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Platte machen

Ursachen von Wohnungslosigkeit und die Darstellung der Lebenswelten wohnungsloser Menschen

AutorJens Gattringer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl120 Seiten
ISBN9783638049856
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,7, Evangelische Hochschule Darmstadt, ehem. Evangelische Fachhochschule Darmstadt, 44 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Armut gehört heute noch zu den größten ungelösten Problemen in der Gesellschaft. Auch in den wohlhabenden Wohlfahrtsstaaten ist soziale Mindestsicherung nicht für jeden Menschen selbstverständlich und eine gesellschaftliche Ausgrenzung existent. Armut und Reichtum stehen in Kausalität zueinander und beides wird vom Menschen, eingebettet in gesellschaftlichen Strukturen, hervorgerufen. U.a. kann Armut nach dem so genannten Lebenslagenkonzept gemessen werden. Wohlergehen und Zurechtkommen mit entsprechenden materiellen und immateriellen Ressourcen, nach subjektivem Urteil der Betroffenen in ihren individuellen Lebenssituationen, stehen im Vordergrund. So sind z.B. manche Menschen in den Bereichen Arbeit, Gesundheit, Bildung oder Wohnen benachteiligt bzw. ganz ausgeschlossen. Hiermit wird u.a. auf folgende Menschengruppe angespielt: Personen, die über keinen eigenen Wohnsitz verfügen. Diese äußerst prekäre Lebenssituation Betroffener, gehört zur extremsten Form der Armut. Der Anteil der wohnungslosen Menschen die tatsächlich 'Platte machen', ist in den letzten Jahren deutschlandweit wieder deutlich angestiegen. Diese fatale Lebensweise hat verheerende Folgen vor Allem bezogen auf Gesundheit und Leben der Betroffenen. Daraus ergibt sich u.a. folgende Frage: Welche Ursachen und Gründe sind für die Wohnungslosigkeit Betroffener verantwortlich? Anfangs wird die Einrichtung 'Julius-Itzel-Haus' und die dort geleistete Arbeit vorgestellt. Aus dieser Institution konnten die drei später interviewten Klienten gewonnen werden. Außerdem wird in die Theorie des lebensweltlichen Ansatzes nach Hans Thiersch (2002,2005) eingeführt. Es wird vor allem anhand von Mayrings Werken (2002,2003) eine Einführung in die darauf folgende empirische Untersuchung von Langzeitwohnungslosigkeit gegeben. U.a. wird anhand des aktuellen Statistikberichts der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) ein kurzer, statistischer Überblick über die Gründe von Wohnungsverlusten und Auslöser dieser Lage dargestellt. Durch theoretische Erklärungsansätze u.a. durch ein Werk von Stefan Gillich und Frank Nieslony (2000), wird eine mögliche Verursachung von Wohnungslosigkeit und deren denkbare längere Existenz dargelegt. Es werden durch subjektive Interviewaussagen dreier Langzeitwohnungslosen einzelne, ihrer Biografie entsprechenden Einflüsse aufgezeigt, die eine derartige Lebensweise verursachen und festigen können. Am Ende wird dargestellt, wie den Menschen innovativ geholfen werden kann.

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Leseprobe

2 Die empirische Untersuchung


 

Nach dem nun eine Einführung in die Thematik Wohnungslosigkeit und eine begriffliche Klarstellung gegeben, weiter das Julius-Itzel-Haus als professionelle Einrichtung für Wohnungslose vorgestellt wurde, insbesondere der Bereich der Ambulanten Fachberatungsstelle, kann nun eine Beschreibung und die Vorgehensweise der folgenden Untersuchung dargelegt werden, um später Antworten auf die Eingangsfragen zu erhalten. Zunächst wird versucht anhand der Darstellung theoretischer Erklärungsansätze, mögliche allgemeine Begründungen für Langzeitwohnungslosigkeit zu schildern. Als Untersuchungsgegenstand des empirischen Teils meiner Arbeit befragte ich „Langzeitwohnungslose“. Diese kenne ich aus dem Julius-Itzel-Haus, welche anhand von Interviews einige spezifische Umstände, die den Einzelnen in seinem Leben zur oben genannten Lebenswirklichkeit führten, darlegen. Daher bestehen für die empirische Abhandlung des Themas weiterhin folgende Fragen: Einflüsse welcher Art wirken auf die Menschen ein, dass Langzeitwohnungslosigkeit hervorgerufen wird? Welche signifikanten Faktoren tragen dazu bei? Als Maß für die Bezeichnung von Langzeitwohnungslosigkeit sehe ich eine Dauer von über fünf Jahren, wie sie von der BAG Wohnungslosenhilfe als „extrem lange Wohnungslosigkeit“50 bezeichnet wird.

