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Präsidentialismus in Lateinamerika: Über die Vielfältigkeit lateinamerikanischer Präsidialdemokratien im 20. Jahrhundert

AutorMarco Just Quiles
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl62 Seiten
ISBN9783863415877
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Seit gut zwei Jahrzehnten hat das allgemeine Interesse an den politischen und sozioökonomischen Prozessen in Lateinamerika stetig abgenommen. Auch als Forschungsgegenstand ist Lateinamerika immer mehr in den Hintergrund gerückt. Während die Lateinamerikaforschung in den 1980er Jahren im Zuge der Re-Demokratisierung des Kontinentes ihre Hochphase erlebte, wurden seit 1989 durch den Zerfall des bipolaren Weltsystems besonders in Europa neue Forschungsakzente gesetzt. Dennoch erweist sich Lateinamerika bis heute vor allem für die vergleichende Regierungslehre als ein hochinteressantes Forschungsfeld. Keine andere Weltregion gleicht Europa und Nordamerika bezüglich der politischen, rechtsstaatlichen und kulturellen Realität so stark wie Lateinamerika. Trotz der gemeinsamen Kolonialgeschichte haben sich die nach dem europäischen und vor allem nordamerikanischen Vorbild geschaffenen Regierungssysteme im regionalspezifischen Kontext gänzlich unterschiedlich entfaltet. Auch innerhalb Lateinamerikas weisen die verschiedenen politischen Regierungssysteme sehr unterschiedliche Ausprägungen auf. Dennoch zeichnen sich alle lateinamerikanischen Länder durch ein spezifisches institutionelles Merkmal aus: Lateinamerika ist die Region der Präsidialdemokratien. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Wesen des Präsidentialismus in Lateinamerika. Dabei stellt sich die grundlegende Frage nach dem Charakter der lateinamerikanischen Präsidialdemokratien: Handelt es sich in Lateinamerika um einen regionalspezifischen Präsidentialismustypus mit einheitlichen Merkmalen oder lässt die große Anzahl an länderspezifischen Systemmerkmalen eine derartige Vereinheitlichung nicht zu? Für die Untersuchung dieser Frage werden zwei unterschiedliche Politikebenen betrachtet. Im ersten Teil sollen anhand einer verfassungsrechtlichen Analyse die formalen Unterschiede und Gemeinsamkeiten der verschiedenen lateinamerikanischen Regierungssysteme herausgearbeitet werden. Der zweite Teil konzentriert sich verstärkt auf die Verfassungswirklichkeit, also die tatsächlichen politischen Auswirkungen der formalen Verfassungsbestimmungen; dabei werden vier Länderbeispiele zur Analyse herangezogen. In der abschließenden Zusammenfassung soll neben der Beantwortung der Leitfrage ein genereller Ausblick auf das Forschungsthema gegeben werden.

Marco Just Quiles, B.A., wurde 1986 in Valencia/Spanien geboren. Nach seinem Abitur studierte er Politik-, Sozial- und Rechtswissenschaften an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Nach seinem erfolgreichen Studienabschluss im Jahr 2009 folgte ein Forschungsaufenthalt an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der staatlichen Universität Universidad Autónoma Gabriel René Moreno (UAGRM) in Santa Cruz de la Sierra, Bolivien. Seit Ende 2010 ist er Student des Masterstudienganges 'Interdisziplinäre Lateinamerikastudien' am Lateinamerika-Institut (LAI) der Freien Universität in Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind politische Systeme Lateinamerikas im 20./21. Jahrhundert mit besonderer Berücksichtigung der Andenländer sowie Migrationsstudien (Illegale Arbeitsmigration).

