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E-Book

Predigtstudien

Perikopenreihe I Erster Halband

VerlagKreuz
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783451802485
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Die Predigtstudien sind eine bewährte Arbeitshilfe für die qualifizierte und fundierte Predigtvorbereitung mit praxisorientierten Anregungen für die Predigt und die Gestaltung des Gottesdienstes. Kennzeichnend für die Predigtstudien ist dabei, dass jeder Predigttext von zwei Autoren/Autorinnen bearbeitet wird, die in ihrem Dialog miteinander als 'Anwalt des Textes' und als 'Anwalt des Predigthörers' die biblische Überlieferung im Kontext heutiger Lebenswirklichkeit interpretieren. Dieser Dialog verbindet wissenschaftliches Nieveau mit homiletischer Praxis. Die Predigtstudien erscheinen zweimal jährlich im August und Februar. Für Fortsetzungsbezieher gilt ein vergünstigter Preis. Der Einstieg in ein Abonnement ist jederzeit möglich.

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Leseprobe

1. Sonntag im Advent

Matthäus 21,1–9:

Hoffnung im Angesicht zugemauerter Tore

Christof Landmesser

I Vielfalt der Hoffnung

Als eine Anfangsgeschichte sollte Jesu Einzug nach Jerusalem gelesen werden. Das zumindest legt der an diesem Sonntag gefeierte erste Advent nahe, beginnt doch jetzt ein neues Kirchenjahr. Aber der eigentliche Anfang wird liturgisch erst gut drei Wochen später mit dem Fest der Geburt Jesu bedacht. Das Kirchenjahr beginnt also noch vor dem Anfang. Darin liegt eine besondere Spannung der Adventszeit. Es soll mit unserer Geschichte zudem ein Geschehen bedacht werden, das uns weit in die Jesusgeschichte hineinversetzt, fast an deren Ende. Jesus geht auf besondere Weise nach Jerusalem und danach in den Tempel. Und mit der Geschichte ist zugleich ein narrativer Ausblick verbunden, werden doch mit dem königlichen Einzug Jesu in Jerusalem die kommenden Ereignisse der Passion, also sein Leiden und Sterben, kontrastiert. Damit sind die traditionellen Sinnpotenziale unserer Geschichte noch gar nicht ausgeschöpft. Der erste Advent folgt auf den letzten Sonntag im Kirchenjahr, also auf den Ewigkeitssonntag. Mit dem Beginn des Kirchenjahres wird auch die Hoffnung auf die Erfüllung intoniert, die unter den Bedingungen unserer endlichen Existenz hervorgerufen werden soll. Der erste Advent und unsere Geschichte bieten also eine Menge an Aspekten, die nicht alle gleichermaßen in einer Predigt entfaltet werden können. Aber doch sollte bewusst sein, dass die Jesusgeschichte und was daraus wurde eine große und unsere Enge überschreitende Geschichte ist, in die wir uns mit dem Gottesdienst und mit der Predigt einfinden können.

II Begründete Hoffnung

Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Das ist in der Jesusgeschichte kein gewöhnlicher Gang, endet dieser doch mit dem Tod Jesu vor den Mauern dieser Stadt. Die merkwürdige und auch etwas anstößige Erzählung, nach der Jesus zwei Jünger auffordert, ihm eine Eselin zu bringen, die ihm gar nicht gehört, deutet die Besonderheit des folgenden Geschehens schon an. Die Absonderlichkeit des Vorhabens bringt Jesus gleich selbst zur Sprache, und er hat auch eine Antwort darauf. Wenn die Jünger angesprochen werden, sollen sie nur sagen, ›der Herr bedarf ihrer‹, wie Luther so schön mit Blick auf die Eselin übersetzt. Es folgt wie so oft im Matthäusevangelium ein Erfüllungszitat, hier mit einem Hinweis auf Sach 9,9, auch ein Anklang an Jes 62,11 lässt sich entnehmen. Mit dem Aufruf des alttestamentlichen Textes verbindet sich zunächst die wichtige Vorstellung, dass die Jesusgeschichte in die Geschichte Gottes mit seinen Menschen überhaupt gehört. Der Inhalt des Erfüllungszitates könnte aber aufregender kaum sein. Wer da einzieht, soll der im Anschluss an Sach 9 erwartete endzeitliche Heilskönig sein. Und bedenkt man zusätzlich noch Jes 62,11, dann wird hier angedeutet, dass Gott selbst mit seinem endzeitlichen Heil zu den Menschen kommt. Frieden soll der in Jerusalem Einziehende schaffen, gerecht soll er sein und ein Helfer für das Leben. Und dieser erwartete König soll auch arm sein, demütig auf einem Esel reitend. Arm war Jesus sicher, aber für seine Zeitgenossen wohl kaum eine Heilsgestalt, zumindest nicht für diejenigen, die in Jerusalem über sein Schicksal entscheiden sollten. Für andere schon, etwa für diejenigen, die er geheilt hat wie die zwei Blinden, von denen in der direkt vorausgehenden Geschichte die Rede war. Und königliche Würde wird ihm zeichenhaft zugesprochen, wenn die Jünger Kleider auf die Eselin legen und die große Volksmenge mit ihren Gewändern und mit Zweigen den Boden bedeckt. Und Jesus selbst beansprucht nach dieser Erzählung, genau dieser König zu sein, heilvoll, friedfertig und zugleich demütig und bescheiden. Bedenkt man den Fortgang der Geschichte in Jerusalem, dann werden all diese Jesus euphorisch zugesprochenen königlichen und heilvollen Attribute fragil, sie kommen im weiteren Geschehen geradezu zum Verschwinden und werden in ihr Gegenteil verkehrt.

