Sie sind hier
E-Book

Pädagogisches Handeln im Außengelände und in Räumen

Untersucht am Beispiel einer norwegischen Kindertageseinrichtung

AutorTobias Niebergall
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl104 Seiten
ISBN9783656487951
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Pädagogik - Sonstiges, Note: 1,0, Fachhochschule Erfurt (Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften), Veranstaltung: Bildung und Erziehung von Kindern, Sprache: Deutsch, Abstract: In der täglichen Praxis im Kindergarten ist mir immer wieder aufgefallen, dass das Außengelände der Einrichtungen von den pädagogischen Fachkräften als ,Extra'-Raum, der nicht in das gesamte pädagogische Konzept einer Institution einbezogen, sondern für bestimmte eng begrenzte Aktivitäten genutzt wird, betrachtet wird. Weitere persönliche Erfahrungen zeigen, dass sich die Begleitung der kindlichen Aktivitäten durch die pädagogischen Fachkräfte im Gegensatz zum Kindergartengebäude im Außengelände stark reduziert. Dies wird mit der zu gewährleistenden Aufsichtspflicht und der im Außengelände stattfindenden Phase des ,Freispiels' der Kinder gerechtfertigt. Eine solche Argumentation ist natürlich völlig unzulässig, da die pädagogischen Fachkräfte Freispielphasen natürlich auch im Kindergartengebäude, und nicht nur im Außengelände, zu initiieren haben. Weiterhin bedeutet Freispielphase der Kinder auch nicht, dass sich die pädagogischen Fachkräfte an dieser Stelle zurückziehen, um mit KollegInnen (im schlechtesten Falle über private Themen) ins Gespräch zu kommen oder die Kinder zu beaufsichtigen (Aufsichtspflicht gewährleisten). Vielmehr sollten die Fachkräfte diese Phasen nutzen, um zwei der zentralen Aufgaben ihrer Arbeit in den Fokus zu rücken, nämlich die Begleitung und die Beobachtung und Dokumentation kindlicher Bildungsprozesse. Österreicher (2012, 180) führt noch weitere zeitlich-organisatorische Aspekte an, die von den Fachkräften als Gründe genannt werden, das Außengelände nicht zu nutzen. Hierzu zählen z.B. Personalnot, die bereits erwähnten ungünstigen Wetterbedingungen und Programmpunkte, 'die aufgrund eines bestimmten Bildungsverständnisses als wichtiger angesehen werden' (Österreicher 2012, 180). Pädagogische Fachkräfte sollten also den 'Wert des Draußen-Seins' (Österreicher 2012, 180) erkennen und sich im Klaren darüber sein, dass ihr Handeln und die Interaktion mit einem Kind/ den Kindern nicht nur im Kindergartengebäude, sondern auch im Außengelände von hoher Bedeutung ist. Da mich dieses Thema also sowohl persönlich als auch fachlich sehr interessiert, hatte ich mich dazu entschlossen, mich im Rahmen meiner Bachelorarbeit damit tiefer auseinanderzusetzen. Im Fokus meiner Arbeit war die Frage, wie sich Interaktionsmomente zwischen pädagogischen Fachkräften und einem Kind/ Kindern im Außengelände bzw. im Gebäude der Kita vollziehen und ob es zwischen beiden Settings qualitative Unterschiede gibt.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

1. Einleitung


 

