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Prävention, Kuration, Rehabilitation und Palliativbehandlung als Komponenten der Pflege

AutorCornelia Michalke
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2004
Seitenanzahl184 Seiten
ISBN9783638322539
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 1996 im Fachbereich Pflegewissenschaften, Note: Ausgezeichnet, Humboldt-Universität zu Berlin (Institut für Medizin-/Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: Anhand des der Interpretation zugrunde liegenden Schemas/heuristischen Modelles 'Wesentliche Grundelemente einer präventiv, kurativ, rehabilitativ und palliativ (= therapeutisch) wirksamen Pflege' und einer konkretisierten Fragestellung wurde in sechs ausgewählten Pflegelehrbüchern der allgemeinen Alten- und Krankenpflege nach den Meinungen und Ansichten der Autoren/Herausgeber hinsichtlich präventiver, kurativer, rehabilitativer und palliativer Komponenten der Pflege gefragt sowie die Darstellung der wesentlichen Grundelemente einer therapeutisch wirksamen Pflege analysiert. Anbetracht des reichhaltigen Datenmaterials konnte die Interpretation der Texte teilweise nur stichprobenhaft erfolgen. Das Ziel der Untersuchung, einen groben Überblick über die Ist-Situationen in gängigen deutschsprachigen Lehrbüchern der Kranken- und Altenpflege zu erhalten, wurde jedoch erreicht. Das Schema bzw. 'heuristische Modell therapeutisch wirksamer Pflege' stimulierte dabei den Forschungsprozeß, in dem es als Interpretationsfolie diente. Es eignete sich, in den ausgewählten Pflegelehrbüchern relativ systematisch und gleichermaßen nach den im theoretischen Teil herausgearbeiteten wesentlichen Grundelementen therapeutisch wirksamer Pflege zu suchen.

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Leseprobe

2.3 Pflegebedürftigkeit


Der Begriff „Pflegebedürftigkeit“ ist durch das Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) ein erstmals präzise definierter, wichtiger und häufig verwendeter Begriff geworden. Dabei ist es wichtig, die Unterscheidung zwischen „Pflegebedürftigkeit“ und „Pflegebedürftigkeit im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes“ zu achten, weil das Pflegeversicherungsgesetz nur bestimmte Aspekte der Pflegebedürftigkeit berücksichtigt (sogenannte „Teilkaskoversicherung“). Das Problem ist, daß der Begriff „Pflegebedürftigkeit“ außer im SGB XI und im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gar nicht öffentlich definiert wird/wurde. So kann nur anhand ausgewählter Beispiele angedeutet werden, daß Pflegebedürftigkeit mehr als die „Pflegebedürftigkeit im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes“ sein kann. Pflegebedürftig im Sinne des SGB XI „sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung 1 für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15) der Hilfe bedürfen“ (§ 14 Abs. 1 SGB XI). Zu den Verrichtungen zählen die Körperpflege, Ernährung, Mobilität und Hauswirtschaftliche Versorgung (§ 14 Abs. 4 SGB XI). Nur der Hilfebedarf in diesen Bereichen wird bei der Eingruppierung in die Pflegestufe gewertet. Einen erweiterten Pflegebegriff hinsichtlich der zeitlichen Voraussetzungen, des Ausmaßes der Pflegebedürftigkeit (des Hilfebedarfs) und der zu berücksichtigenden Lebensbereiche enthält das Bundessozialhilfegesetz (§ 68 Abs. 1). Im Krankenversicherungsrecht (SGB V) wird der Begriff „Pflegebedürftigkeit“ nicht definiert. Einen Anspruch auf Krankenbehandlung haben Versicherte, „wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern“ (§ 27 SGB V). Die Krankenbehandlung beinhaltet u.a. die häusliche Krankenpflege (§ 37 SGB V), die vollstationäre, teilstationäre, vor- und nachstationäre sowie die ambulante Krankenhausbehandlung, in der u.a. eben auch Krankenpflege enthalten ist (§ 39 SGB V).

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In diesem Sinne kann Pflegebedürftigkeit also auch vorliegen, wenn die Anspruchsvoraussetzungen Versicherter im Sinne des § 37 SGB V und des § 39 SGB V erfüllt sind.

Aus der Pflegedefinition der WHO (1986) ergibt sich nur ein vager Hinweis zum Begriff der Pflegebedürftigkeit hinsichtlich beruflicher Pflege: „Normalerweise ist der Mensch fähig, sich selbst angemessen zu pflegen und gesund zu erhalten. Unter gewissen Umständen aber muß die Pflege von spezifisch ausgebildeten Pflegepersonen übernommen werden (in: Abermeth, H.-D., o.J.).

Zwei Pflegemodelle, stellvertretend für alle anderen bedürfnisorientierten Modelle, sowie die Klassifizierung von Pflegediagnosen nach Gordon (1994) und Doenges & Moorhouse (1993) sollen verdeutlichen, daß aus pflegetheoretischer Sicht in wesentlich mehr Lebensbereichen Pflegebedürftigkeit (Pflegebedarf) entstehen kann: Orem (1991) unterscheidet zwischen universalen, entwicklungsbedingten und krankheitsbedingten Selbstpflegeerfordernissen und Selbstpflegefähigkeiten. In diesem Sinne ist der Mensch immer (selbst-)pflegebedürftig, normalerweise reichen aber seine Selbstpflegekompetenzen aus. Bei erhöhten Selbstpflegeerfordernissen oder eingeschränkten Selbstpflegefähigkeiten kann ein Selbstpflegedefizit entstehen, so daß die Selbstpflegehandlungen durch andere Personen (Angehörige oder beruflich Pflegende) erbracht werden müssen (in: Cavanagh, 1995). Zu den universalen Selbstpflegeerfordernissen zählt Orem:

a) „Eine ausreichende Zufuhr von Luft

b) eine ausreichende Zufuhr von Wasser

c) eine ausreichende Zufuhr von Nahrung

d) Vorkehrungen im Zusammenhang mit Ausscheidungsprozessen und Ausscheidungen

e) der Erhalt eines Gleichgewichts zwischen Aktivität und Ruhe

f) der Erhalt eines Gleichgewichts zwischen Alleinsein und sozialer Integration

g) die Abwendung von Gefahren für Leben, menschliche Funktionsfähigkeit und menschliches Wohlbefinden

h) die Förderung der menschlichen Funktionsfähigkeit und Entwicklung innerhalb sozialer Gruppen in Einklang mit den menschlichen Fähigkeiten, Grenzen und dem Wunsch nach Normalität. Diese universellen Selbstpflegeerfordernisse umfassen die grundlegenden physischen, psychischen, sozialen und spirituellen Bestandteile des Lebens“ (in: Cavanagh, 1995, S. 23). Die entwicklungsbedingten Selbstpflegeerfordernisse beinhalten die verschiedenen Lebensphasen und die krankheitsbedingten Selbstpflegeerfordernisse die unterschiedlichen Erkrankungen.

Wie bei Orem werden auch bei Roper, Logan & Tierney (1987) wesentlich mehr Lebensbereiche als im Pflegeversicherungsgesetz berücksichtigt. Die Autorinnen beschreiben ein Abhängigkeits-Unabhängigkeits-Kontinuum. Während der gesamten

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Lebensspanne kann das menschliche Individuum, beeinflußt auch durch körperliche, psychologische, soziokulturelle, umgebungsabhängige und politisch-ökonomische Faktoren, in den verschiedenen Lebensaktivitäten abhängig bzw. unabhängig von anderen Personen sein. Pflegebedürftigkeit in diesem Sinne liegt also vor, wenn der Mensch eine (oder mehrere) Lebensaktivität(en) nicht mehr unabhängig ausführen kann. Die Lebensaktivitäten sind:

Für eine sichere Umgebung sorgen

Kommunizieren

Atmen

Essen und Trinken

Ausscheiden

Sichsauberhalten und Kleiden

Die Körpertemperatur regulieren

Sichbewegen

Arbeiten und Spielen

Sich als Mann oder Frau fühlen und verhalten

Schlafen

Sterben (a.a.O., S. 21ff). In der deutschen Übersetzung „Pflegediagnosen“ von M. Gordon (1994) werden die Pflegediagnosen anhand Gordons „Typologie der funktionellen Verhaltensmuster“ strukturiert. Auch hier sind wieder die vielfältigen Lebensbereiche zu erkennen, in denen Pflegebedürftigkeit entstehen kann: 1. Wahrnehmung und Umgang mit der eigenen Gesundheit 2. Ernährung und Stoffwechsel 3. Ausscheidung 4. Aktivität und Bewegung 5. Schlaf und Ruhe 6. Kognition und Perzeption 7. Selbstwahrnehmung und Selbstkonzept 8. Rolle und Beziehung 9. Sexualität und Reproduktion 10.Bewältigungsverhalten und Stresstoleranz 11.Werte und Überzeugungen. In jedem dieser Bereiche können vielfältige Pflegeprobleme auftreten bzw. Pflegediagnosen ermittelt werden. Die wenigen Bereiche des Pflegeversicherungsgesetzes werden bei Gordon als „Selbstversorgungsdefizite“ und „beeinträchtigte körperliche Mobilität“, neben weiteren Pflegediagnosen in dem funktionellen Verhaltensmuster „Aktivität und Bewegung“ aufgeführt. Die Diskrepanz zwischen der pflegetheoretisch möglichen Pflegebedürftigkeit und der Bewertung der Pflegebedürftigkeit im Sinne des Pflegeversicherungsgesetz wird sichtbar. In der deutschen Übersetzung „Pflegediagnosen und Maßnahmen“ (Doenges & Moorhouse, 1993) werden insgesamt 97 Pflegediagnosen in 13 Diagnosekategorien zusammengefaßt:

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Aktivität/Ruhe

Kreislauf

Integrität der Person

Ausscheidung

Ernährung

Sauberkeit/Bekleidung

Wahrnehmung/Kommunikation

Schmerz

Atmung

Sicherheit

Sexualität

Soziale Interaktion

Lehren/Lernen. In der originalen Fassung sind es 9 Kategorien, die für menschliche Verhaltensmuster stehen: Austauschen, In Beziehung treten, Sich bewegen, Wahrnehmen, Wissen, Fühlen, Kommunizieren, Wählen, Wertschätzen. Dieses Klassifizierungssystem wurde in der im Rahmen der 7. nationalen Konferenz der North American Nursing Diagnosis Association (NANDA) gutgeheißen und im Rahmen der 9. Konferenz (1990) überprüft (a.a.O.).

Insgesamt zeigt sich eine enorme Diskrepanz zwischen der „Pflegebedürftigkeit im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes“ (SGB XI) und der „Pflegebedürftigkeit aus pflegetheoretischer Sicht“.

Die Gefahren, die mit der Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes einhergehen, sehe ich darin, daß die Inhalte und Aufgaben der beruflichen Pflege in Zukunft vorwiegend mit der Definition des Pflegeversicherungsgesetzes zum Begriff „Pflegebedürftigkeit“ identifiziert...

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