Bei der Tiergestützten Intervention werden Mensch und Tier zusammengeführt und es kommt zu einem Kontakt. Dieser, in der Regel direkte Kontakt, wird je nach dem erwünschten Ziel mehr oder weniger zielgerichtet ausgeführt. Wichtige allgemeine Rahmenbedingungen für diesen Kontakt sind:
- Der Kontakt mit dem Tier ist vom Klienten gewünscht
- ein geschützter Rahmen mit einer angenehmen Atmosphäre ist gegeben
- ein artgerechter Umgang mit dem Tier
- die Sicherheit aller Beteiligten ist vorrangig
- Das Tier ist soweit geschult, dass es mit seiner Aufmerksamkeit bei seinem Besitzer bleibt und in Stresssituationen ihm ausreichend vertraut
- Verantwortungsbewusstes und geschultes Fachpersonal bzw. einen Tierhalter mit Klarheit, Souveränität und Entschlossenheit (vgl. Vernooij 2010 S. 99)
Allgemein geht von Tieren eine positive, fördernde und heilsame Wirkung aus. (vgl. Heydecke 2012, S. 20f.) Der Kontakt mit dem Tier löst Impulse aus, die dem Menschen auf körperlicher, seelischer, geistiger und sozialer Ebene helfen sowie heilende Prozesse in Gang setzen können. Voraussetzung dafür ist, dass der Klient ist zu einer Begegnung mit dem Tier bereit. (vgl. Otterstedt 2003, S.61)
Im anglo-amerikanischen Raum haben die Tiergestützten Interventionen verstärkter Forschung erfahren als im deutschsprachigen Raum. Es gibt zwei offiziell anerkannte Formen. Zum einen die Animal-Assisted-Activities (AAA) und zum anderen die Animal-Assisted-Therapy (AAT). Die Unterscheidung liegt in der Ausrichtung. Die AAA ist eine unterstützende Intervention mit Hilfe des Tieres und die AAT eine Behandlung mit dem Tier als integraler Bestandteil der Therapie. (vgl. Vernooij 2010, S. 33) In Deutschland gibt es leider keine einheitliche Nutzung der Begrifflichkeiten. Vernooij schlägt folgende Begrifflichkeiten für tiergestützte Interventionen vor:
1. Tiergestützte Aktivität
2. Tiergestützte Förderung
3. Tiergestützte Pädagogik
4. Tiergestützte Therapie
Die Zielsetzungen, der zeitliche Rahmen, die Dokumentations- und Kontrollpflicht sowie die Qualifikation der Durchführenden steigen von der Aktivität bis zur Therapie an. (vgl. Vernooij 2010, S. 26 ff)
Zu 1.: Tiergestützte Aktivitäten sprechen Menschen jeden Alters an. Die Zielsetzung ist in erster Linie die Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens und der Lebensqualität. In der Regel führen diese Arbeit Laien oder Ehrenamtliche aus. Dokumentationen finden keine statt. Es handelt sich eher um sporadische Arbeit, wie zum Bespiel bei Tierbesuchsdiensten im Krankenhaus oder im Altenheim.
Zu 2.: Tiergestützte Förderung ist für junge Kinder, Kinder mit Beeinträchtigungen und für Menschen in der Rehabilitation geeignet. Allgemeine Entwicklungsfortschritte, wie die Förderung der eigenen Ressourcen, sind hierbei die Zielsetzungen. Der Durchführende[2] ist eine Person mit unterschiedlichen Qualifikationen. Die Tiere sollten in dem Aufgabenbereich bereits trainiert sein. Eine Dokumentation ist ratsam, denn es handelt sich um ein mehrmals durchgeführtes Angebot.
Zu 3.: Tiergestützte Pädagogik ist ausgelegt für Kinder und Jugendliche mit Auffälligkeiten im emotionalen und sozialen Bereich. Es wird ein Lernfortschritt im sozio-emotionalen Bereich angestrebt. In dieser Angebotsform werden Ziele formuliert. Daher ist auch eine Dokumentation wichtig. Das Angebot sollte regelmäßig über einen längeren Zeitraum stattfinden. Die eingesetzten Tiere sind speziell ausgebildet. Der Durchführende ist eine Fachkraft aus dem (sonder-) pädagogischen Bereich.
Zu 4.: Tiergestützte Therapie ist geeignet für Menschen mit psycho-physischer Störung und oder mit Erkrankungen die therapeutische Behandlung benötigen. Zielsetzung ist in der Regel eine Stärkung der Lebensgestaltungskompetenz. Es finden regelmäßige Sitzungen über einen längeren Zeitraum statt. Die Zielformulierung macht eine Dokumentation unabdingbar, um den Fortschritt zu protokollieren sowie für den Austausch mit anderen involvierten Institutionen oder Ärzten. Die durchführenden Personen sind ausgebildete Therapeuten und die eingesetzten Tiere sind entsprechend trainiert. (vgl. Vernooij 2010 S. 46f.)
Tiere haben unterschiedliche Wirkweisen und Rollen auf den Klienten. In erster Instanz kann es als Übergangsobjekt und als Motivator fungieren.
