Wie bereits erwähnt wurde das Phänomen Polyamory bisher im deutschsprachigen Raum noch kaum wissenschaftlich beforscht. Aus diesem Grund empfiehlt es sich das Phänomen Polyamory so wenig einschränkend wie möglich zu beleuchten.
Bei den unter Mithilfe von Prof. Laireiter erstellten Interviewleitfaden und Fragebogen beziehen sich die Fragestellungen auf die Definiton von Meg Barker, die Polyamory als eine nicht monogame Beziehung, in der es akzeptiert wird, mehr als eine Person zu lieben, beschreibt, von großer Wichtigkeit sind Offenheit und Ehrlichkeit innerhalb dieser Beziehung. (vgl. Baker, 2005)
In der vorliegenden Arbeit werden folgende Fragestellungen untersucht:
1. Soziodemographische Fragen: Welches durchschnittliche Alter haben polyamore Menschen? Wie ist die Verteilung der Probanden hinsichtlich des Geschlechts? Welchen höchsten Schulabschluss haben die Probanden? Welchen Beruf übten die Probanden zum Zeitpunkt der Datenerhebung aus?
2. Fragen zur Entwicklung der polyamoren Beziehung: Wie ist es dazu gekommen, dass Menschen in dieser Beziehungsform leben? Welche Umstände und Rahmenbedingungen führen zur Entstehung polyamorer Beziehungen?
3. Fragen zur sexuellen Orientierung, Beziehungsdauer und Alter der Partner/innen: Welche sexuelle Orientierung haben polyamore Meschen? Wie
lange lebten die Probanden zum Zeitpunkt der Datenerhebung schon polyamor? Wie viele Partner/innen haben polyamore Menschen? Wie alt sind die Partner/innen polyamorer Menschen? Wie lange bestehen die einzelnen Beziehungen? Gab es schon Beziehungen vor der zum Zeitpukt der Datenerhebung aktuellen Beziehung?
4. Fragen zu Kindern in polyamoren Beziehungen und Beziehungskonstellation: Haben polyamore Menschen Kinder und wie viele? Haben polyamore Menschen auch Kinder mit polyamoren Patner/innen? Haben polyamore Menschen auch Kinder aus anderen (früheren) Beziehungen? Leben polyamore Menschen mit all ihren Partner/innen zusammen? Wieviele Personen wohnen durchschnittlich in den Haushalten? Wie werden die Kinder erzogen?
5. Fragen hinsichtlich des Vorkommens polyamorer Menschen in der Gesellschaft: Wie hoch schätzen polyamore Menschen den Anteil polyamor lebender Menschen in deutschsprachigen Ländern ein? Kennen polyamore Menschen auch weitere polyamor lebende Menschen außerhalb ihrer Beziehungen?
6. Fragen zur Beziehungsqualität, Begegnungsfrequenz und Entfernung der einzelnen Partner/innen: Haben alle polyamoren Partner/innen den gleichen Stellenwert? Wie verstehen sich die polyamoren Partner/innen untereinander? Wie häufig sehen sich die polyamoren Partner/innen? Wie weit entfernt wohnen die polyamoren Partnerinnen voneinander? Wie gut wird die Beziehung im Vergleich zu anderen Paaren eingeschätzt? Wie gut werden Erwartungen an die Beziehung erfüllt? Wie gut werden Wünsche und Bedürfnisse an die Beziehung erfüllt? Wie zufrieden sind polyamore Menschen in ihrer Beziehung? Kamen schon Partnerwechsel vor? Unterscheiden sich Haupt- und Nebenbeziehung? Welche Belastungen gibt es in polyamoren Beziehungen? Welche positiven Ereignisse und Freuden gibt es in polyamoren Beziehungen? Gibt es unterschiedliche oder gemeinsame Wohn- und Lebensorte? Wie werden Freizeit und Aktivitäten gestaltet?
Werden bestimmte Partner/innen favorisiert? Welche Zukunftsperspektiven haben polyamore Menschen hinsichtlich ihrer Beziehung?
7. Fragen zur sozialen Unterstützung und zum sozialen Umfeld: Wie weit werden die Gefühle der Partner/innen bei Entscheidungen berücksichtigt? Geben polyamore Partner/innen in Notlagen Unterstützung? Wie funktioniert die Aufgabenteilung in polyamoren Beziehungen? Wie funktioniert die Konfliktlösung in polyamoren Beziehungen? Wie wird der Alltag gestaltet? Wie gestaltet sich die Rollenverteilung? Wie geht das Umfeld polyamorer Menschen mit diesem Phänomen um?
8. Fragen zur Sexualität: Welchen Stellenwert hat die Sexualität in polyamoren Beziehungen? Kommt es auch zu Sex mit mehr als zwei Personen? Wird offen über sexuelle Neigungen und Wünsche gesprochen? Gibt es sexuelle Techniken, die nicht mit allen Partnern/innen durchgeführt werden? Unterscheidet sich das Ausmaß der sexuellen Kontakte mit den einzelnen Partner/innen? Gibt es sexuelle Bevorzugungen? Unterscheidet sich die Häufigkeit der sexuellen Kontakte mit den einzelnen Partner/innen?