 

Um meine Thesen, die am Ende dieser ersten theoretischen Abhandlung aufgegliedert sind, überprüfen zu können, war mir die Möglichkeit gegeben, Interviews mit drei Klienten (vgl. Kapitel 2.1.1-2.1.3) zu führen, die aktuell wohnungslos sind und schon mindestens zehn Jahre „Platte machten“. Die Betroffenen nehmen seit Jahren die Hilfeleistung der ambulanten Fachberatungsstelle des Julius-Itzel-Hauses in Anspruch, weshalb ich die Personen schon längere Zeit kenne. Sie erklärten sich dazu bereit, unter Aufnahme der Interviews anhand eines Diktiergerätes im Büro der Ambulanz befragt zu werden. Die Befragungen in ihrer Umgebung vorzunehmen, wurde mir aus Gründen der Geheimhaltung ihrer momentanen „Platte“ von den Klienten nicht gestattet. Im Auswertungsteil (vgl. Kapitel 4) werden die subjektiven Ergebnisse unter Bezugnahme auf weitere Studien sowie anhand eigener Erfahrungen aus der Praxis dargestellt und die eruierten Thesen beantwortet.

 

Bezüglich des empirischen Teils, habe ich mich für die qualitative Sozialforschung entschieden. Mit einer subjektiven Darstellung der Lebenswirklichkeit Wohnungsloser, wird die individuelle Auffassung und das persönliche Erleben von Wohnungslosigkeit verdeutlicht. Da somit der Untersuchungsgegenstand außerdem sehr komplex und unterschiedlich ist, kann für die Erfassung der Daten eine quantitative Methode mit dem Erforschen von trivialen, auf messbare Kriterien zurückführbare Zusammenhängen, beispielsweise anhand von Fragebögen und eher geschlossenen Fragen, wenig ausrichten.51 Stattdessen war mir als Erhebungstechnik die qualitative Befragung in Form von problemzentrierten Interviews am ehesten geeignet, da mit der offenen, halbstrukturierten Befragung eine möglichst freie Erzählweise der interviewten Person bzw. eine relativ offene Konversation zustande kommt. Das Gespräch ist jedoch auf eine ganz bestimmte Problemstellung ausgerichtet: in dieser Diplomarbeit handelt es sich um den „Verbleib in der Wohnungslosigkeit“. Anhand dieser Interviewform wird den „Experten ihrer eigenen Lebenswelt“ ermöglicht, ihre subjektiven Sichtweisen, Meinungen und Erfahrungen darzustellen. Die Einzelinterviews erfolgten mit Unterstützung eines Interview-Leitfadens (vgl. Anhang). Dieser beinhaltet die vorher anhand erster theoretischer Erkenntnisse ausgearbeiteten Fragen, welche die Interviewten nach längerer Erzählphase immer wieder zum Ausgangsproblem - der Begründung von Wohnungslosigkeit - zurückbrachte. Die offene Erzählform bzw. Beantwortung der Fragen während der Interviews wurde damit nicht beeinflusst.52

 

Die einzelnen Gespräche begann ich mit kurzer Information über den Verlauf der Interviews und mit einigen wenigen „Sondierungsfragen“53, welche auf die Thematik der Befragung hinführen sollten. Ihre Priorität für die einzelnen Klienten muss nicht großartig beschrieben werden, da sich die Betroffenen tagtäglich in der von Wohnungslosigkeit geprägten Lebenslage befinden und regelmäßig über ihr Anliegen sprechen. Daraufhin werden die spezifischen Fragen des Leitfadens und mögliche zusätzliche „Ad-hoc-Fragen“54 gestellt, die in erster Linie richtungweisend auf das eigentliche Thema der Befragung zurückkehren lassen, die Möglichkeit geben, an relevanten Stellen während des Interviews präziser nachzufragen, aber auch, um auf bestimmte Punkte die im Leitfaden unberücksichtigt blieben tiefer einzugehen.55

 

Aufgrund des extrem ausgeprägten Dialektes und der leichten Angetrunkenheit aller Klienten und somit eines schlechteren Verständnisses, wurde bei der vollständigen, wörtlichen Transkription des Textes versucht, mit manchen Verbesserungen im Satzbau und der Korrektur von einigen Dialektausdrücken eine Übertragung in ein verständliches, normales Schriftdeutsch zu erreichen. So kann der Text leichter gelesen und nachvollzogen werden. Wichtig ist die inhaltliche Seite der Beantwortung.56 Redepausen der Befragten ordnete ich keine Priorität zu, da diese aufgrund der leichten Angetrunkenheit der Personen zu diesem Zeitpunkt oder durch kognitive Einschränkungen aufgrund ihres jahrelangen Alkoholmissbrauches wenig aussagekräftig waren. Auch waren Mimiken und Gestiken während der Interviews kaum erwähnenswert.

