Der Stellenwert von Dienstleistungsmarken wird zunehmend stärker und dieser Umstand bewirkt große Herausforderungen an die Führung und Organisation von Marken im Dienstleistungsbereich. Die Besonderheiten bzw. Funktionen der Dienstleistung, die unter dem Punkt Begriffsabgrenzungen von Dienstleistungen behandelt wurden, verursachen eine komplexere Gestaltungsmöglichkeit von Dienstleistungsmarken als im Vergleich zu Sachgütermarken. Wie in den vorangegangenen Kapiteln bereits kurz erläutert wurde, spielt das Schaffen von Sicherheit und Vertrauen im Dienstleistungsbereich eine sehr große Rolle, da die Konsumenten ein hohes subjektives Kaufrisiko mit einer ihnen noch unbekannten Dienstleistung bzw. Marke empfinden. Die Integration des Kunden in den Leistungserstellungsprozess kann diese Unsicherheit mindern, jedoch besteht ständig das Problem, ob der Dienstleistungsnachfrager bereit ist, sich bzw. sein Verfügungsobjekt in den Dienstleistungsprozess zu involvieren, um ein erfolgreiches Ergebnis zu erzielen. Die Marke kann somit eine Vertrauens- und Orientierungsfunktion für die Kunden übernehmen, da Dienstleistungen höhere Vertrauens- und Erfahrungseigenschaften aufweisen. Für das Dienstleistungsunternehmen im Gesundheitswesen ist die Differenzierung des Leistungsangebotes gegenüber den Mitbewerbern in Form einer Marke von großer Bedeutung, um den direkten und indirekten Kunden die entsprechenden Unterschiede des Leistungsversprechens kommunizieren zu können.[166]
Die entscheidendsten Grundpfeiler einer Marke sind Differenziertheit, Relevanz, Ansehen und Vertrautheit. Der Nutzen, den die Marke bietet, soll durch die Dienstleistungsnachfrager als relevant wahrgenommen werden, da erst dadurch ein Markt entstehen kann.[167] Eine Selbstanalyse der eigenen Markenidentität im Vergleich mit dem Fremdbild der Konkurrenz und Kunden ist im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtungsweise von entscheidender Wirkung, um eine mögliche Anpassung an die festgestellten Veränderungen gewährleisten zu können.[168] Dieser ganzheitliche Ansatz in der Markenführung zum Aufbau einer starken Marke bedeutet im Dienstleistungsbereich und speziell im Gesundheitswesen ein stärkeres Einbringen der personellen Komponente. Mitarbeiter und Dienstleistungs-Nachfrager stellen wichtige interne und externe Ressourcen für die Unternehmensführung dar. Das Markenmanagement beeinflusst die Unternehmensführung in ihren strategischen Entscheidungen und vice versa, da aufgrund der ganzheitlichen Betrachtungsweise die Marken- und Unternehmensführung immer mehr integriert werden. Ideal für diesen ganzheitlichen Unternehmensansatz bei Dienstleistungen im Gesundheitswesen bietet sich die identitätsorientierte Markenführung an.[169] Die Dienstleistungsmarketing-Strategie soll dabei hilfreich sein, die Leistung einer Gesundheitsorganisation zu positionieren, indem eine Identität erzeugt wird, die z.B. das Krankenhaus von vergleichbaren Anbietern unterscheidet und ebenfalls den Einsatzrahmen der Marketing-Instrumente festlegt.[170] Dienstleistungsziele können als zukunftsbezogene Vorgaben verstanden werden und bilden die Grundlage für Dienstleistungsstrategien, welche globale und langfristige Verhaltenspläne darstellen. Innerhalb der Strategien wird die Festlegung der Marketinginstrumente des Dienstleistungsunternehmens vorgenommen. Wie man aus Abbildung 6 entnehmen kann, wird der Strategieprozess im Unternehmen des Gesundheitswesens stark von der Positionierung, die als Analyse- und Planungsinstrument im Dienstleistungsmarketing angewandt wird, und vom Marketing-Mix initiiert.[171]
Abb. 6: Grundelemente der Dienstleistungsmarketing-Strategie[172]
Durch das Strategiesystem kommt ein Richtliniencharakter zum Ausdruck, der in der Vorgabe eines bestimmten Handlungsrahmens besteht. Strategische Ansatzpunkte können sich dabei auf alle Aktivitätsbereiche des Marketing erstrecken, wobei strategische Entscheidungen i.d.R. einen mehrdimensionalen Charakter aufweisen. Dieser Charakter liegt in der Strategiewahl auf mehreren Ebenen im Marketing und bildet in der Zusammenführung verschiedener Strategien eine Gesamtmarktstrategie. In weiterer Konsequenz bildet diese Gesamtmarktstrategie, mit der Positionierung des Unternehmens als Kernelement, den Grundpfeiler für die identitätsorientierte Markenführung in einer Gesundheitsorganisation.[173]
