Mk 13,24-37
Liebe Mitchristen!
Als ich ein Kind war, da gab es in diesen Wochen viel zu tun. Da fand immer ein großes geheimnisvolles Werkeln und Basteln statt. Denn die Weihnachtsgeschenke wurden ja fast grundsätzlich nur selbst gefertigt, mehr oder weniger kunstvoll, und nicht in irgendeinem Geschäft gekauft. Häufig waren sie dann aus Papier, eigenhändig gemalt oder ausgeschnitten. Und wenn das Werk endlich fertig war, hat man es zufrieden und wohlgefällig betrachtet.
Es ist schon schön, wenn da etwas gelingt unter den eigenen Händen, wenn etwas Gestalt annimmt. Auch wenn ich fürchten musste, dass das ganze Kunstwerk, doch bald wieder weggeworfen wurde.
Später hatte ich dann öfters Gelegenheit, einer Töpferin bei der Arbeit zuzusehen. Und ich war fasziniert. Zuerst klatschte sie einen unförmigen Klumpen Ton auf die Scheibe. Und dann ging sie mit ihren feinen Fingern daran. Sie benetzte sie im Wasser. Und während sich die Scheibe ständig drehte, wuchs da, wie von Zauberhand gezogen ein Gefäß, eine Vase empor, immer kunstvoller und reicher verziert, immer vollkommener in ihrer Eleganz.
An diese Töpferin und ihr Können musste ich denken, als mir der Text der Lesung für diesen 1. Advent-Sonntag begegnete, wo es im letzten Satz heißt: „Und doch bist du, Herr, unser Vater. Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer; wir alle sind das Werk deiner Hände.“ (Jes. 64,7)
Es ist heilsam, daran zu denken, dass wir Menschen nicht alles aus uns selbst haben. Auch wenn viele heutzutage in ihrer Überheblichkeit so stolz sind auf sich selber und was sie fertig bringen. Was bist du denn wirklich? Ein Klumpen Lehm, dasselbe, was du nach deinen Erdenjahren auch bald wieder sein wirst. Aber ein großer Meister hat gerade dieses Stück Lehm in die Hand genommen. So beschreibt es in ihrer Bildhaftigkeit und Anschaulichkeit die Bibel schon auf ihren ersten Seiten. Zuerst lässt Gott regnen auf die Erde. „(Gen 2,7) Und dann formte er, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden.“
Auch wenn wir diesen Text nicht wörtlich verstehen müssen, so steckt doch hinter diesem Wort eine tiefe Wahrheit und Weisheit. Es mag ernüchternd sein, v. a. für den Menschen, der sich heute oftmals so großartig vorkommt. Aber jeder von uns ist im Grunde nur Material von dieser Erde. Nicht einmal Edelmetall oder Silber oder gar Gold, nur Lehm, eigentlich von geringem Wert.
Wäre da nicht die Hand des Schöpfers. Wäre da nicht ein Gott, der mit seiner ganzen Hingabe und Macht, mit seinem ganzen Können und seiner ganzen Liebe in seinem Schöpfungsplan eine so großartige Idee verwirklicht hätte, dass wir Menschen, so wie wir sind und wie wir sein können, entstehen durften: Geistvoll und liebenswert. Wir atmen, bildlich gesprochen, die gleiche Luft, mit der Gott uns den Lebensatem in die Nase geblasen hat. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.
Doch keiner von uns ist schon fertig und vollkommen. Im Gegenteil. Jeder von uns hat seine Mängel und unschönen Schrammen und Bruchstellen. Und erst recht wenn wir unsere große Welt ansehen. Wie viel Schuld, wie viel Unrecht und Unfrieden gibt es! Das war wohl immer so. Es ist nicht anders geworden seit den Zeiten des Propheten Jesaja, der uns heute in der Lesung sagt: „Warum lässt du uns von deinen Wegen abirren und machst unser Herz hart… Wir haben gegen dich gesündigt … Sind dir treulos geworden… Unreine Menschen, der Gewalt unserer Schuld überlassen…“
Und es ist nicht anders geworden seit den Tagen, als Jesus über den Boden dieser Erde geschritten ist. Ja, der Lehm dieser Erde hat sich sogar vermischt mit dem Blut des Gottessohnes. Soweit haben es die Menschen gebracht.
Schade! Eigentlich sollten wir Menschen ja das Meisterstück aus der Hand des Schöpfers sein, kostbare Gefäße, die seinen Geist und seine Liebe in sich tragen. Nun aber sind wir 2. Wahl. Aber auch buchstäblich 2. Wahl. Denn Gott hat uns ein 2. Mal erwählt und angenommen als seine geliebten Kinder – in Jesus, in der Erlösung, die er gebracht hat.
Liebe Mitchristen!
Vielleicht zeigt Gott uns gerade in dieser Adventszeit erneut, dass er uns anrührt mit seinen feinen Händen und uns formen will nach seiner kunstvollen Idee.
Und auch Gott freut sich, wenn ihm etwas gelingt. Gott ist noch immer am Werk, am Töpfern, wie ich es früher bei meiner Töpferin gesehen habe.
