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Persönliche Zukunftsplanung. Ein personenzentriertes Konzept mit Zukunft?

Ein Diskurs zur 'Persönlichen Zukunftsplanung' als mögliches Initial zu einem veränderten Selbstverständnis in der Heilpädagogik unter dem Blickwinkel von Inklusion und Empowerment

AutorManfred Felder, Silke Gaube
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl101 Seiten
ISBN9783656618416
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Pädagogik - Heilpädagogik, Sonderpädagogik, Note: 1,0, Fachhochschule der Diakonie GmbH, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Persönliche Zukunftsplanung (PZP) tritt mit dem hohen Anspruch auf, ein neuer Weg zur Selbstbestimmung und Inklusion zu sein. Dabei verfolgt sie zwei Ziele: Primäres Ziel der PZP ist es, die persönlichen Zukunftserwartungen eines Menschen in Bezug auf ein oder mehrere individuelle Lebensziele hin zu erfassen und ihm die nötige Assistenz zur eigenständigen Planung und Umsetzung anzubieten; Die sekundäre Zielsetzung des Konzeptes ist es, eine Anfrage an die Gesellschaft und an die Institutionen der Behindertenhilfe darzustellen und auf diese verändernd einzuwirken.

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Leseprobe

2. Herkunft und Entwicklung des „PZP“ - Konzeptes


 

Mitte bis Ende der 90er Jahre wurde die „PZP“ in Deutschland zunächst von Susanne Göbel[5] und Stefan Doose bekannt gemacht. „Den Begriff Persönliche Zukunftsplanung führt Stefan Doose in die deutschsprachige Diskussion ein (Emrich, 2004, Fußnote 1) . In den folgenden Jahren trugen neben diesen beiden Personen auch Carolin Emrich, Ines Boban, Andreas Hinz und Oliver Koenig maßgeblich zur Verbreitung des Konzepts in Deutschland bei. Die „PZP“ versteht sich als Konzept und Handwerkszeug der konkreten Zukunftsplanung für jeden Menschen. Sie macht dabei keinen Unterschied zwischen Menschen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf und Menschen, die eines Solchen nicht bedürfen (Emrich, 2009, S. 7-8). Ihre häufigste Anwendung und Verbreitung findet sie jedoch im Kontext des Menschen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf. Erkennbar wird dies daran, dass bezüglich der Anwendung der „PZP“ in Veröffentlichungen, die das Konzept im deutschsprachigen Raum vorstellen und etablieren möchten, von den Vertretern der „PZP“ auf eine Anwendung von Menschen mit Behinderung fokussiert wird. „Persönliche Zukunftsplanung versteht sich als ein Ansatz, der prinzipiell für alle Menschen hilfreich sein kann, die über Veränderungen in ihrem Leben nachdenken und konkrete Schritte realisieren möchten. Und dennoch kann er - gerade im Wissen darum, dass Selbstbestimmung und Wahlmöglichkeiten noch immer Privilegcharakter tragen - für Menschen mit Beeinträchtigungen in besondererWeise relevant sein“ (Emrich, 2004, S. 2).

 

„Persönliche Zukunftsplanung - gerade und besonders eine Idee für behinderte Menschen, denen nicht zugetraut wird, für sich selbst entscheiden zu können“ (Göbel, Strobel, 2005, S. 3).

 

„Als Unterstützer behinderter Menschen ... werden Sie wahrscheinlich in dem Instrumentenset zur Persönlichen Zukunftsplanung als erstes nach diesem Handbuch greifen“ (Emrich; Gromann und Niehoff, 2009, Handbuch S. 3).

Auch Verbände von Menschen mit Behinderung bzw. Menschen mit Lernschwierigkeiten[6], wie zum Beispiel „Mensch zuerst“, sind an der Etablierung der Persönlichen Zukunftsplanung als personenzentriertes Konzept beteiligt und fokussieren ähnlich:

 

„Mit der Persönlichen Zukunftsplanung werden behinderte Menschen, aber auch Gruppen oder Einrichtungen beraten und unterstützt, etwas anders zu machen“ (Göthling, 2012, o. S.).

