Der schwarze Tod (Hermann von Lingg)
Erzittre Welt, ich bin die Pest,
ich komm' in alle Lande
und richte mir ein großes Fest,
mein Blick ist Fieber, feuerfest
und schwarz ist mein Gewande.
...
Ich bin der große Völkertod,
ich bin das große Sterben,
Es geht vor mir die Wassernot,
ich bringe mit das teure Brot,
den Krieg tu' ich beerben.
Byzanz war eine schöne Stadt,
und blühend lag Venedig;
nun liegt das Volk wie welkes Blatt,
und wer das Laub zu sammeln hat,
wird auch der Mühe ledig.
...[3]
Das hier in Ausschnitten zitierte Gedicht von Hermann von Lingg verdeutlicht die verheerenden Folgen einer Pandemie auf die Menschheit am Beispiel der Pest. Zudem veranschaulicht es den Schrecken, den die Pest beim Menschen hinterlassen hat. Aber auch Ereignisse in neuerer Zeit zeigen, wie groß die Furcht vor einer weltweiten Infektionskrankheit ist. So versetzte im Jahr 2006 die steigende Zahl der mit Grippe infizierten Vögel die Öffentlichkeit in Angst und Schrecken und rückte die Gefahr einer weltweiten Pandemie in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.[4]
Der Begriff Pandemie leitet sich aus dem Griechischen pan (= alles) und demos (= volk) ab. Von einer Pandemie wird gesprochen, wenn eine Erkrankung Ländergrenzen überschreitet und sich weltweit ausbreitet.[5] Verursacher ist dabei ein neuartiges Virus, welches hoch ansteckend ist und sich deshalb schnell in der Bevölkerung verbreitet wird. Aufgrund der Neuartigkeit des Virus besteht in der Bevölkerung eine geringe Immunität.[6] Ein aktuelles Beispiel für eine Pandemie ist die Ausbreitung des HI-Virus, als Verursacher der AIDS-Erkrankung. 1982 wurden die ersten Fälle einer Infektion mit dem HI-Virus in den USA registriert. In der Folgezeit infizierten sich Menschen in der ganzen Welt. Da die Übertragung nicht durch den alltäglichen Umgang mit infizierten Personen erfolgen kann, breitet sich dieses Virus jedoch nur verhältnismäßig langsam aus.[7] Trotz allem haben sich seit Anfang der achtziger Jahre weltweit über 60 Millionen Menschen mit dem HI-Virus infiziert.[8] Ein Virus mit einer höheren Ansteckungsrate könnte eine noch verheerendere Auswirkung haben. Gegenwärtig wird vor allem vor dem Ausbruch einer Grippepandemie gewarnt. So befürchtet David Nabarro, der UN-Koordinator für die Vogelgrippe, dass der Ausbruch einer Grippepandemie mit mehreren Millionen Todesopfern jederzeit eintreten könnte.[9]
Die WHO geht gegenwärtig davon aus, dass die Gefahr einer Pandemie aufgrund von Influenzaviren am wahrscheinlichsten ist.[10] Aus diesem Grund soll an dieser Stelle das Entstehen einer Pandemie am Beispiel einer Infektion mit einem Grippevirus erläutert werden. Um zu verstehen, wie ein Grippevirus weltumspannend zu einer hohen Zahl von Erkrankten sowie einer hohen Sterblichkeitsrate führen kann, soll im Folgenden ein Überblick über die medizinischen Mechanismen, die zu einer Pandemie führen können, gegeben werden.
Grippeviren werden in drei Gruppen unterteilt, die man als Typ A, B und C bezeichnet. Dabei kann sich das Virus Typ B nur im Menschen vermehren, Typ C bei Menschen und Schweinen und das Influenzavirus Typ A kann sich neben Menschen und Schweinen auch bei Pferden, Vögeln und anderen im Wasser lebenden Tieren vermehren.[11] Influenzaviren des Typs A sind aufgrund dieser Eigenschaft und ihrer Fähigkeit, immer neue Varianten zu bilden, Ursprung von Pandemien. Wie sich ein Pandemievirus bilden kann, soll das folgende Szenario aufzeigen: Sollte sich ein Mensch gleichzeitig mit einem Vogelgrippevirus und einem Menschengrippevirus infizieren, besteht die Möglichkeit der Entstehung eines neuen Virusstamms. Dieser Virusstamm übernimmt von beiden Virustypen Genanteile. Der so entstandene Virus kann aufgrund der Vogelgrippeanteile ein hohes Gefahrenpotential für den Menschen haben und aufgrund der Genanteile des Menschenvirus gleichzeitig hoch ansteckend sein. Die Entstehung neuer Virusstämme durch Vermischung von Genanteilen, kann besonders durch Schweine erfolgen, weil Schweine sowohl Träger von Menschen-, als auch von Vogelviren sein können.[12]
Abbildung 1 Austausch von Grippeviren
Roche Deutschland, Grenzach-Wyhlen[13]
Der aus dem Genaustausch des Vogelgrippevirus und einem menschlichen Grippevirus entstandene Krankheitserreger, birgt zurzeit die höchste Gefahr, der mögliche Ausgangspunkt für eine Pandemie zu sein. Nachdem dieses Virus die Fähigkeit zur Übertragung von Mensch zu Mensch erlangt hat, ist mit einer weltweiten Ausbreitung der Krankheit zu rechnen.[14] Auch tragen folgende drei Gründe zur Ausbreitung der Grippeerkrankung bei:
1. Zwischen einer Infektion mit dem Virus und dem Ausbruch der Erkrankung vergehen bei einer Influenza bis zu vier Tage. In dieser Zeit ist bereits eine Ansteckung möglich, ohne dass der Überträger der Erkrankung selbst weiß, dass er bereits Virusträger ist.
