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E-Book

Praxis-Guide Betriebliches Gesundheitsmanagement

Tools und Techniken für eine erfolgreiche Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz

AutorCornelia Schneider
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783456758442
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis30,99 EUR
Wie kann Arbeit zur Gesundheit beitragen?Betriebliche Gesundheitsförderung rechnet sich für alle!Erweitert ein Unternehmen seine Personal- und Organisationsentwicklung im Sinne der Gesundheitsförderung, so können erwünschte Nebenwirkungen auftreten: Gesteigerte Leistungsfähigkeit, eine erhöhte Motivation, Wohlempfinden, geringere Arbeitsunfähigkeitszeiten, eine stärkere Bindung an das Unternehmen - und natürlich Gesundheit!Die Autorin stellt ihre jahrelangen Erfahrungen als Beraterin zahlreicher Unternehmen praxisnah dar und motiviert zum Umdenken. Denn statt immer wieder zu beschreiben, dass Arbeit krank machen kann, lautet die sinnvollere Frage: 'Wie kann Arbeit zur Gesundheit beitragen?'Dieser Praxis-Guide zeigt anhand vieler Beispiele, dass Maßnahmen der Personalentwicklung wie Führung, Kommunikation, Arbeitsorganisation und Arbeitstechniken im Sinne einer betrieblichen Gesundheitsförderung nachhaltig ergänzt und bereichert werden können.

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Leseprobe

2 Gesundheitsmodelle bestimmen Denken und Handeln


Die Theorie bestimmt, was du beobachtest.

Albert Einstein

Zum Thema Gesundheit kann jeder etwas sagen. Jeder weiß – oder glaubt zu wissen –, was gesund und ungesund ist, wie man sich im Idealfall verhalten sollte und wie nicht, welche Ernährung, welche Sportarten, welche Entspannungsarten und Arbeitsbedingungen gesund sind – und überhaupt, was mehr und was weniger förderlich ist für ein gutes und langes Leben. Die Medien quellen über von Gesundheitsberichten und Gesundheitstipps, der Buchmarkt der Gesundheitsratgeber ist schier unüberschaubar. Vorträge und Kurse werden in jeder Volkshochschule und von vielen anderen Institutionen angeboten. Auch die Politik versucht, mit öffentlichen Kampagnen das Gesundheitsverhalten der Bevölkerung zu beeinflussen. Hinzu kommen die vielfältigen Erfahrungen, die jeder mit sich selbst oder mit Personen seines näheren Umfelds in Fragen von Gesundheit und Krankheit schon gemacht hat. Gerade diese persönlichen Erfahrungen prägen das Gesundheitsverständnis und -verhalten weitaus mehr als die wissenschaftlichen Fachinformationen.

Es ist somit nicht erstaunlich, dass das über viele Jahre angesammelte Gesundheitswissen und auch die persönlichen Erfahrungen eine unglaubliche Vielfalt von persönlichen Grundsätzen und Einstellungen produzieren. Allerdings darf das betriebliche Gesundheitsmanagement nicht nur auf individuellen Einstellungen und zufällig gesammelten Informationen zum Thema gegründet werden.

So sollte am Anfang der Arbeit – sozusagen als Minimalausstattung für erfolgreiche Arbeit im BGM – neben der reinen Begriffsklärung festgelegt werden, welches Gesundheitsmodell als Grundlage für die weitere Arbeit dienen soll.

Wenn der Begriff Gesundheit als zentrale Richtgröße permanent gebraucht wird, dann ist es notwendig, eine gemeinsame Definition und ein gemeinsames Verständnis dafür zu finden, was Gesundheit überhaupt ist. Auf welchen sachlich fundierten Gesundheitsbegriff soll sich die Arbeit im betrieblichen Gesundheitsmanagement stützen? Seit Jahren bitte ich die Teilnehmer bei der Einführung zum betrieblichen Gesundheitsmanagement, den Begriff Gesundheit persönlich zu definieren. Sie ergänzen den Satz: „Gesund bin ich, wenn …“. Erwartungsgemäß ergeben sich danach so viele Formulierungen und Gedanken, wie Personen im Raum sind. Diese Formulierungen gründen auf Teilaspekten der Gesundheit, die durchaus ihre Berechtigung haben, aber selbstverständlich den Gesundheitsbegriff als Ganzes nicht füllen können. Die anschließenden Diskussionen zeigen immer wieder, dass es weniger das Faktenwissen als die persönliche Erfahrung ist, die die Definition prägt. Da aber gerade diese Definition, also das Verständnis von Gesundheit, die Grundlage für alle späteren Maßnahmen bildet, sollten die Beteiligten die verschiedenen Definitionen und Gesundheitsmodelle kennen. Darauf aufbauend sollten sie diskutieren, welche Auswirkungen das theoretische Verständnis auf die praktische Arbeit haben kann, soll und wird.

Am bekanntesten dürfte wohl die umfassende Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sein: „Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein bei Krankheit und Gebrechen. […] Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen: dort wo sie spielen, lernen und arbeiten und lieben. […] Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft die Arbeit, die Arbeitsbedingungen und die Freizeit organisiert, sollte eine Quelle der Gesundheit und nicht der Krankheit sein.“

Weniger bekannt ist Sigmund Freuds kurze Aussage: „Gesund sein heißt lieben und arbeiten zu können.“ Dieses sehr schöne Zitat kann eine lohnende Diskussionsgrundlage ein, ist aber für die praktische Arbeit in Betrieben wenig nützlich, da es die philosophischen Frage aufwirft, was denn überhaupt „lieben und arbeiten“ alles bedeuten kann.