Der Advent ist eine Zeit der Vorbereitung und der besonderen Arbeiten. Und mögen wir alle noch so viel zu erledigen haben in den kommenden 4 Wochen, wir dürfen es nicht vergessen: Das wichtigste Werkstück dabei sind wir selbst. Was soll aus uns werden? - Nicht eine papierene Bastelei zum Verschenken und bald zum Wegwerfen soll aus uns werden, sondern ein Kunstwerk mit hohem bleibendem Wert, wertvoll in den Händen und in den Augen Gottes, wenn wir uns von ihm formen lassen nach seinem Plan und Sinn, nach seinem Herzen.
Mk 1,1-8
Liebe Mitchristen!
Am vergangenen 1. Advent-Sonntag haben wir uns Gedanken gemacht über das Wort des Propheten Jesaja: „Wir sind der Ton, du, Gott, bist der Töpfer.“ Und ich muss gestehen: Auch heute hat mich wieder die Lesung in besonderer Weise angesprochen. Dieses vertrauenserweckende Wort des Propheten Jesaja: „Tröstet, tröstet mein Volk …“
Vielleicht ist zunächst der Komponist Georg Friedrich Händel schuld, weil er in seinem „Messias“ dieses Prophetenwort so herrlich in Töne gesetzt hat. Aber da ist noch mehr.
Es geschah vor etwa 2600 Jahren. Da wurde ein ganzes Volk besiegt, z. T. vernichtet, die Städte und Dörfer verwüstet, der Rest des Volkes verschleppt in die Fremde, in die Sklaverei. Das war das Volk Israel in der babylonischen Gefangenschaft. 40 Jahre waren seitdem schon vergangen. Noch immer lebten sie im Exil mit großer Sehnsucht nach der Heimat.
Doch plötzlich steht da einer auf und spricht Worte, bei denen alle in einen Freudentaumel geraten: „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. Verkündet, dass der Frondienst zu Ende geht.“ Das war Musik in den Ohren dieser geknechteten, fast verzweifelten Menschen. Für sie bestimmt noch schöner als die Musik von Georg Friedrich Händel. Die Erlösung ist nahe. Und kein geringerer als Gott selbst wird sie herbeiführen. Die chaotischen Zustände werden bereinigt. Eine neue Straße entsteht. Berge werden abgetragen, Täler aufgefüllt. Selbst die Wüste erblüht. Und die Straße führt geradewegs in die Heimat, in die Sicherheit, in den Frieden. Der Herr führt die Gefangenen Zions heimwärts. Wie die Träumenden sind sie. Ihr Mund ist voll Lachen und ihre Zunge voll Jubel.
Damals wurde es glückliche Wirklichkeit, denn die Israeliten wurden tatsächlich aus der Gefangenschaft entlassen und durften heimkehren.
Heute? Heute hätte dieses Land und die Menschen dort unten am Euphrat und Tigris den Trost und die Befreiung mindestens genauso nötig. Denn wo einst Babylon stand, da sind heute die Städte des Irak.
Und wir wissen, welche Schrecken dieses Land überzogen haben. Zuerst die grausame Diktatur und Willkürherrschaft.
Dann der gnadenlose Angriff und Krieg auch gegenüber der Zivilbevölkerung. Danach das Chaos, fast täglich Autobomben und Selbstmordattentate mit unzähligen Toten und Verwundeten, Misstrauen, Armut und Elend, Bruderkriege und Geiselnahme. Das Land scheint nicht mehr zur Ruhe zu kommen. Das Volk leidet – und niemand weiß, wie lange noch.
Könnte doch jetzt noch einmal ein guter Prophet aufstehen und seine trostvolle Botschaft verkünden. Ende der erbärmlichen Lebensbedingungen, eine Straße - wenigstens ein Weg, wie dieses Volk wieder zur Ruhe und zum Frieden finden kann.
Ob die Menschen das jemals alleine schaffen werden? Der Prophet im alten Babylon hat noch ganz auf die Hilfe Gottes gesetzt. Gott wird die Straße bauen. Gott wird einen Weg aufzeigen.
Etliche hundert Jahre später hat Johannes der Täufer die gleichen Gedanken aufgenommen. Aber es ist nun nicht mehr Gott, der die Voraussetzungen für den Frieden leistet. Die Menschen selbst müssen handeln. In ihrer Verantwortung liegt das Gelingen: Ihr Menschen, bereitet dem Herrn den Weg, ebnet ihm die Straßen. Es geht nicht mehr ohne Zutun der Menschen. Man darf nicht nur auf ein Wunder warten. Die Menschen selbst müssen zu dem Wunder beitragen, müssen die Voraussetzungen schaffen. „Tröstet mein Volk!“
Liebe Mitchristen!
Gehen wir nun ein wenig weg von diesen fast aussichtslosen Zuständen im Nahen Osten. Denn nicht nur dort, nicht nur in fernen Ländern gleichsam am Rand der Erde warten Menschen auf Trost und Erlösung. In diesen Wochen des Advent darf uns schon wieder neu bewusst werden, wo auch bei uns Menschen ungetröstet leben und ungetröstet sterben. Ich denke an z. T. junge Leute, die in ihrem Leben keinen Sinn mehr sehen, die keine lohnende Zukunft mehr...