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E-Book

Paul Claudel in der Kunst seiner Schwester Camille Claudel

AutorChristine Engelke
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl41 Seiten
ISBN9783956845994
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Wenn der Name der Bildhauerin Camille Claudel fällt, dann meist in Verbindung mit den Männern, die sie umgaben - Auguste Rodin, ihr Lehrer und Geliebter, Louise-Prosper Claudel, ihr Vater, der auch als ihr Mäzen fungierte, und schließlich Paul Claudel, ihr Bruder, der bekannte Diplomat und Dichter. Auch wenn lange behauptet wurde, Camille habe die Flamme des Genies in Paul entzündet und die Gewissheit ihrer beider Bestimmung sei das Ergebnis ständigen Miteinander-Wetteiferns gewesen, so wird Pauls künstlerisches Schaffen das Andenken seiner Schwester lange überschatten. Zwischen 1881 und 1910 verewigt Camille Claudel ihren Bruder in fünf Büsten - die größte Büstengruppe, die sie von einer Einzelperson schafft. Welches Bild wird von Paul in den Werken vermittelt? Inwieweit wirkt das Geschwisterverhältnis, die Nähe und auch Distanz auf die Darstellungen ein? Werksbeschreibungen, biographische Angaben und Zitate aus Briefen tragen dazu bei ein umfassendes Bild der Beziehung zu liefern. Kurze Exkurse zur antiken Büste oder der Mythologie vervollständigen dies. Neben der kunsthistorischen Analyse werden auch soziologische, literarische und kulturgeschichtliche Ansätze berücksichtigt.

Christine Engelke, B.A., wurde 1989 in Essen geboren. Ihr Studium der Anglistik und Kunstgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum schloss die Autorin im Jahre 2008 mit dem akademischen Grad des Bachelor of Arts erfolgreich ab. Seitdem studiert sie Modern