In der täglichen Praxis im Kindergarten[1] ist mir immer wieder aufgefallen, dass das Außengelände der Einrichtungen von den pädagogischen Fachkräften[2] als ,Extra‘- Raum, der nicht in das gesamte pädagogische Konzept einer Institution einbezogen, sondern für bestimmte eng begrenzte Aktivitäten genutzt wird, betrachtet wird. So kann ich aus meiner eigenen Erfahrung berichten, dass ich es oft erlebt habe, dass das Außengelände nur zu einem bestimmten Zeitpunkt am Vormittag und ab einer bestimmten Uhrzeit am Nachmittag genutzt wird - wenn (laut der pädagogischen Fachkräfte) die Wetterbedingungen dies zugelassen haben. Weitere persönliche Erfahrungen zeigen, dass sich die Begleitung der kindlichen Aktivitäten durch die pädagogischen Fachkräfte im Gegensatz zum Kindergartengebäude im Außengelände stark reduziert. Dies wird mit der zu gewährleistenden Aufsichtspflicht und der im Außengelände stattfindenden Phase des ,Freispiels‘ der Kinder gerechtfertigt. Eine solche Argumentation ist natürlich völlig unzulässig, da die pädagogischen Fachkräfte Freispielphasen natürlich auch im Kindergartengebäude, und nicht nur im Außengelände, zu initiieren haben. Weiterhin bedeutet Freispielphase der Kinder auch nicht, dass sich die pädagogischen Fachkräfte an dieser Stelle zurückziehen, um mit KollegInnen (im schlechtesten Falle über private Themen) ins Gespräch zu kommen oder um die Kinder zu beaufsichtigen (Aufsichtspflicht gewährleisten). Vielmehr müssen die Fachkräfte diese Phasen nutzen, um in solchen Momenten zwei der zentralen Aufgaben ihrer Arbeit in den Fokus zu rücken, nämlich die Begleitung und die Beobachtung und Dokumentation kindlicher Bildungsprozesse. Österreicher (2012, 180) führt weitere zeitlich-organisatorische Aspekte an, die von den Fachkräften als Gründe genannt werden, das Außengelände nicht zu nutzen. Hierzu zählen z.B. Personalnot, die bereits erwähnten ungünstigen Wetterbedingungen und Programmpunkte, „die aufgrund eines bestimmten Bildungsverständnisses als wichtiger angesehen werden“ (Österreicher 2012, 180). Pädagogische Fachkräfte sollten also den „Wert des Draußen-Seins“ (Österreicher 2012, 180) erkennen und verstehen, dass ihr Handeln und die Interaktion mit einem Kind/ den Kindern nicht nur im Kindergartengebäude, sondern auch im Außengelände von hoher Bedeutung ist. Möglicherweise vollziehen sich im Außengelände sogar qualitätvollere Interaktionen zwischen einer pädagogischen Fachkraft und einem Kind/ Kindern, aufgrund der Tatsache, dass außerhalb des Gebäudes eine größere Fläche, auf der sich die Kinder verteilen können, zur Verfügung steht und der Geräuschpegel im Gruppenraum bedeutend höher als im Außengelände ist. Sollte dies so sein, dann wäre es ein Grund für pädagogische Fachkräfte, das Außengelände viel intensiver und bewusster zu nutzen.

 

Aus diesen Gedanken ergeben sich für mich also zwei zentrale Fragen: Hat das Raumsetting (,im Kindergartengebäude‘ versus ,im Außengelände‘) Auswirkungen auf die Interaktion zwischen der pädagogischen Fachkraft und einem Kind/ mehreren Kindern bzw. vollzieht sich im Außengelände eine qualitätvollere Interaktion zwischen der pädagogischen Fachkraft und einem Kind/ mehreren Kindern als im Kindergartengebäude? Um dieser Fragen nachzugehen, werde ich meine Bachelorarbeit wie folgt aufbauen:

 

Grundsätzlich besteht diese Arbeit aus zwei Abschnitten - einem theoretischen und einem qualitativen Teil. Im ersten Teil möchte ich zunächst die Bindungstheorie von Bowlby und die qualitativen Testsituationen von Ainsworth, die die Annahmen von Bowlby bestätigten, darlegen. Dies ist notwendig, da die Bindung als Grundlage für enge zwischenmenschliche Beziehungen dient. Diese sind für Kinder Voraussetzung, um Autonomie zu entwickeln und sich die Welt anzueignen (Mergeay 2009, o.S.)[3]. Somit ergibt sich also auch für pädagogische Fachkräfte aus dem Bereich der frühkindlichen Bildung die Notwendigkeit, sich einen Überblick über die Bindungstheorie Bowlbys und Ainsworths empirischen Untersuchungen zu verschaffen und in der täglichen Arbeit zu berücksichtigen. Deshalb soll im nächsten Schritt das Konzept der Feinfühligkeit, welches in der Eltern-Kind-Bindung von großer Bedeutung ist, auf den Bereich der frühkindlichen Bildung übertragen und beispielhaft aufgezeigt werden, welche Untersuchungen (Remsperger 2011) und Konzepte (Gutknecht 2012) dazu bereits vorliegen. Im dritten Kapitel soll näher betrachtet werden, welchen Einfluss Raumsettings und - konzepte auf die Feinfühligkeit der pädagogischen Fachkräfte, die professionelleResponsivität, haben. Im zweiten Teil der Arbeit soll mit Hilfe von Videodaten und deren Analyse das Interaktionsverhalten pädagogischer Fachkräfte im Kindergartengebäude und im Außengelände näher betrachtet werden. Im Fazit wird, neben einer Zusammenfassung der gesammelten Erkenntnisse, auf die zentralen Fragestellungen, ob das Raumsetting (,im Kindergartengebäude‘ versus ,im Außengelände‘) Auswirkungen auf die Interaktion zwischen Fachkraft und Kind/ Kinder hat und ob sich im Außengelände eine qualitätvollere Interaktion als im Kindergartengebäude vollzieht, ausführlich eingegangen. Parallel dazu werden Schlussfolgerungen für die Praxis formuliert. Die Bedeutung von Sensitivität im Handeln pädagogischer Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen