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel IV, Verfassungswirklichkeit in lateinamerikanischen Präsidialdemokratien: vier Länderbeispiele: In der vorausgegangenen verfassungsrechtlichen Analyse konnte gezeigt werden, in welch vielfältiger Weise sich die Präsidialdemokratien der lateinamerikanischen Länder voneinander unterscheiden. Zwar wurden einige Parallelen und ähnliche Tendenzen zwischen den verschiedenen Ländern Lateinamerikas ausgemacht, bei genauerer Betrachtung der Verfassungen überwiegen jedoch auf der formalen Verfassungsebene die erheblichen Unterschiede zwischen den lateinamerikanischen Präsidialdemokratien. Das folgende Kapitel widmet sich der Verfassungswirklichkeit, also der tatsächlichen Ausprägung der Verfassungsbestimmungen, in Lateinamerika. Für die Analyse werden vier Länder als Beispiele herangezogen: Brasilien, Argentinien, Kolumbien und Venezuela. In jedem dieser Länder steht das Regierungssystem für eine besonders prägende Merkmalskombination, an der sich das paradoxe und gegenläufige Verhältnis zwischen formalen Verfassungsbestimmungen und tatsächlicher Verfassungswirklichkeit dokumentieren lässt. Dabei sind die Länderbeispiele paarweise zu betrachten. So verfügt sowohl der kolumbianische als auch der brasilianische Präsident über weitreichende verfassungsrechtliche Machtkompetenzen. Im jeweiligen politischen System haben sie jedoch aufgrund der fehlenden parlamentarischen Unterstützung nur einen begrenzten Machtspielraum. In Venezuela und Argentinien verhält es sich genau umgekehrt: Dort spielen beide Präsidenten verfassungsrechtlich gesehen eine marginale Rolle im Regierungssystem, tatsächlich steht ihnen jedoch durch die stabile parlamentarische Unterstützung eine Reihe von Machtinstrumenten zur Verfügung, die sie zu den stärksten Präsidenten Lateinamerikas werden lassen. Die arbeitstechnische Vorgehensweise ist bei allen vier Länderanalysen gleich. Nach einem kurzen landesgeschichtlichen Abriss werden zwei bis drei landesspezifische Merkmale erläutert, die sich sowohl auf den exekutiven als auch den legislativen Bereich beziehen. Dabei besteht keinesfalls der Anspruch, das jeweilige Regierungssystem in seiner Vielfalt zu analysieren; vielmehr gilt es, prägnante Charakteristika herauszuarbeiten, die zum Verständnis des oben genannten Zieles - der Erläuterung Verfassungswirklichkeit in Lateinamerika - beitragen. 1, Venezuela (1958-1995): 1.1, Historischer Überblick: Venezuela gehört zu den ältesten Demokratien auf dem südamerikanischen Kontinent. Seit der Unabhängigkeit 1811 bis zur ersten demokratischen Phase ab 1945 wurde das Land jedoch von zahlreichen Machthabern im klassischen Herrschaftsstil des Caudillismo regiert. Regionale und persönliche Rivalitäten innerhalb der politischen Elite führten im 19. Jahrhundert zu einer Reihe von gewaltsamen Auseinandersetzungen. Politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts markieren den Übergang zur Moderne. Unter der langjährigen Diktatur des Präsidenten Juan Vincent Gómez kam es durch den landesweiten Ausbau der Infrastruktur und eine Professionalisierung sowie Vergrößerung der Streitkräfte zu einer massiven Stärkung des Zentralstaates. Die seit 1920 verstärkt betriebene Erdölförderung setzte eine neue gesellschaftliche Dynamik in Gang, welche vor allem durch den Anstieg der urbanen Bevölkerung gekennzeichnet war. Die sozioökonomischen Veränderungen hatten ebenfalls Auswirkungen auf das archaische Herrschaftssystem. Fehlende Partizipationsmöglichkeiten für die neuen gesellschaftlichen Kräfte führten zum Unmut in der städtischen Mittelschicht und in der Folge zur Bildung verschiedener Interessensgruppen. Die Studentenunruhen von 1928 gelten als Geburtsstunde der parteipolitischen Bewegung. Erst nach dem Tod von Präsident Gómez im Jahre 1935 und der vorsichtigen politischen Öffnung durch seine Nachfolger General Eleazar López Contreras (1935-1941) und General Isaías Medina Angarita (1941-1945) konnte sich 1941 die erste Massenpartei Venezuelas gründen, die sozialdemokratische Acción Democratica (AD). Als sich die Regierung Angarita einer Reform des Wahlrechts und einer weiteren politischen Öffnung verschloss, stürzte eine Gruppe von jungen Offizieren zusammen mit der AD unter Rómulo Betancourt 1945 den Präsidenten. Damit begann die erste demokratische Phase (sogenanntes Trienio), die nur drei Jahr später unter der Führung von General Marcos Pérez Jiménez vom Militär beendet wurde. Erst mit dem Tod des Diktators 1957 und der Wahl Betancourts zum Präsidenten im darauffolgenden Jahr konnte sich die Demokratie in Venezuela endgültig durchsetzen. Mit dem Regierungspakt von Punto Fijo zwischen den drei wichtigsten Parteien Acción Democratica (AD), Unión Republicana Democrática (URD; Republikanisch-demokratische Union) und dem Comité de Organización Política Electoral Independiente (COPEI; Unabhängiges Organisationskomitee für Politik und Wahlen) wurde 1958 der Grundstein für die demokratische Konsolidierung Venezuelas gelegt. Der Koalitionsvertrag spiegelte ferner das konstitutive Grundverständnis der politischen Akteure wider, welches zum prägenden Grundsatz der venezolanischen Parteien im 20. Jahrhundert wurde: Konsensbildung und Schutz der Demokratie über eigene Machtambitionen.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Präsidentialismus in Lateinamerika. Über die Vielfältigkeit
1
Inhaltsverzeichnis
3
I Einleitung
5
II Forschungsstand: Die Diskussion über die lateinamerikanischen Präsidialsysteme
7
III Gemeinsamkeiten und Unterschiede präsidentieller Regierungssysteme in
10
1 Unterschiede zum US-amerikanischen System
10
2 Unterschiede zwischen den lateinamerikanischen Präsidialdemokratien
13
2.1 Die Exekutive
14
2.2 Die Legislative
17
IV Verfassungswirklichkeit in lateinamerikanischen Präsidialdemokratien: vier
24
1 Venezuela (1958–1995)
25
1.1 Historischer Überblick
25
1.2 Merkmale des venezolanischen Regierungssystems
26
1.3 Fazit
32
2 Argentinien (1983–1995)
33
2.1 Historischer Überblick
33
2.2 Merkmale des argentinischen Regierungssystems
34
2.3 Fazit
37
3 Brasilien (1985–1995)
38
3.1 Historischer Überblick
38
3.2 Merkmale des brasilianischen Regierungssystems
40
3.3 Fazit
44
4 Kolumbien (1968–1991)
45
4.1 Historischer Überblick
45
4.2 Merkmale des kolumbianischen Regierungssystems
47
4.3 Fazit
52
V Zusammenfassung und Ergebnis
53
VI Bibliografie
55
1 Dokumente
55
2 Literatur
55
Der Autor
62

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