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 2, Die Geschwisterbeziehung und ihre künstlerische Umsetzung: In der soziopsychologischen Fachliteratur werden Geschwisterbeziehungen im Allgemeinen wie folgt beschrieben: 'Die Beziehung zwischen Geschwistern gehören zu den intensivsten und längsten Beziehungen in unserem Leben. Die meisten Geschwister fühlen sich auf eine selbstverständliche Weise zusammengehörig und miteinander verbunden. Anders als bei Freundschaften oder Paarbeziehungen kommt es nur selten vor, dass Beziehungen zwischen Geschwistern abgebrochen werden. Und selbst wenn Geschwister dies versuchen, besteht ihre Beziehung unterirdisch weiter und wirkt sich auf ihr Leben aus. Brüder und Schwestern beeinflussen sich gegenseitig in ihrer Entwicklung und stehen sich zugleich mit ambivalenten Gefühlen gegenüber: Einerseits sind sie einander innige Vertraute und manchmal bewunderte Vorbilder, andererseits oft auch eifersüchtige und erbitterte Rivalen'. Bei den Kindern des Ehepaars Louis-Prosper und Louise-Athenaise Cerveaux treffen die hier beschriebenen Beziehungsmuster nur teilweise zu. Während Camille und ihr vier Jahre jüngerer Bruder Paul eine fürsorgliche, jedoch zum Teil aber auch rivalisierende Beziehung führen, wird ihre Schwester Louise scheinbar außen vorgelassen. Sie ist das häuslichste der Geschwister und teilt die Lebensvorstellungen ihrer Mutter. Es lohnt sich daher auch nicht, sie in dieser Arbeit zu berücksichtigen. Als Erstgeborene nimmt Camille eine dominante und leistungsorientierte Rolle ein. Camille muss auf Paul aufpassen, ihn beschützen und Verantwortung für ihn übernehmen. Er blickt im Gegenzug jedoch zu ihr auf, schützt und liebt sie und lernt auch seinerseits, Gefälligkeiten zu erweisen. 'Camille spannte ihren Bruder, kaum dass er laufen konnte, für ihre Leidenschaften ein. Paul musste für seine Schwester Steine und Hölzer anschleppen. Und sie nahm ihn mit, wenn sie sich draußen in der Formwelt der Felsen einlebte, jeden erreichbaren Stein durch ihre Hände führte und mit den Steinen sprach'. Die konventionelle Vorstellung der Beziehung von Mann und Frau wird in diesem Geschwisterverhältnis umgekehrt und lässt Camille damit unabhängig und stark werden. Paul hingegen entwickelt zunächst ein mangelndes Selbstvertrauen, 'Paul hat Angst vor seiner älteren Schwester. Er fürchtet ihre Urteile. Verglichen mit ihr wirkt er schwach und sanft. Für sie bleibt er der kleine Bruder; sein Hochschulstudium, sein Wissen, seine Diplome schüchtern sie in keiner Weise ein'. Seitens Pauls entwickeln sich ambivalente Gefühle für seine Schwester. Er genießt ihre Zuneigung und hegt Bewunderung für sie, allerdings nimmt er auch deutlich wahr, dass ihre Beziehung sich dem sittengerechte Rollenbild von Mann und Frau entzieht. Selbst später wird er dies noch in seinem Stück Goldhaupt von 1889 thematisieren, 'Ist das Weib in seinem Hauswesen Abbild des glühenden Verzichts, unterweist es in gutem Willen;/ Wie einstmals die Magd des Hauses, wird sie nun Gottes Magd'. Camille ihrerseits hegt keine gespaltenen Gefühle für Paul. Sie konzentriert sich voll und ganz auf ihre künstlerische Laufbahn und ist weniger auf die Bestätigung von außen angewiesen. Sie nimmt Paul in diesem Zusammenhang überhaupt nicht als Konkurrenten wahr; er ist der kleine Bruder - manchmal lästig und hinderlich, immer aber von ihr geliebt und respektiert. Die enge Geschwisterbindung wird durch das distanzierte Verhalten der Mutter zusätzlich bestärkt. Dominique Bona geht sogar so weit zu behaupten, dass sich bei Paul die Fixierung auf die Mutter in Form einer Fixierung auf die Schwester vollzogen habe, die zumindest bis zur Reife, den ersten Platz in seinem Herzen einnimmt. Es ist nicht die mangelnde Liebe, welche der Mutter den herzlichen Umgang mit ihren Kindern verbietet, vielmehr bestimmt Konformität ihr Verhalten. Vom Pflichtgefühl geleitet, übt sie die traditionelle Rolle in Haushaltsführung und Mutterfunktion aus und vermittelt sittenstrenge Lebensregeln. Ihre Tochter Camille passt nicht in dieses Bild, wodurch zahlreiche Konflikte entstehen, die bis zum Tod von Louise-Athenaise Cerveaux reichen werden. Die Mutter wird ihr die Beziehung zu Rodin nicht verzeihen. In einem Brief an Camille schreibt sie: 'Und ich war naive genug, den großen Mann mit Mme Rodin, seiner Konkubine, nach Villeneuve einzuladen! Und Du spielst das Unschuldslamm, lebst mit ihm und ließt Dich von ihm aushalten'. Auch sonst erinnert sich niemand aus der Familie an ein harmonisches Zusammenleben. Zwist, Streitigkeiten und Wutausbrüche beherrschen das Haus. Paul Claudel verglich die Stimmung in Villeneuve mit jener in Emily Brontës Roman Sturmhöhe von 1847: 'Im Haus wütete der Sturm, jeder stritt mit jedem in dieser Familie'. Auch Camille war von Natur sehr aufbrausend, 'lediglich zwischen Camille und Paul [schien] es eine Art von Harmonie gegeben zu haben; dies aber offenbar nur, weil er ihrer Herrschsucht nichts entgegenzusetzen hatte'. Damit gehen die Kinder zunächst vor allem ein komplizenhaftes und solidarisches Bündnis gegenüber den Eltern ein. Diese enge Verbindung findet ihren Ausdruck in den Büsten, die Camille von ihrem Bruder anfertigt. Der catalogue raisonée führt sechs Werke für die Zeit von 1881 bis 1910 auf, in denen Camille ihren Bruder portraitiert. Bei fünf davon handelt es sich um plastische Werke, genauer Büsten (Abb. 2-6), eines ist eine Buntstiftzeichnung aus dem Jahre 1888. Zunächst stellt sich die Frage, warum es sich bei allen Skulpturen ihres Bruders um Büsten und nicht um Vollplastiken handelt. Die Büste erscheint heute als ein gängiges Sujet, dennoch muss bedacht werden, dass es sich dabei um eine Fragmentierung handelt, die durch ihre Verringerung eine neue Aussagekraft bekommt. Wie Sacha Guitry in Ceux de chez nous so scherzhaft sagt: '[...] gewöhnliche Menschen finden es außergewöhnlich, dass man einen Körper ohne Kopf ausstellt, während sie es absolut natürlich finden, dass man einen Kopf ohne Körper ausstellt, d.h. eine Büste. Eine Büste ist überhaupt nichts Aussergewöhnliches, und es wird registriert, <wie lebendig sie doch ist>, obgleich es ebenso unmöglich ist, ohne Körper zu leben, wie ohne Kopf zu existieren'. Die Büste ist die plastische Darstellung des menschlichen Oberkörpers. Sie besteht aus Kopf, Hals und oberem Teil der Brust, vielfach ohne Arme. Seit der römischen Antike dient sie vor allem der Porträtdarstellung. Als Portrait verleiht sie dem Portraitierten eine Art künstliche Langlebigkeit und Allgegenwart. Kopf und Gesicht werden zum unangefochtenen Zentrum der Darstellung. Büsten dienten traditionell der Memoria und Repräsentation herausragender Persönlichkeiten, Angehörigen sozialer oder ethisch-religiöser Eliten, von deren virtus und Verdiensten sie kündeten. Dabei kann das Portrait auch Charakteristika anderer Person vermitteln, wie die Verwandtschaft mit einem göttlichen oder heroisierten Wesen. Es wird nicht nur das tatsächliche, sondern auch das erwünschte Aussehen festgehalten. Gerade im 19. Jahrhundert galt das Portrait als 'Quintessenz und Maßstab künstlerischen Könnens'. Ziel war es nicht nur körperliche Merkmale mit größtmöglicher Ähnlichkeit darzustellen; die Gesichtszüge sollten zugleich die ganze ethische und psychische Persönlichkeit des Dargestellten wiederspiegeln. Die Akzentuierung des Gesichts hebt die Individualität der Person hervor. Der Statuenkörper ist austauschbar und meist ohne Gehalt. Besonders für Paul als Dichter, Diplomat und Denker scheint dieses Sujet angemessen, da es auf seinen Geist und weniger auf seinen Körperbau verweist - alles ist auf den Kopf konzentriert, den Ort des Denkens und der Inspiration.
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