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Praxisfälle Steuerrecht 2

Ausgewählte Fälle aus der österreichischen und europäischen Rechtsprechung 2013-2016

AutorBenedikt Hörtenhuber, Daniel Gilhofer, Daniela Arth, Lisa-Maria Grob, Nadja Jagschi, Robin Damberger
VerlagLinde Verlag Wien Gesellschaft m.b.H.
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783709408711
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis32,99 EUR
Analyse und Hintergründe steuerlicher Praxisfälle

Ist ein Dissertationsstipendium steuerpflichtig? Wer gilt bei grenzüberschreitenden Arbeitnehmerentsendungen als Arbeitgeber für Zwecke der Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens? In welchen Fällen haftet der Geschäftsführer einer GmbH für die Abgabenschulden der Gesellschaft?

”Praxisfälle Steuerrecht 2“ beantwortet diese und viele weitere steuerliche Praxisfragen und behandelt einige der interessantesten Urteile und Entscheidungen aus der BFG/UFS-, VwGH- und VfGH-Rechtsprechung der letzten Jahre. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf den Pro- und Kontra-Argumenten, die für und gegen jene Lösungsansätze sprechen, welche von den Steuerpflichtigen, der Finanzverwaltung und letztlich von den Entscheidungsinstanzen vertreten wurden. Durch die einheitliche und systematische Gliederung der Beiträge in ”Sachverhalt“, ”Rechtsfragen“, ”Argumente“ und ”Falllösung“ lassen sich die wesentlichen Inhalte schnell erfassen, ergänzt durch Hinweise auf weiterführende Literatur.

Das Buch bietet Studierenden und Praktikern eine wertvolle Analyse wichtiger steuerlicher Praxisfälle sowie deren Hintergründe.

Expertin für Internationale Steuerabkommen in der Steuerverwaltung des Fürstentums Liechtenstein.

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Leseprobe

17Spesenfreie Mitarbeiterkonten als lohnsteuerpflichtiger Sachbezug?


Sophie Wirthig


1. 18Sachverhalt


Ein Kreditinstitut gewährte kostenlose Gehaltskonten an derzeitige Mitarbeiter sowie ehemalige, bereits pensionierte Mitarbeiter. Bereits bei Aufnahme des Dienstverhältnisses mussten sich die Mitarbeiter dazu verpflichten, die Kontoführung ihres Gehaltskontos ihrer Arbeitgeberbank anzuvertrauen. Die Bank gewährte die gleichen Konditionen zumindest zum Teil jedoch auch Kunden, die in keinem Arbeitsverhältnis mit der Bank stehen oder standen. Nach Angabe des Kreditinstitutes bestanden am relevanten Markt zudem auch von anderen Kreditinstituten vergleichbare Angebote über kostenlose Gehaltskonten, die die Mitarbeiter in Anspruch hätten nehmen können. Im Rahmen einer 2008 ergangenen Lohnsteuerprüfung wurden die spesenfreien Mitarbeiterkonten, die die Bank als beschwerdeführende Partei gewährte, als Arbeitslohn der Mitarbeiter in Ansatz gebracht und als steuerpflichtiger Sachbezug in Höhe von 72 € bewertet.

2. Rechtsfragen


Als grundlegende Rechtsfrage ist im vorliegenden Fall zu beantworten, ob die ersparten Spesen durch die kostenlosen Mitarbeiterkonten bei den Arbeitnehmern Einkünfte iSd § 25 Abs 1 Z 1 EStG begründen und daher der Lohnsteuer unterliegen. Dabei sei angemerkt, dass sich die folgenden Ausführungen auf die Rechtslage vor dem Steuerreformgesetz 2015/2016 beziehen. Eine kurze Erläuterung der neuen Rechtslage erfolgt am Ende des Beitrags.

Gem § 25 Abs 1 Z 1 lit a EStG zählen zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit alle „.“ Zur genaueren Definition der Begriffe „“ und „“ ist auf den Einnahmenbegriff des § 15 Abs 1 EStG zurückzugreifen. Nach § 15 Abs 1 EStG liegen Einnahmen vor, „“. Für eine Einordnung als lohnsteuerpflichtiger Vorteil iSd § 15 Abs 1 EStG müssen nach hL demnach zwei Voraussetzungen kumulativ gegeben sein: Erstens muss dem Empfänger ein geldwerter Vorteil zukommen; zweitens muss dieser Vorteil durch das Dienstverhältnis kausal bedingt sein. 60

Im vorliegenden Fall ist folglich zu beantworten, ob (i) das ersparte Nutzungsentgelt zu einem geldwerten Vorteil gem § 15 Abs 1 EStG führt und (ii) ob dem Empfänger das kostenlose Mitarbeiterkonto nur aufgrund seines Dienstverhältnisses mit der Bank gewährt wird. Sind beide Kriterien erfüllt, erhöhen die ersparten Kontospesen die lohnsteuerpflichtige Bemessungsgrundlage des Arbeitnehmers.

