Einleitend sind einige wesentliche Definitionen und Begrifflichkeiten hinsichtlich der hier zugrunde liegenden Bedeutung und Auslegung darzulegen.
Gegenstand der Untersuchung ist die „perioperative“ Behandlungs- bzw. Betreuungsphase der Patienten. Der aus dem griechischen abzuleitende Wortteil „peri…“ ist als Synonym von „in der Umgebung von…, oder „um…herum“ zu verstehen. Somit sind alle Interventionen vor, während und nach der Operation zu berücksichtigen, die das Operationsgeschehen betreffen und sich einer professionellen (hier pflegerischen) Intervention erschließen. Die isolierte Perspektive auf die rein intraoperative Situation erscheint als zu begrenzt, da eine patientenorientierte Betrachtungsweise auch die präoperative OP-Vorbereitung und postoperative Aufwachphase in den direktem Zusammenhang mit der Operation stellt. Die perioperative Pflege beginnt somit mit der OP-Vorbereitung des Patienten und endet mit der Übergabe des Patienten an die Stationen, d.h. mit Beginn der postoperativen Rekonvaleszenz.
Der Begriff „Nicht-ärztliches Personal“ umfasst das gesamte examinierte Krankenpflegepersonal mit und ohne Fachweiterbildung für OP- oder Intensiv-/ Anästhesie- Dienst ebenso, wie Operationstechnische Assistenten (OTA) oder Anästhesietechnische Assistenten (ATA). Hinsichtlich der Tätigkeiten am Patient ist dem Autor keine formelle, ausbildungsspezifische Aufgabenteilung zwischen den Mitarbeitern mit pflegerischem oder technischem Terminus in der Berufs-bezeichnung bekannt. Infolgedessen sind die aufgestellten Kriterien patienten-orientierter Dienstleistung gleichermaßen als Maßstab für alle aufgeführten Beteiligten zu verstehen, die nachfolgend auch unter dem Begriff „Pflegende“ zusammengefasst werden.
Die hier zugrunde liegende theoretische Perspektive von Pflege, orientiert sich an dem Metaparadigma der Krankenpflege von FAWCETT, dessen relevante Phänomene sich über vier zentrale Begriffe charakterisieren lassen (s. Abb.1).
Abb.1 Phänomene der Krankenpflege n. FAWCETT (eigene Darstellung)
Der Begriff „Person“ bezeichnet das zu pflegende Individuum, wobei alle begleitenden Rezipienten der Pflege, wie beispielsweise Angehörige, einge-schlossen sind. Wichtige Bezugspersonen und objektive Lebensumstände der Person sowie die Umgebung in der Pflege stattfindet (z.B. klinische Einrichtung) werden unter dem Phänomen „Umwelt“ zusammengefasst. Mit dem Begriff „Gesundheit“ ist der individuelle gesundheitliche Status des Klienten berück-sichtigt, von völligem Wohlbefinden bis hin zur unheilbaren Krankheit. Die Definition „Pflege“ bezeichnet in diesem Zusammenhang sämtliche Aktivitäten sowie die damit verbundenen Ziele und Ergebnisse, die vom Pflegepersonal im Interesse der zu Pflegenden erfolgen. Diese Interventionen sind Bestandteil eines dynamischen Pflegeprozesses, der sich aus den Komponenten „Diagnose“ (beinhaltet die später zusätzlich definierte 5. Dimension der vorausgehenden „Ein-schätzung“), „Planung“, „Durchführung“ und „Evaluation“ zusammensetzt (vgl. FAWCETT, 1998, 18). Zusätzlich gewinnen strukturelle und prozessuale Steuerungsarbeiten an Bedeutung (BARTHOLOMEYCZIK, 2007, 138).
Die vier Phänomene stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander. So befasst sich Pflege hinsichtlich „Person“ und „Gesundheit“ mit dem Lebensprozess, dem Wohlergehen und der optimalen Funktion kranker sowie gesunder Menschen. Die Beziehung zwischen „Person“ und „Umwelt“ richtet den Fokus auf die, durch die jeweilige Umgebung determinierten, menschlichen Verhaltensmuster. Dabei sind sowohl die normalen Lebensumstände, als auch Krisensituationen ein-bezogen. Durch die Wechselwirkung zwischen „Gesundheit“ und „Pflege“, kann mittels pflegerischer Aktivitäten eine positive Veränderung des Gesundheits-zustandes erreicht werden. Aus der Verbindung zwischen „ Person“, „Umwelt“ und „Gesundheit“, lässt sich der pflegerische Praxisbereich im Bezug auf körperliche Unversehrtheit und Wohlbefinden ableiten. Die aufgeführten Aus-sagen erklären die Schwerpunkte der Pflege, ohne ein bestimmtes theoretisches Modell herauszustellen. (Vgl. FAWCETT, 1998, 18-19)
Zusammenfassend kann die Definition der American Nurses Association (ANA) von 1980 aufgeführt werden, die Pflege als „…die Diagnose und Behandlung menschlicher Reaktionen auf aktuelle oder potentielle Gesundheitsprobleme“ beschreibt (BARTHOLOMEYCZIK, 2002, 6). Im deutschsprachigen Raum wird häufig die Beeinträchtigung der Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) bzw. die eingeschränkte Selbstpflegefähigkeit zur Darstellung herangezogen. Mit dieser Spezialisierung auf Auswirkungen vorhandener Gesundheitsprobleme, grenzt sich das pflegerische Denkmodell ab gegenüber der medizinischen Perspektive, bei der die Beseitigung bestehender Funktionsstörungen im Vordergrund steht. Die Pflegewissenschaft bedient sich einer breiten Palette an Bezugswissenschaften. Im Vordergrund stehen sozial- und geisteswissenschaftliche Gebiete, wie beispiels-weise die Soziologie, Psychologie oder Pädagogik, welche sich auch der qualitativen Methodologie, d.h. der beschreibenden Sichtweise (vgl. FLICK, 2001, SB1, 34), bedienen. Die wissenschaftlich- klassifikatorisch ausgerichteten Naturwissenschaften (vgl. REMMERS/FRIESACHER, 2000, 17) haben ebenfalls ihre Bedeutung, sind aber aufgrund des pflegerischen Fokus auf die zwischen-menschliche Interaktion erst an zweiter Stelle zu nennen. (Vgl. BARTHOLO-MEYCZIK, 2002, 6-8).