Unter dem Begriff der Positionierung versteht man das Bestreben des Unternehmens, sein Angebot so zu gestalten, dass es im Bewusstsein der Zielkunden einen besonderen, geschätzten und von den Wettbewerbern abgesetzten Platz einnimmt.[174] Der Positionierungs-Begriff nach Kotler/Bliemel wird in diesem Zusammenhang jedoch eher operativ betrachtet. Das Konstrukt der Positionierung zeichnet sich durch eine schnelle Diffusion aus und wird daher keineswegs einheitlich verwendet. Dementsprechend ist eine eindeutige Begriffsbestimmung in der Marketing-Theorie und –Praxis kaum zu finden, das eine Systematisierung des Begriffes um einiges komplexer und schwieriger gestaltet.[175] „Im Rahmen der strategischen Positionierung erhalten Dienstleistungsmarken, -prozesse, strategische Geschäftseinheiten oder ganze Dienstleistungsunternehmen aufgrund der wahrgenommenen Ausprägungen von Eigenschaften (z.B. durch Kundenbefragung) eine bestimmte Position in einem mehrdimensionalen Merkmalsraum. Ziel ist es, die Unternehmensleistung so zu gestalten, dass die von den Kunden wahrgenommenen Eigenschaften mit den von ihnen gewünschten SOLL-Eigenschaften in Übereinstimmung gebracht werden.“[176] Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass sich durch die Position der Marken, Produkte oder Dienstleistungen in den Köpfen der Zielgruppen ein Mehrwert bzw. Zusatznutzen manifestiert. Die Positionierung ist somit ein strategisches Marketing-Instrument, das den Führungskräften erlaubt, die Stellung ihres Unternehmens am Markt festzustellen und daraus Handlungsalternativen ableiten zu können.[177]
Die zentrale Aufgabe einer Positionierung im Allgemeinen und der Positionierung von Marken ist die Festlegung der zukünftigen Stellung eines Leistungsangebotes im Markt und im Wettbewerb. Die Positionierung kann daher als ein Initiator angesehen werden, der die Richtung für einen effizienten Einsatz des Marketing-Mix bzw. der Markenpolitik vorgibt.[178] Durch den Prozesscharakter der Dienstleistung sowie der Integration der Kunden in den Leistungserstellungsprozess gestaltet sich die Erfassung der für die Positionierung notwendigen kaufrelevanten Eigenschaften weitaus komplexer und dynamischer.[179] Umso deutlicher wird bei dieser Betrachtung die Markenpolitik und Bedeutung der Markenpositionierung im Gesundheitswesen.[180] Bevor sich die Führungskräfte in einer Gesundheitsorganisation jedoch sofort mit dem Aufbau einer Marke widmen, gilt es vorher noch genau zu klären und zu analysieren, welche Leistungen exzellent ausgeführt und angeboten werden. Der Kern der Positionierungs-Idee ist jener, den Erfolgsfaktor zu finden, in dem das Unternehmen unter Aufbietung aller Kräfte wirklich exzellent wird und diese Exzellenz professionell am Markt platziert. In den Köpfen der Patienten, Angehörigen und Zuweiser formt sich also ein Szenario des Gesundheitsmarktes, in dem bestimmte Anbieter als besonders kompetent, neutral oder inkompetent für bestimmte Handlungen eingeschätzt werden. Durch dieses Szenario formt sich bei den Kunden eine geheime „Positionierungs-Landkarte“ des Marktes.[181] Diese Ansicht klingt zwar etwas überspitzt, da die Patienten den vollkommenen Gesundheitsmarkt aufgrund der Komplexität und ihrem Informationsmangel bezüglich medizinischer Behandlungen nie richtig abschätzen können, jedoch kann dieser Ansatz regional durchaus legitim wirken. Die Kunden haben in ihrem regionalen Umkreis einen größeren Erfahrungs- und Vertrauensvorsprung und können somit die Leistungen der Anbieter von Gesundheitsleistungen besser abschätzen.
Der Ansatzpunkt einer exzellenten Positionierungsstrategie erfolgt über das Unternehmen, das mit spezifischen Ressourcen (Kernkompetenzen) ausgestattet ist. Porter geht davon aus, dass jedes Unternehmen eine spezifische Kernkompetenz entwickeln und kultivieren muss, um im Wettbewerb auf Dauer überleben zu können. Kernkompetenzen müssen für den Kunden von Nutzen und Wert sein, sich von der Konkurrenz eindeutig abheben, schwer imitierbar sein und potentiell den Zugang zu einer Vielzahl von Märkten ermöglichen.[182] Der Wettbewerbsdruck nimmt aufgrund der gesamtwirtschaftlichen und dynamischen Veränderungen im Gesundheitssystem zu. Dieser Umstand bewirkt deshalb eine Konzentration auf die Kernbereiche innerhalb der Organisationen im Gesundheitswesen.[183] Die Operationalisierung erfolgt somit über sogenannte Potentialfaktoren, welche die Fähigkeiten des Unternehmens subsumieren, mit denen die Position des Unternehmens oder eines strategischen Geschäftsfeldes im relevanten Marktraum beschrieben werden kann.[184] Durch die Konzentration auf die Kernkompetenzen kann man die Wertschöpfung im Leistungserstellungsprozess...