 

Um mich dem Themenfeld ,die Bedeutung von Sensitivität im Handeln pädagogischer Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen‘ annähern zu können, ist es notwendig, dass ich mich zunächst mit der Bindungstheorie John Bowlbys auseinandersetze, die die Grundlage für das Konzept der Feinfühligkeit bildet. Anschließend wird eine Auseinandersetzung mit den Untersuchungen Mary Ainsworths zum Bindungsverhalten von Müttern und Kindern stattfinden. Ihre Erkenntnisse können auch in den Bereich der institutionellen Bildung und Erziehung übertragen werden. Dies wird deutlich durch die Forschungsarbeit von Regina Remsperger. Sie nutzt das von Ainsworth entwickelte Konzept der Feinfühligkeit, um die Interaktion zwischen pädagogischer Fachkräfte und dem Kind/ den Kindern näher zu betrachten. Im letzten Teil des Kapitels stelle ich die von Dorothee Gutknecht beschriebenen Strategien der intuitiven Didaktik vor. Diese Verhaltensstrategien können von pädagogischen Fachkräften in der Interaktion mit Kindern genutzt werden, um auf deren Signale prompt und angemessen zu reagieren.

 

1.1. Sensitivität in der Eltern-Kind-Interaktion


 

Der Begriff der Sensitivität, in Bezug auf die Interaktion zwischen einer erwachsenen Person und einem Kind, ist auf die Erkenntnisse John Bowlbys und die damit verbundene Entwicklung der Bindungstheorie in der Mitte des 20. Jahrhunderts zurück zu führen. Die Ursprünge der Bindungstheorie gehen bis ins 19. Jahrhundert zurück und beziehen sich auf die Evolutionstheorie von Charles Darwin. Mary Ainsworth hat in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts die Bindungstheorie Bowlbys weiterentwickelt und dazu empirische Untersuchungen unternommen (Otto 2011, 392 ff). Auf Grundlage dieser Untersuchungen wurde eine Bindungsklassifikation des Kindes erstellt, bestehend aus vier verschiedenen Bindungstypen. Hierbei konnten auch Zusammenhänge zwischen der Bindungssicherheit der Kinder und der Qualität des mütterlichen Interaktionsverhaltens hergestellt werden (Otto 2011, 397 f; Grossmann 2008, 32 ff). Das Interaktionsverhalten der Bezugsperson sollte im Idealfall feinfühlig - also sensitiv - sein (Otto 2011, 398; Grossmann 2008, 32). Ausgehend von diesen Erkenntnissen konnte u.a. nachgewiesen werden, dass „Bindungssicherheit ( ... ) zu einer kompetenteren Bewältigung weiterer Entwicklungsaufgaben im sozioemotionalen und kognitiven Bereich“ (Otto 2011,399) führt.