19Für die Beurteilung, ob die Spesenfreiheit des Kontos als messbarer geldwerter Vorteil zu qualifizieren ist, ist § 15 Abs 2 EStG relevant. Nach § 15 Abs 2 EStG sind „.“ Im vorliegenden Sachverhalt könnten die spesenfreien Gehaltskonten unter den Begriff „“ der demonstrativen Aufzählung des § 15 Abs 2 EStG subsumiert werden. Sonstige Bezüge haben nicht zwingenderweise in Zuwendungen zu bestehen, sondern liegen nach hA auch dann vor, wenn dem Mitarbeiter bessere Abnahmekonditionen gewährt werden und er sich dadurch gegenüber herkömmlichen Verbrauchern Ersparnisse sichern kann. 61 Zu den relevanten Ersparnissen zählt zB die Gewährung von Rabatten oder der Kostenerlass für bestimmte Leistungen. 62 Als Bemessungsgrundlage dient der durchschnittliche Wert, mit dem das Produkt am Verbrauchsort befindlichen Markt gehandelt wird. Bei nutzungsentgeltbefreiten Konten liegt für den Kontoinhaber eine Ersparnis in jener Höhe vor, in der er Nutzungsentgelt zu zahlen hätte, wenn er keinen Kostenerlass gewährt bekäme. 63 Fraglich ist im vorliegenden Fall jedoch, ob lediglich die Endabgabepreise des beschwerdeführenden Kreditinstitutes an dienstfremde Kunden maßgeblich sind, oder aber demgegenüber das Angebot aller am Markt befindlichen Kreditinstitute in die Betrachtung miteinbezogen werden muss. Neben der Erfüllung des Kriteriums „“ ist als zweites Kriterium auch zu untersuchen, ob das Dienstverhältnis kausal für die Gewährung des kostenlosen Mitarbeiterkontos ist.

Neben diesen beiden aus dem Wortlaut des § 15 Abs 1 EStG eindeutig ableitbaren Kriterien hat der VwGH zudem ein weiteres Kriterium entwickelt, das mit jenem der Kausalität verknüpft ist: Nach ständiger VwGH-Rechtsprechung ergibt sich dann kein geldwerter Vorteil iSd § 15 Abs 1 EStG, wenn die Inanspruchnahme im ausschließlichen Interesse des Arbeitgebers liegt. 64 Der Nichtansatz eines Sachbezuges aufgrund eines ausschließlichen Interesses des Dienstgebers setzt nach Auffassung des VwGH voraus, dass ein durch die Leistung bedingter Vorteil für den Mitarbeiter „“ nicht besteht. 65 Entscheidend ist also auch, ob für die Bank im vorliegenden Fall ein derart ausschließliches Interesse an der Kontoführung ihrer Mitarbeiter besteht, dass von einem aus der spesenfreien Kontogewährung für die Mitarbeiter entstehenden Vorteil nicht mehr ausgegangen werden kann.

3. 20Argumente


Ein lohnsteuerpflichtiger Sachbezug liegt gem § 25 Abs 1 Z 1 EStG nicht vor, wenn ein geldwerter Vorteil gem § 15 Abs 1 EStG nicht gegeben ist oder ein allfälliger Vorteil nicht in kausaler Beziehung zu dem Dienstverhältnis steht. Des Weiteren könnte auch ein ausschließliches Interesse des Arbeitgebers an der Gewährung der Leistung dem Ansatz eines Sachbezuges entgegenstehen.