9. Fragen zu Gefühlen der Liebe und Eifersucht: Werden alle Partner gleichermaßen geliebt? Wie häufig kommt es zu eifersüchtigem Verhalten?
10. Welche sonstigen Themen erachten polyamore Menschen, hinsichtlich des Phänomens Polyamory als wichtig?
Diese Studie dient als erste Exploration polyamorer Beziehungen. Bisher wurden noch kaum wissenschaftliche Theorien zu diesem Phönomen entwickelt. Aufgrund einer unvoreingenommenen Forscherperspektive zu einem wissenschaftlich noch beinahe unbekannten Beziehungsmodell, zeigt es sich als wenig sinnvoll, hierzu Hypothesen aufzustellen. In dieser Studie wird daher auf eine Hypothesenbildung verzichtet.
Der Umstand, dass Polyamory in der Populärliteratur und auf Internetseiten immer häufiger zu finden ist, jedoch in der wissenschaftlichen Beziehungsforschung kaum oder keine Erwähnung findet lieferte den Anlass dazu, sich im Rahmen einer Diplomarbeit mit diesem Thema zu beschäftigen.
Eine der ersten literarischen Auseinandersetzungen mit dem Thema Polyamory stammt von Dr. Deborah M. Anapol einer klinischen Psychologin an der Universität von Washington. Seit 1983 beschäftigt sie sich mit neuen Beziehungsparadigmen.
Ihr Buch „Polyamory - The New Love Without Limits“ (Anapol, 1997) widmete sie Männer und Frauen, die nach ihrer Meinung in „herkömmlichen Beziehungen“ immer wieder scheitern.
Ein methodisches Problem ist der Mangel an wissenschaftlicher Literatur über das Phänomen Polyamory. Besonders bei der Erstellung des Fragebogens erwies es sich als schwierig, Fragen zu finden, die das Phänomen Polyamory erfassen, ohne sich von vorgegebenen Vorstellungen beeinflussen zu lassen. Insbesondere finden sich Überschneidungen der Begriffe Partnerschaft und Freundschaft im polyamoren Kontext. Eine klare Trennung lässt sich im Verständnis polyamorer Beziehungen nicht durchführen.
Weiters ist unklar, wie verbreitet das Phänomen Polyamory im deutschen Sprachraum tatsächlich ist und ob genügend Versuchspersonen für eine repräsentative Stichprobe, dieser Randgruppe aquiriert werden können. Da die Vermutung nahe liegt, dass allein in Österreich nicht genügend Probanden gefunden werden, wird die Untersuchung auf den gesamten deutschsprachigen Raum ausgedehnt. Dabei werden nicht nur Personen berücksichtigt, die zum Untersuchungszeitraum mehr als eine/n Partner/in haben, sondern auch solche, die in einer Beziehung zu nur einem/einer Partner/in, welche mit mehr als einem/einer
Partner/in leben. Die Untersuchung bezieht sich nicht auf die polyamore Person, sondern auf die Struktur polyamorer Beziehungen im Allgemeinen.
Bei der Untersuchung handelt es sich um eine Befragungsstudie, bei der zwei methodisch differente Ansätze im Sinne des Triangulationsmodells von Mayring (2002) kombiniert werden. Die zwei Teile bestehen aus einem qualitativen Teil, der mittels problemzentriertem Interview durchgeführt wird und einem quantitativen Teil, der eine schriftliche Befragung von Personen mit einem polyamoren Lebensstil zum Gegenstand hat. Die Datenerhebung beider Teile erfolgt zeitgleich. Beide Teile werden anschließend im Sinne der Triangulation miteinander verbunden und Gemeinsamkeiten und Unterschiede extrahiert.
Das Untersuchungsziel ist eine Explorierung des Phänomens Polyamory, welche so für den deutschsprachigen Raum noch nicht durchgeführt wurde. Es geht darum, ein noch weitgehend kaum erforschtes gesellschaftliches Randphänomen zu erfassen. Die Ergebnisse dieser Studie sollten Anlass für tiefere Studien und Auseinandersetzungen mit der polyamoren Lebensweise bieten. Die Stichprobe für diese Studie stellen Menschen dar, die sich selbst als polyamor und in einer polyamoren Beziehung lebend betrachten. Die Befragung bezieht sich auf eine Selbsteinschätzung der befragten Probanden und die Einschätzung ihrer Beziehungen.
Da es noch sehr wenige wissenschaftliche Theorien über das Phänomen Polyamory gibt, ist die Formulierung und Falsifizierung von Hypothesen wenig sinnvoll. Aus diesem Grund wird in dieser Studie auf eine Hypothesenbildung verzichtet.
Die wissenschaftlchiche Fragestellung beschränkt sich auf eine explorative Erfassung einzelner Perspektiven einer polyamoren Beziehung. Die Datenerfassung geschieht mittels eines Mixed-Methodology-Designs, also einer Triangulation der qualitativen Methode eines strukturierten Interviews und der quantitativen Methode eines standardsierten Fragebogens....