Übergangsobjekt: Wichtiger Faktor in der Tiergestützten Intervention ist die Brückenfunktion des Tieres zwischen Klient und Ausführenden. Kupper-Heilmann nennt diesen Faktor die „Eisbrecher - Funktion“. (vgl. Kupper-Heilmann 1999, S.11) Gerade bei der Arbeit mit Kindern kommt dieser Faktor zum Tragen, denn Kinder werden durch den Erwachsenen in die Einrichtung geschickt und tun sich aufgrund dessen schwer mit der Kontaktaufnahme zum Ausführenden. Hinzu kommt oft eine Scheu gegenüber dem Fremden. Beides wird durch die bloße Anwesenheit eines Tieres aufgelockert. Sei es über die Ausstrahlung eines schlafenden Hundes im Raum oder ein schnaubendes Pferd, beides kann beruhigend wirken. Tiere eignen sich schnell als Gesprächseinstieg, was ein Gefühl von Gleichgesinnten vermittelt, aufgrund gleicher Interessen[3]. (vgl. Vernooij 2010, S.148f) Oder das Kind nimmt direkt Kontakt zum Tier auf. Der Wunsch nach Kontakt zum Tier ist natürlich. Seit Beginn der Menschheit wird der Mensch vom Tier begleitet. Die Rolle des Tieres hat sich über die Jahrhunderte vom Nutztier hin zum Haustier verändert. Geblieben ist zweifelsohne der Beziehungsaspekt zwischen Mensch und Tier. Kulturantrophologen aller Völker der Erde sehen, dass Menschen Tiere zum Zwecke von Freude und als Beziehungspartner halten.[4] (vgl. Gebhard 2009, S. 130) Die menschliche Sehnsucht nach Wärme, Zärtlichkeit und Nähe unterstützt den Prozess der Kontaktaufnahme. Konrad Lorenz sieht im Wunsch nach der Bindung zu einem Tier den Wunsch der Bindung zur Natur (vgl. Gebhard 2009, S. 130) Erst mal kann die Kontaktaufnahme vom Kind zum Anbietenden überwiegend indirekt bleiben. Es entsteht eine Annährung durch gemeinsames Spiel oder Pflegen des Tieres. Der Anbietende dient als Mittler zwischen Kind und Tier, da dieser mehr Erfahrungen im Umgang mit dem Tier hat, sucht das Kind in ihm Hilfestellung im Umgang mit dem Tier. Die weitere Entwicklung geht dann zu einem direkten Kontakt mit dem Anbietenden über. Das ist nicht gleichbedeutend damit, dass das Tier im Verlauf „entfernt“ werden muss. Vielmehr erhält es, im Verlauf der Stunden über einen längeren Zeitraum unterschiedliche Rollen. (vgl. Vernooij 2010, S. 148)
Motivationsobjekt: Das Tier wirkt in der Mehrzahl aller Fälle als Motivationsobjekt auf den Klienten, da es einen hohen Aufforderungscharakter hat. Das kann den Einstieg in die Intervention erleichtern und die Motivation dran zu bleiben stärken. Tiere können dadurch auch gezielt für das Erlernen bestimmter Verhaltensweisen oder der Aktivierung von individuellen Ressourcen des Klienten eingesetzt werden. (vgl. Vernooij 2010, S. 148) Zum Beispiel bei der Delfintherapie von D. David Nathanson wird das Tier als positiver „Verstärker“ eingesetzt. Das bedeutet, hat das Kind etwas positiv gelöst, kommt es zu einem Tierkontakt. (vgl. Trompisch 2005, S.22).
Auf tieferen Ebenen wirkt die Tiergestützten Intervention auf mentaler Ebene, auf körperliche, soziale und psychologische Prozesse, durch seelische und körperliche Aktivierung von Heilungskräften, ein (vgl. Gebhard 2009 S. 164). Die Beziehung zu einem Tier spricht nach Beetz tiefe Persönlichkeitsschichten an. Damit kommt es zu einer Integration von intuitiven, emotionalen und reflexiven Prozessen. (vgl. Beetz 2003, S. 77) Dabei ist es nicht allein das Tier, welches Prozesse in Gang setzt, sondern der Dialog und die Begegnung mit ihm. (vgl. Otterstedt 2003, S.61) Levinson sieht das Tier als einen Katalysator für menschliche Beziehungen. Er begründet dieses damit, dass auf Haustiere unbewusste seelische Anteile übertragen werden können, die eigentlich Menschen gelten. Das Tier wird zum Projektionsobjekt. Die Tiere reagieren darauf nicht menschlich. Ihre Rückmeldung ist nicht wertend, somit können spielerisch menschliche Beziehungen wiederholt, aufgearbeitet und transformiert werden, da Kinder mit weniger Angst ihre eigene Authentizität leben und zeigen können. (vgl. Gebhard 2009 S. 165 und Olbrich 2012, S. 30) Die Begegnung zwischen Mensch und Tier ist die, die insbesondere bei Kindern neue Bindungserfahrungen hervorrufen kann. Ein vertrauensvoller Kontakt zu einem Tier kann emotionale Blockaden lösen. Auch hier liegt die Chance, dass positive Beziehungserfahrungen mit dem Tier auf menschliche Beziehungen übertragen...