Als erster Schritt ist demnach zu beurteilen, ob ein spesenfreies Gehaltskonto einen Vorteil gem § 15 EStG darstellt. Entscheidend hierfür ist, was unter dem Begriff „“ verstanden wird. Der Gesetzgeber versteht unter dem „“ offenkundig den Ort der Zuwendung. Andernfalls wäre in manchen Fällen der für die Bewertung maßgebliche Markt von Arbeitnehmer zu Arbeitnehmer verschieden, je nachdem wo dieser den bezogenen Vorteil verbraucht. 66 Bei der Gewährung von kostenfreien Konten fallen Zuwendungs- und Verbrauchsort jedoch ohnehin zusammen, weshalb dieses Problem im vorliegenden Fall nicht weiter zu berücksichtigen ist.

Nach Ansicht des VwGH sowie weiten Teilen der österreichischen Lehre ist zur Qualifikation des Vorteils der für den Empfänger maßgebliche Beschaffungsmarkt heranzuziehen und festzustellen, welche Aufwendungen dem Vorteilsempfänger entstanden wären, hätte er sich dieselbe Leistung am Verbrauchsort im freien Verkehr verschaffen müssen. 67 Preisnachlässe des Arbeitgebers, die in einer Höhe gewährt werden, wie sie auch „“ eingeräumt werden, stellen nach Ansicht des VwGH keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. 68 Demnach muss auch das Angebot (Preise und Konditionen) der Mitbewerber herangezogen und festgestellt werden, ob auch bei Konkurrenzinstituten für den Dienstnehmer die Möglichkeit besteht, ein kostenloses Gehaltskonto zu erhalten. 69 Unterstellt man dem Arbeitnehmer ein rationales Verhalten, so wird er stets das günstigste am Markt verfügbare Angebot nachfragen. Als Vergleichsmaßstab ist daher das niedrigste am Markt bestehende Preisniveau in Betracht zu ziehen. 70 Führen auch andere Kreditinstitute kostenfreie Gehaltskonten in ihrem Portfolio, so entsteht dem Arbeitnehmer demnach kein Vorteil dadurch, dass er ein solches auch von seiner dienstgebenden Bank in Anspruch nehmen kann. Dem Arbeitnehmer erwächst im Vergleich zu Kunden, die in keinem Dienstverhältnis zum Vorteilgeber stehen, in diesem Fall kein geldwerter Vorteil aufgrund seines 21Arbeitsverhältnisses. Gehen die den Mitarbeitern zugesprochenen Freistellungen jedoch über die handelsüblich allen Endverbrauchern am Verbrauchsort zugänglichen Rabatte hinaus, so stellen sie steuerpflichtige Personalrabatte dar. 71 Da nach Angabe des beschwerdeführenden Kreditinstitutes die Mitarbeiter im Rahmen des üblichen Geschäftsverkehrs auch bei anderen Banken vergleichbare...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Vorwort5
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren9
Praxisfälle zum EStG11
Steuerpflicht eines Dissertations-Stipendiums12
Spesenfreie Mitarbeiterkonten als lohnsteuerpflichtiger Sachbezug?26
Frack eines Dirigenten als Betriebsausgabe38
Verfassungskonformität des Abzugsverbots bei Managergehältern46
Steuerliche Intransparenz liechtensteinischer Stiftungen61
Praxisfälle zum KStG74
Die Maßgeblichkeit ausländischer handelsrechtlicher Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung75
Directive Shopping82
Gruppenträgerfähigkeit einer in Liquidation befindlichen Körperschaft96
Siebentelabschreibung als Vorgruppenverluste103
Substanzwertverluste von Beteiligungen im Spannungsfeld von Abwertungs- und Abzugsverboten112
Übertragung stiller Reserven auf einen Gesellschafterzuschuss einer Privatstiftung124
Praxisfälle zum UmgrStG133
Ausschüttungsfiktion bei Umwandlungen mit vorangehender Schwesterneinbringung134
„Fehlerhafte“ Stichtagsbilanz bei Einbringung nach Art III UmgrStG144
Zuschreibung von Beteiligungen nach Umgründungen150
Praxisfälle zum DBA-Recht160
Arbeitgeberbegriff im DBA-Recht161
Vorliegen von Bezügen im Sinne des Art 19 Abs 1 DBA Liechtenstein173
Verfassungskonformität des Art 14 DBA Liechtenstein183
Praxisfälle zum UStG190
Umsatzsteueraufteilung bei Menüpreisen191
Umsatzsteuerkarussellbetrug202
Praxisfälle zur BAO218
Haftung des Geschäftsführers gem § 9 BAO219
Geschäftsführerhaftung für Abgabenschulden nach § 9 BAO226

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