Das professionelle Pflegehandeln ist eine Dienstleistung. Es beinhaltet sämtliche charakterisierenden Merkmale. Pflege ist immateriell und nicht lager- oder trans-portfähig. Die Produktion erfolgt mit persönlichem Kontakt, im Augenblick der Nachfragekonsumtion (Uno-actu- Prinzip), wodurch weder die vorherige Prüfung, noch eine Rücknahme des Produkts bei schlechter Ausführung möglich ist. Ein Patient ist zusätzlich als Co-Produzent der Leistung einzubeziehen, da seine Kooperationsbereitschaft ebenso über die Dienstleistungsqualität entscheidet, wie seine subjektive Wahrnehmung. (Vgl. FALK, J., 2002, 9-12) Der Dienstleister muss daher die Kundenerwartungen kennen. Als Beispiel konkreter Patientener-wartungen an das Krankenhaus, können die Ergebnisse des PICKER INSTITUTE dienen (s. Abb.2), die durch rund 6.500 Interviews mit Patienten aus mehr als 60 Krankenhäusern in den USA und Europa erhoben wurden und deren Übertrag-barkeit von RUPRECHT nachgewiesen wurde (vgl. FALK, J., 2002, 23-24; RUPRECHT, 2004, 8).
Abb.2 Patientenerwartungen aus Untersuchung des PICKER INSTITUTE (eigene Darstellung)
In der Zusammenfassung führen die in Abbildung 2 aufgeführten Forderungen zu einer Leitidee, die den Patienten in den Mittelpunkt des Handels stellt. Die Leitlinien vieler Krankenhäuser enthalten Zielvorgaben in dieser, oder ähnlicher Form (s. Kapitel 1.1). Das damit formulierte Angebot im Sinne eines „Customer Care Managements“, d.h. die aktive und konsequente Sorge um den Kunden „Patient“ (vgl. FALK, J., 2002, 21), entspricht somit auch dem Großteil der Nachfrage. Die aus dem vorgestellten Paradigma der Pflege hervorgehenden pflegerischen Handlungsfelder (s. Kapitel 2.1.3), bedienen im Rahmen ihrer ganz-heitlichen Interaktion mit dem Patienten diese Erwartungen, d.h. professionelle Pflege und patientenorientierte Dienstleistung sind als Kontinuum zu verstehen.
Die Verwirklichung von patientenorientierter Dienstleistung beinhaltet unter-schiedliche Dimensionen. Zum einen ist das Management aufgefordert, die organisatorischen Strukturen und Prozesse grundsätzlich auf dieses Ziel hin auszurichten. Dabei sind zunächst die konkreten Erwartungen und Probleme der Patienten („Person“ und „Gesundheit“) im Hinblick auf die jeweilige Ver-sorgungssituation („Umwelt“) zu sammeln, um daraus zielgerichtete Inter-ventionen („Pflege“) planen und formulieren zu können. Nach deren Durch-führung ist das erreichte Ausmaß der Zielerreichung zu prüfen. Aus den Ergebnissen leiten sich abschließend Handlungen ab, die eine kontinuierliche Verbesserung der Prozesse erreichen sollen. Dieser allgemeine, aus der Qualitätssicherung als PDCA- Zyklus (Plan-Do-Check-Act) bekannte Ansatz zur Prozessoptimierung, zeigt deutliche Parallelen zum Pflegeprozess (s. Kapitel 2.1.3). (Vgl. FALK, J., 2002, 8, 14) In der planerischen Ausgestaltung der operativen Ziele liegt bei entsprechender Transparenz und Zielerreichung eine Möglichkeit zur Positionierung am Markt. Dienstleistungen müssen aufgrund ihrer Immaterialität als einzigartig und unverwechselbar gegenüber anderen Anbietern wahrnehmbar sein. Der Alleinstellungsanspruch („Unique Selling Proposition“, USP) markiert den Wettbewerbsvorteil des Krankenhauses für seine Kunden (vgl. FALK, J., 2002, 25). Ein Beispiel dafür sind die in vielen Kliniken üblichen...