 

1.1.1. Die Entwicklung der Bindungstheorie


 

Bezugnehmend auf die Evolutionstheorie von Charles Darwin, die davon ausgeht, dass während der Entwicklung von Lebewesen bzw. bestimmter Verwandtschaftsgruppen immer wieder adaptive Veränderungen auftreten, die es dem Lebewesen ermöglichen zu überleben, entwickelte John Bowlby die Theorie , dass es sich beim Bindungssystem auch um ein „evolviertes Verhaltenssystem“ (Otto 2011, 392) handelt, das in der Vergangenheit das Überleben des Säuglings sicherte. Ein Kind, das in widrigen Umweltbedingungen wie Kälte, Übergriffe durch Raubtiere etc. aufgewachsen ist, hatte eine höhere Wahrscheinlichkeit durch „Bindungsverhaltensweisen wie Weinen, Lächeln, Klammern oder Nachfolgen ( ... ) in engem Kontakt zu seinen Bezugspersonen zu bleiben“ (Otto 2011, 392 f). Somit schlussfolgerte Bowlby, dass das Bindungsverhalten ein überlebenswichtiger Faktor war und es deshalb „im Laufe der Phylogenese im menschlichem Genom verankert wurde“ (Otto 2011,393). In einer Untersuchung an 44 bereits kriminell in Erscheinung getretenen Jugendlichen, in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts, stellte Bowlby fest, dass ein Großteil schon in jungen Jahren die Mutter verloren hatten. Weiterhin konstatierte er, dass diese Jugendlichen dann einen Großteil ihres Lebens in Kinderheimen verbrachten. Hier galt es zu dieser Zeit als Grundsatz ein Kind mit „Kontaktminimierung bei ausreichender Nahrung und Hygiene“ (Otto 2011, 391) so wenig wie möglich „zu verwöhnen“ (Otto 2011, 391). Otto (2011, 391 f) macht darauf aufmerksam, dass selbst Fachliteratur und Ratgeber „bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts“ (Otto 2011, 391) diese Grundsätze vertraten:...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Pädagogik - Erziehungswissenschaft

Weitere Zeitschriften

FESTIVAL Christmas

FESTIVAL Christmas

Fachzeitschriften für Weihnachtsartikel, Geschenke, Floristik, Papeterie und vieles mehr! FESTIVAL Christmas: Die erste und einzige internationale Weihnachts-Fachzeitschrift seit 1994 auf dem ...

ARCH+.

ARCH+.

ARCH+ ist eine unabhängige, konzeptuelle Zeitschrift für Architektur und Urbanismus. Der Name ist zugleich Programm: mehr als Architektur. Jedes vierteljährlich erscheinende Heft beleuchtet ...

Baumarkt

Baumarkt

Baumarkt enthält eine ausführliche jährliche Konjunkturanalyse des deutschen Baumarktes und stellt die wichtigsten Ergebnisse des abgelaufenen Baujahres in vielen Zahlen und Fakten zusammen. Auf ...

Bibel für heute

Bibel für heute

BIBEL FÜR HEUTE ist die Bibellese für alle, die die tägliche Routine durchbrechen wollen: Um sich intensiver mit einem Bibeltext zu beschäftigen. Um beim Bibel lesen Einblicke in Gottes ...

bank und markt

bank und markt

Zeitschrift für Banking - die führende Fachzeitschrift für den Markt und Wettbewerb der Finanzdienstleister, erscheint seit 1972 monatlich. Leitthemen Absatz und Akquise im Multichannel ...

CE-Markt

CE-Markt

CE-Markt ist Pflichtlektüre in der Unterhaltungselektronik-Branche. Die Vermarktung von Home und Mobile Electronics mit den besten Verkaufsargumenten und Verkaufsstrategien gehören ebenso zum ...

dental:spiegel

dental:spiegel

dental:spiegel - Das Magazin für das erfolgreiche Praxisteam. Der dental:spiegel gehört zu den Top 5 der reichweitenstärksten Fachzeitschriften für Zahnärzte in Deutschland (laut LA-DENT 2011 ...

SPORT in BW (Württemberg)

SPORT in BW (Württemberg)

SPORT in BW (Württemberg) ist das offizielle Verbandsorgan des Württembergischen Landessportbund e.V. (WLSB) und Informationsmagazin für alle im Sport organisierten Mitglieder in Württemberg. ...

IT-BUSINESS

IT-BUSINESS

IT-BUSINESS ist seit mehr als 25 Jahren die Fachzeitschrift für den IT-Markt Sie liefert 2-wöchentlich fundiert recherchierte Themen, praxisbezogene Fallstudien, aktuelle Hintergrundberichte aus ...