 

Außerdem wird der exponierte Anwendungsbereich der „PZP“ bei Menschen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf deutlich, wenn man die Herkunft des Konzeptes betrachtet. Die Ursprünge des Konzeptes entwickelten sich in den USA und in Kanada. Sie lassen sich im Kontext der „Empowerment - Bewegung“ identifizieren, welche sich in den 50er, 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts als Bürgerrechtsbewegung farbiger Menschen formierte (vgl. Theunissen, 2002, S. 15).

 

„Ein grundlegender Unterschied zu Deutschland ist, daß die USA auf eine lange Tradition von Bürgerrechtsbewegungen zurückblicken, in denen sich diskriminierte Gruppen zusammenschlossen und erfolgreich für Veränderungen kämpften“ (Hermes, 1998, S. 20). „Insbesondere Frauen und schwarze Bürgerinnen kämpften um Chancengleichheit und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“ (Nabben, in Hermes, 1998, S. 29).

 

Das daraus weiter entwickelte „Empowermentkonzept“ vertritt die Idee: „dass einzelne Menschen als auch Gruppen in benachteiligenden und schwierigen Situationen mit Hilfe ihrer eigenen Stärken, auf der Grundlage gleicher Rechte, ihr Leben selbstbestimmend in die eigene Hand nehmen können“ (Weiß, 2000; zitierte nach Meyer, 2002, S. 7), das heißt, zu einer selbstbestimmten persönlichen Lebensform und zu gleichberechtigter gesellschaftlicher Teilhabe zu gelangen. Das gleiche Ziel verfolgt die „PZP“ letztlich auch.

 

Die „Persönliche Zukunftsplanung“ soll Menschen mit Behinderungen den Schritt in ein selbstbestimmtes und inklusives Leben ermöglichen. Bezüglich der Verödung der „PZP“ ist es interessant, dass Doose in seiner Publikation zur „PZP“ eine Verbindung zum Anliegen Martin Luther King s und der vom ihm mitgetragenen Menschenrechtsbewegung herstellt.

 

I have a dream' lautet der Titel der Rede, mit der Martin Luther King in den USA gegen die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe protestierte Diese Vision sollte auch unser Leitbild in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung sein“ (Doose, 2011, S. 6). So scheint der Titel „I want my dream“ von Dooses Publikation, in der es explizit um persönliche Zukunftsplanung, das heißt, um die konkrete Umsetzung von persönlichen Lebensträumen geht, die logische und programmatische Konsequenz auf Martin Luther King's „I have a dream“ zu sein. Folgt man dieser Akzentuierung Dooses von „I have a dream“ zu „I want my dream“ in Verbindung mit den Leistungen der Menschenrechtsbewegung Martin Luther King's, erhält die „PZP“, die sich zunächst als Konzept und methodisches Handwerkszeug der konkreten Zukunftsplanung für Menschen versteht, darüber hinaus eine starke (sozial-) politische Dimension.

 

Weitere Verwandtschaftsbeziehungen der „PZP“ im Bereich der methodischen Konzeption lassen sich zu den in den 1980er Jahren im angloamerikanischen Raum entwickelten Ansätzen des personenzentrierten Ansatzes und personenzentrierten Planens (per- son-centered planning) finden (Emrich, Gromann, Niehoff, 2009, S. 70-71).

 

Als wesentliche Personen, die den personenzentrierten Ansatz entwickelt haben und die in Veröffentlichungen der Vertreter zur „PZP“ immer wieder angeführt werden, sind Marsha Forest, Jack Pearpoint, John 0‘Brien, Connie Lyle 0‘Brien, Beth Mount, Michael Smull, Judith Snow und Helen Sanderson zu nennen. Aus deren Konzepten zum personenzentrierten Arbeiten, insbesondere von Helen Sanderson, wurden wesentliche Impulse und Methoden in die Methodik der „PZP“ adaptiert (vgl. Sanderson, Methodenbuch, 2010).