 

Aufbereitet wurde der Text anhand qualitativer Methodik, durch deskriptive Systeme. Die aus der Theorieabhandlung entstandenen Hypothesen die am Ende des Theorieteils (vgl. Kapitel 3.2) dargestellt sind, fungierten als Kategoriensystem.57 Die Auswertung erfolgte anhand strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse über diese angesprochenen Kategorien, anhand derer dann der Rohtext bearbeitet und verdichtet wurde. Einzelne Aussagen der Befragten wurden somit den entsprechenden Kategorien zugeteilt. Im Auswertungsteil der Arbeit (vgl. Kapitel 4) wurden einige Textstellen als Beispiel für die jeweilige Kategorie angeführt. Manche Ausführungen der Interviewten wurden auf ihren wirklich bedeutsamen Teil für die entsprechende Kategorie verkürzt.58 Nicht vollendete Sätze verdeutlichte ich mit… Einzelne ausgelassene Worte wurden mit dieser Klammer (..) kenntlich gemacht, mehrere Worte oder Satzteile die herausgelassen wurden kennzeichnete ich mit folgender Klammer (…). Anhand einer zusammenfassenden Paraphrasierung wurden die wichtigen Aussagen erfasst. In ihrer Zusammenfassung dienten sie der Interpretation. Der Abriss dieser Untersuchung geht auf die einzelnen Hypothesen präzise ein.

 

Zunächst wird nochmals auf die Interviewpartner eingegangen. Eine Kurze Vorstellung der Klienten soll helfen, die Interviews besser zu begreifen.

 

2.1 Meine Interviewpartner


 

Die Interviews mit den unten genannten Personen konnten alle reibungslos in der Ambulanten Fachberatung des Julius-Itzel-Hauses durchgeführt werden. Da alle drei Klienten den Mitarbeitern des Hauses seit Jahren bekannt sind und sich diese regelmäßig in der Einrichtung u. a. auch in der Tagesstätte aufhielten, gab es keine terminlichen Verzögerungen und eine ungezwungenen Atmosphäre während der Einzelgespräche. Die Betroffenen hatten schon mehrere Interviews während ihrer langen „Wohnungslosenkarriere“ gegeben und sprachen gerne über ihre Anliegen und Probleme, nicht zuletzt, um sich eine Besserung ihrer momentanen Lage damit zu erhoffen. Die Klienten kenne ich selbst schon seit der Zeit meines ersten Praktikums im Julius-Itzel-Haus im Februar 2005, weshalb wir uns, nach Aufforderung der Betroffenen, zum Zeitpunkt der Interviews schon in Du-Form anredeten. (Dies erleichterte auch die Benennung der Personen in der Transkription, in welcher zudem der Anfangsbuchstabe des Nachnamens vorkam). Es bestand eine recht vertrauensvolle Beziehung, sowie eine gute Atmosphäre, was während solcher Befragungen als unabdingbar gilt.59 Die Klienten waren außerdem alle damit einverstanden, dass ihre Gespräche per Diktiergerät aufgezeichnet wurden. Die Personen waren alle männlich und Anfang vierzig. Aus der Ambulanten Fachberatungsstelle wusste ich, dass alle drei schon lange Zeit auf der Straße lebten. Ralf A., einer dieser Klienten, war zum Zeitpunkt des Interviews für kurze Zeit im Julius-Itzel-Haus untergekommen. Eine kleine „Auszeit“60 wollte er sich damit gönnen. Jedoch verließ er einige Tage später, noch während der Fertigstellung dieser Diplomarbeit, die Einrichtung in Richtung „Straße“, aufgrund von Unstimmigkeiten unter den Bewohnern. In den nächsten drei Unterpunkten werden die Interviewpartner kurz vorgestellt.

 

2.1.1 Dieter P.: „(..)wegen einer Wohnung meinen Hund aufgeben?!“61


 

Aus Gesprächen mit Dieter P. in der Ambulanten Fachberatung des Julius-Itzel-Hauses kannte ich ihn und seine derzeitige Lebenswirklichkeit schon vor dem Interview. Der 41-Jährige kommt regelmäßig in die Ambulanz, da er seine postalische Erreichbarkeit über das Julius-Itzel-Haus u. a. für Ämter, wie beispielsweise für die Agentur für Arbeit Bruchsal, sicherstellen...

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