Ähnliche Probleme ergeben sich bei allen anderen Kurzdefinitionen. Nützlicher als der Versuch einer Definition ist daher die Gegenüberstellung verschiedener Gesundheits- und Krankheitsmodelle. Tabelle 2-1 fasst die Grundaussagen der folgenden drei Modelle zusammen.

2.1
Das biomedizinische Modell


Dieses Modell hat die Prävention und Therapie des letzten Jahrhunderts stark geprägt und ihm kommen zweifellos auch große Verdienste zu.

Es wurde entwickelt, um das Auftreten bestimmter Krankheiten erklären zu können. Man orientiert sich hier schwerpunktmäßig an rein biologischen Faktoren: z.B. Blutwerten, Röntgenbefunden, Herz-Kreislauf-Werten oder verschiedenen Organfunktionsparametern. Dem medizinischen Befund wird mehr Beachtung geschenkt als der Befindlichkeit der Person. Gesundheit wird als Abwesenheit von Krankheit definiert. Eine Krankheitsursache wird grundsätzlich im Individuum gesehen, Interaktionen mit der sozialen Umwelt oder psychische Prozesse werden nicht oder wenig berücksichtigt. Das Krankheitsgeschehen wird durch das Vorliegen bestimmter Risikofaktoren verursacht oder begünstigt. Daher sollen in der Prävention möglichst schädliche (biologische) Einflüsse ausgeschaltet werden.

Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass durch die Eliminierung schädlicher Einflussfaktoren Gesundheit hergestellt wird. In der Tat konnten mit dem biomedizinischen Modell bestimmte Krankheiten im Keim erstickt werden. Der klassische Arbeitsschutz ist ein Beispiel für eine wertvolle biomedizinische Vorgehensweise in der betrieblichen Gesundheitsförderung.

Die typischen Maßnahmen der Gesundheitsförderung im biomedizinischen Modell sind Aufklärung hinsichtlich Ernährung, Bewegung, Rauchen, Drogen, Hygieneregeln und der Einsatz von Impfungen. Es geht in erster Linie um die Schwächung potenzieller Risikofaktoren. Zentrales Element der Prävention ist die Belehrung der Menschen zu ihrer Lebensweise.

Aber es war und bleibt eine völlige Illusion, dass, wenn nur alle krankmachenden biologischen Faktoren entfernt würden, der Mensch gesund sei. Wir haben viele Infektionskrankheiten besiegt, und gleichzeitig sind neue Krankheiten entstanden.

Das biomedizinische Modell gilt in der Wissenschaft als überholt. Dennoch ist die Ausbildung und Weiterbildung in der Medizin und in benachbarten Berufen noch immer sehr stark von diesen Denk- und Handlungsweisen geprägt.

Dieses Modell eignet sich für unsere Zwecke nicht, weil es viel zu reduktionistisch ist, um erfolgreich in der betrieblichen Gesundheitsförderung angewandt zu werden. Ich treffe immer noch sehr häufig in Betrieben auf Projekte, die schwerpunktmäßig dem biomedizinischen Ansatz folgen. Das erklärt sich vielleicht zum einen aus der Ausbildung der Arbeitsmediziner, Physiotherapeuten und auch dem – berechtigten – starken Einfluss der Fachkräfte für Arbeitssicherheit. Zum anderen erscheint es für den Laien überschaubarer und verständlicher als Modelle, die Verursachung, Entstehung, Therapie und Prävention von Erkrankungen in einem komplexen und systemischen Wechselspiel vieler Faktoren beschreiben.

2.2
Das salutogenetische Modell


Dieses Modell geht von einem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum aus. Im Gegensatz zum biomedizinischen Modell fragt das Salutogenese-Modell nicht, was krank macht, sondern danach, was gesund hält. Das ist nicht einfach das Gegenteil dessen, was krank macht. Für den Begründer des Modells Aaron Antonovsky bedeutet dies, dass ein Mensch niemals nur krank oder nur gesund ist (vgl. Schüffel et al., 1998). Er befindet sich in einem labilen Zustand zwischen den beiden Polen, zwischen krankmachenden und gesunderhaltenden Einflüssen, den er aktiv erhalten muss.

In erster Linie handelt es sich hier um ein Modell, das erklären kann, unter welchen Bedingungen Stress gut zu bewältigen ist. Die Entwicklung des Modells geht auf umfangreiche Forschungsarbeiten zurück, die den gesundheitlichen Zustand von Überlebenden aus Konzentrationslagern dokumentieren wollten. Interessanterweise fand Antonovsky neben einem Personenkreis, der erwartungsgemäß viele gesundheitliche Beeinträchtigungen hatte, eine beachtliche Gruppe von Menschen, die extrem bedrohlichen biologischen, psychischen und sozialen Situationen lange Zeit ausgesetzt waren, aber dennoch auffallend gesund und psychisch stabil geblieben waren. Das Ergebnis seiner Arbeiten war, dass diese Personengruppe sich von den anderen durch ein Phänomen abgrenzte, das er als Kohärenzsinn bezeichnete.

Dieser Kohärenzsinn umfasst drei unterschiedliche innere Zustände beziehungsweise Fähigkeiten, die ein Grundvertrauen in drei Dimensionen beschreiben:

  1. Verstehbarkeit. Ereignisse sind strukturiert vorhersehbar. Für das Individuum wichtige Informationen sind geordnet, strukturiert und in sich schlüssig.
  2. Machbarkeit. Es sind Ressourcen verfügbar, um den anstehenden Anforderungen gerecht zu werden.
  3. Sinnhaftigkeit. Hier handelt es sich um eine emotionale Komponente, bei der das Individuum erkannt hat, dass es lohnt, sich für einen bestimmten Prozess zu engagieren. Die gestellten Anforderungen werden als Herausforderungen wahrgenommen, die Sinn für den Betroffenen...
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