2. Influenzaviren breiten sich durch die sogenannte „Tröpfcheninfektion“ aus. So werden sie aus geringer Distanz beispielsweise beim Sprechen, insbesondere aber durch Niesen, auf die Schleimhäute anderer Menschen übertragen.[15]
3. Die hohe Mobilität von Menschen ermöglicht eine schnelle weltweite Ausbreitung von Infektionskrankheiten.[16]
Aufgrund der Neuartigkeit des Virus wurde das Immunsystem des Menschen bisher mit diesem Krankheitserreger nicht konfrontiert, so dass keinerlei Abwehrmechanismen entwickelt werden konnten und mit einer hohen Erkrankungsrate gerechnet werden kann. Auch ist aus diesem Grund zu befürchten, dass der Krankheitsverlauf schwerwiegend sein wird und mit einer hohen Mortalitätsrate zu rechnen ist.[17] Eine Schutz durch Impfungen wird absehbar nicht möglich sein, weil die Entwicklung eines Grippeimpfstoffs erst dann erfolgen kann, wenn eine Identifizierung des neuen Influenzavirus erfolgt ist. Dabei ist zu beachten, dass von der Entschlüsselung des Virus bis zur Zulassung eines Impfstoffs ein Zeitraum von bis zu acht Monaten vergehen kann. Insofern muss davon ausgegangen werden, dass im ersten Jahr nach Ausbruch einer Grippepandemie ein nur sehr begrenztes Kontingent an Impfdosen zur Verfügung steht.[18] Durch das Fehlen eines Impfschutzes in der Bevölkerung sind die Möglichkeiten, die Verbreitung des Virus zu verhindern, stark eingeschränkt.
Pandemien stellen zwar ein seltenes Ereignis dar, traten aber immer wieder in der Geschichte auf. Um die Auswirkungen einer zukünftigen Pandemie abschätzen zu können, ist es lohnenswert, den Verlauf und die Auswirkungen vergangener Pandemiefälle genauer zu betrachten. Der Vergleich bisheriger Pandemien bietet die Gelegenheit, gemeinsame Faktoren abzuleiten, die eine bessere Einschätzung der Folgen einer zukünftigen Pandemie ermöglichen.
Seit dem Jahr 1700 wurden weltweit bis zu 13 Grippepandemien gezählt. Die letzten drei ereigneten sich im vergangenen 20. Jahrhundert: in den Jahren 1917/1918 die „Spanische Grippe“, 1957 die „Asiatische Grippe“ und im Jahre 1968 die „Hongkong Grippe“.[19] Die „Spanische Grippe“ ist mit vierzig bis fünfzig Millionen Todesopfern[20] ein Beispiel für eine weltweite Infektionskrankheit mit einem schweren Verlauf. Demgegenüber stehen die „Asiatische Grippe“ mit weltweit einer Million Todesopfern und die „Hongkong Grippe“ mit circa 700.000 Todesopfern[21], für Pandemien mit einem moderaten Verlauf. Die Auswirkungen von aggressiven Infektionskrankheiten in der heutigen Zeit können anhand der Folgen der Lungenkrankheit SARS aufgezeigt werden. Im Jahr 2003 erkrankten weltweit mehr als 3.000 Menschen an SARS. Hiervon verstarben mehr als 1.000 Menschen.[22] Damit erreichte SARS zwar nicht den Status einer Pandemie, jedoch waren die Konsequenzen dieser Erkrankung weltweit zu spüren und erlauben so Rückschlüsse auf die Effekte einer Krankheitswelle in der heutigen Zeit.
Spanische Grippe
Die „Spanische Grippe“ nahm im Frühjahr 1918 als Grippewelle in Europa und Asien ihren Anfang. Da die Grippe zuerst in San Sebastián, einem spanischen Feriendorf auftrat, bekam sie den Namen...