er nimmt gern alles selbst in die Hand. Sie dagegen ist es gewohnt, ein Vorgehen gemeinsam und rechtzeitig zu besprechen.

Besucher aus Pommern kommen in die Altmark: Moritz von Blanckenburg mit seinem Schwiegervater Adolf von Thadden, Onkel und Tante Below aus Reddentin, Ottos Freund und Schwager Oskar von Arnim, und dann, zu Weihnachten, Johannas Eltern.

Litte ist eine beherrschende Frau. Sie ist ihrem Schwiegersohn wohlgesinnt und will ihm als gute Pietistin helfen, seine charakterlichen Mängel zu erkennen und zu bekämpfen. Das verwirrt ihn. Er ist aufbrausend, jähzornig, entschuldigt sich Johannas wegen, wenn er sich zu scharfen Worten hinreißen ließ. Das Familienleben kostet Kraft. Aber hier ist er Hausherr, nicht Gast.

Nach Weihnachten macht er sich Luft in einem Brief an seine Schwester Malwine. Er möchte ein Zusammenleben mit seiner Schwiegermutter eher nicht. Deren Mutter ist gestorben und durch »ihre Melancholie, die fortwährend jedes im Lauf der Dinge nur mögliche Unglück ahnt«, wirkt sie ansteckend auf Johanna. Trifft dann die Tausendste der schwiegermütterlichen Ahnungen ein, wie es ja nicht anders sein kann, so folgert Litte daraus, dass sie hellseherische Gaben habe. Aber sonst »befinde ich mich in der Ehe noch 78sehr wohl und bin die bodenlose Langeweile und Niedergeschlagenheit losgeworden, die mich sonst plagte, sobald ich mich in meinen 4 Pfählen allein befand.«

Johanna steht immer wieder zwischen ihrer Mutter und ihrem Mann. Als Otto Anfang Januar 1848 nach Berlin reist, fühlt sie sich einsam in dem alten Schloss und ist dankbar für die tröstliche Gegenwart ihrer Mutter.

2.

Bismarck sucht ein Amt in Berlin. Er trifft sich mit seinen konservativen Freunden, und er meldet sich am Hof. Der König lädt ihn tatsächlich ins Schloss zu Tisch, wo er neben Ludwig von Gerlach sitzt. Das ist alles.

Bis Mitte Februar 1848 lebt er wieder still in Schönhausen. Die einzige frohe Aufregung bringt Johannas Schwangerschaft. Dann passiert endlich etwas: In Frankreich ist Revolution.

Die Revolution hat sich am Streit um das Wahlrecht entzündet. Die Franzosen haben ihren König abgesetzt und die Republik ausgerufen. Nun fordern auch in Heidelberg Landtagsabgeordnete die Republik und Wahlen zu einem gesamtdeutschen Parlament. Die Bürger in Deutschland fangen an, für Demokratie und nationale Einheit zu kämpfen. Im preußischen Düsseldorf haben Revolutionäre Pressefreiheit und Volksbewaffnung verlangt.

»Meine Damen sind in händeringender Aufregung«, schreibt Bismarck seinem Bruder. Bernhard soll ihm Geld schicken, denn er muss mit der Armee ausrücken, »wenn wir nach dem Rhein marschieren sollten«.

In immer mehr deutschen Staaten treten die fürstlichen Regierungen aus Furcht vor den Bürgern zurück, und liberale Oppositionelle übernehmen Ministerämter. In Wien kämpfen Bürger und Studenten gegen das Militär, Staatskanzler Metternich flieht am 13. März nach London.

79Johanna und ihre Mutter warten jeden Tag ungeduldig auf die Zeitung, wollen lesen, ob diese Unruhen weiter um sich greifen oder ob sie endlich wieder auf stillen Frieden in der Welt hoffen dürfen – Johanna findet es furchtbar, »daß die deutschen Lande (wie Baden, Nassau p.p.) sich berufen fühlen, diesem Unsinn ihre häßlichen finsteren Herzen zu erschließen …«. Gerhard von Thadden, ihr Nennbruder auf Trieglaff, fragt sie, ob er noch zum Studium nach Heidelberg gehen könne oder ob er sich, wie sein Vater jetzt wünsche, in Berlin einschreiben solle. Otto meint, wenn Gerhard nicht gleich nach Heidelberg gehe, komme er nie hin, denn wer mit Berlin anfange, bleibe dort. »Außerdem dürfte man doch gewiß von Ihnen voraussetzen, daß die verrückten Anführer in und um Heidelberg gar keinen Einfluß auf Ihren aristokratisch und conservativen Sinn ausüben würden …« Aristokratisch und konservativ – so denkt auch Johanna, und auch sie ist erfüllt von der Pflicht, zum König zu halten.

Bismarcks Nachbar Graf Wartensleben bittet ihn, auf sein Gut Karow zu kommen. Zwei Damen aus Berlin haben sich zu ihm ins Jerichower Land geflüchtet. Sie erzählen Entsetzliches aus der Hauptstadt.

Aufständische haben den König so unter Druck gesetzt, dass er auf dem Schlossplatz vor einer großen Menschenmenge Versprechen verlesen ließ: Der Vereinigte Landtag soll regelmäßig tagen, die Presse unzensiert berichten dürfen, und er werde für die deutsche Einheit eintreten. Aber plötzlich zeigten sich Soldaten, zwei Schüsse fielen. Die Bürger rannten in die angrenzenden Straßen und bauten Barrikaden. Die Soldaten des Königs erschossen zweihundert Bürger. Es gab Tote und Verletzte auf beiden Seiten, nachts appellierte der König vergeblich an die Berliner, die Barrikaden zu räumen. Am nächsten Mittag befahl er den Truppen den Rückzug und verneigte sich vor den Leichen, die die Revolutionäre in den Schlosshof gelegt hatten. Er ritt mit Ge80nerälen und Ministern hinter schwarzrotgoldenen Fahnen – den hochverräterischen Fahnen der Bürger – durch Berlin. Seinen Bruder Wilhelm, der von Anfang an auf die Bürger schießen lassen wollte, hatte er nach England geschickt.

Vor dem Schloss steht nun eine Bürgerwache. Die Bürger dürfen...

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