 

Carolin Emrich fasst die methodischen Wurzeln der „PZP“, die in der deutschsprachigen Literatur unter dem personenzentrierten Ansatz bekannt geworden sind, folgendermaßen zusammen: „Die us-amerikanische und kanadische Originalliteratur bezeichnet den Ansatz als Person Centered Planning' und fasst unter dieser übergeordneten Kategorie verschiedene personenzentrierte Planungskonzepte wie beispielsweise Personal Futures Planning (Mount, Zwernik), Lifestyle Planning (O'Brien), Preference-Based Planning (Curtis, Dezelsky), MAPS und PATH (Falvey, Forest, Pearpoint, Rosenberg; Pearpoint, Forest) zusammen“ (Emrich, 2004, Fußnote 1).

 

Wichtig zum Verständnis, wie die Vertreter der „PZP“, z.B. Stefan Doose, das Konzept in Bezug zu dem etablierten deutschen Unterstützungs- bzw. Hilfeleistungsangebot (Behindertenhilfe) verstehen, ist es zu wissen, dass die personenzentrierten Ansätze im Kontext des „essential lifestyle planning“ oder „person-centered plannings“ aufgrund nicht vorhandener staatlicher Hilfeleistungen entstanden sind. Ausgangspunkt war ein Fehlen von Unterstützungsleistungen. So sind zum Beispiel in den USA umfassende staatliche Hilfeinstitutionen, wie sie aus der deutschen „Behindertenhilfe“ bekannt sind, fast vollständig unbekannt. Daher formierten sich dort zunächst Privatpersonen meist ohne fachliche Profession, Eltern und Selbsthilfegruppen zum Ausgangspunkt der personenzentrierten Konzepte. Die personenzentrierten Ansätze wurden von den von Behinderung betroffenen Menschen selbst und deren Angehörigen und / oder Freunden entwickelt. Als solche haben sie sich neben und als Alternative zu staatlichen oder professionellen Unterstützungsangeboten entwickelt und eine durchaus „institutionskritische“ Haltung angenommen.

 

„Judith Snow ist eine Frau mit einer komplexen Behinderung, die unter anderem zur Folge hat, dass sie bloß die Hand bewegen kann. [...] Judith Snow war, meines Wissens, danach hier einer der ersten Personen mit so hohem Unterstützerbedarf, die mit Assistenz in einer eigenen Wohnung gelebt hat. Das heißt der Ursprung von PZP war das sich Leute zusammengetan haben, weil das Hilfesystem nicht das bot was sie eigentlich von ihm erwartet haben." (Doose, Interview, 2013, Beispiel Judith Snow[7], Min.: 14.50- 16.00, Anhang D).

 

Diese institutionsdistanzierte bis institutionskritische Haltung ist den Vertretern der „PZP“ immer noch sehr wichtig. So sprechen sie sich z.B. sehr deutlich dafür aus, dass „PZP“ in Reinkultur in Institutionen nicht durchführbar ist.

 

„Persönliche Zukunftsplanung in Reinkultur ist in Institutionen oder größeren Einrichtungen der Behindertenhilfe nicht durchführbar und aus der Entwicklung heraus auch nicht so gedacht“ (Emrich, 2013, Interview, S. 1, Anhang E).

 

„Personenzentrierte Planung versteht sich dabei als ein aus der Praxis entstandenes und für die konkrete Praxis entwickeltes Konzept, das neben theoretischen Grundüberlegungen konkrete Planungshilfen umfasst“ (Emrich, Gromann, Niehoff, 2009, S. 71).

 

Sehr deutlich geht aus diesen Aussagen hervor, dass die Vertreter der „PZP“ diese als ein Instrument in und aus der Praxis von direkt von Behinderung betroffen Menschen verortet sehen. „PZP“ ist also im Verständnis der Vertreter in erster Linie ein...

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