Einfach macht es uns der Erzähler im Matthäusevangelium nicht. Er stellt aber mit seiner Geschichte die für die frühen an Christus Glaubenden entscheidende Frage, die er den durch die Ereignisse aufgeregten Menschen in Jerusalem in den Mund legt: ›Wer ist dieser?‹ Zu dieser Frage sollte sich die Predigt vorarbeiten, denn an der Antwort auf sie entscheidet sich, wie es mit der Qualität der Hoffnung steht, die mit dieser Messiasgestalt verbunden ist.

Mit dem Motiv der Hoffnung ist in dieser alten Geschichte spätestens unsere Gegenwart erreicht. Die Sehnsucht nach Lebenserfüllung im Alltäglichen wie in unserer Lebensperspektive überhaupt ist uns allen gemeinsam. Und es betrifft alle Lebensbereiche, Persönliches, Politisches und Religiöses. Das Leben ist immer so konkret, dass wir den Mangel einerseits, aber auch die Vision, die Vorstellung von einer Erfüllung ausmalen und beschreiben können, auch wenn wir wissen, dass damit nicht Letztes gesagt sein wird. Nun verbindet sich in unserer Geschichte aber die Hoffnung mit dem, der auf der Eselin nach Jerusalem hineinreitet. Eine recht nebensächliche Begebenheit im großen Weltgeschehen, und wahrscheinlich haben sie auch nur wenige Menschen im festlich gestimmten und wegen der Pilger zum Passahfest übervollen Jerusalem wahrgenommen. Ein kleines Detail weiß der Erzähler noch zu berichten: Die ganze Stadt wurde erschüttert wie bei einem Erdbeben. Das ist die in den eigenen Grundfesten irritierte Reaktion, wenn Gott selber auftritt. Die Frage, wer dieser Jesus, der in Jerusalem einzieht, ist, spitzt sich zu.

Der Verfasser des Matthäusevangeliums hat eine klare Antwort auf die Frage, die von der Volksmenge wohl mit einem Hinweis auf einen endzeitlichen Propheten erwidert wird, womit aber kaum erreicht wird, was für die frühen Christusglaubenden zu sagen wäre. Die Antwort auf die Frage, wer denn der Hoffnungsträger ist, muss auch als tatsächlich entscheidend wahrgenommen werden. Es ist immer die Frage, ob eine Messiasgestalt das einlösen kann, was mit der Hoffnung auf sie verbunden ist. Falsche Hoffnungsträger gibt es viele, kritische Unterscheidung ist da wesentlich.

Mit der Erzählung von der Namensgebung Jesu jedoch erschließt sich, wie Jesus als Heilskönig wahrgenommen werden kann. Er, Jesus, ist der, der seinem Volk seine Sünden vergibt (Mt 1,21) und er ist zugleich der Immanuel, der ›Gott mit uns‹ (Mt 1,23). Mit dem nach Jerusalem einreitenden Jesus, der dann zum Tempel gehen wird, um dort den Zugang zu Gott wieder zu eröffnen, kommt Gott selbst unter seine Menschen. Deshalb die Erschütterung, aber auch deshalb die berechtigte und lebendige Hoffnung. Das Gottesverhältnis seiner Menschen bringt dieser Jesus wieder in die vom Schöpfer gedachte Ordnung, wodurch das Leben erst möglich wird. In genau dieser Hoffnung gründet der Christusglaube.

Es gibt unendlich viele Lebensfelder, auf denen wir nach Hoffnung suchen und den heilvollen Helfer herbeisehnen. Wenn ich die Geschichte aus dem 21. Kapitel des Matthäusevangeliums lese, dann drängt sich mir eine offene Wunde auf, die unser aller Leben mehr oder weniger direkt betrifft. Jesus zieht nach Jerusalem ein. Wer schon einmal in dieser Heiligen Stadt war, der weiß von den ortsansässigen Guides ganz genau, wo Jesus auf dem Esel nach Jerusalem hineingeritten kam. Es ist das heutige Goldene Tor an der Ostseite der Stadt, dem Ölberg zugewandt. Steht man auf demselben und schaut über das Kidrontal auf diese wunderschöne Stadt, dann erscheint das Goldene Tor an der Ostseite des Haram zugemauert, verschlossen, undurchdringbar. Es hat keine Funktion mehr oder allenfalls die, eine Erwartung zu symbolisieren, vielleicht eine Hoffnung auf einen Durchbruch. Alle drei Weltreligionen, die in Jerusalem eine besondere, eben eine Heilige Stadt wahrnehmen, haben an diesem verschlossenen Goldenen Tor einen Hoffnungsort. Die von den Guides beanspruchte Tradition, dass Jesus durch dieses Tor geritten kam, entstand in byzantinischer Zeit. Der Messias, der Retter, eben der ›Gott mit uns‹ ist jetzt da, in Jerusalem, im Tempel, Gott begegnet seinen Menschen. Wahrscheinlich wurde das Goldene Tor in seiner heute sichtbaren Gestalt etwa im 8. Jahrhundert aufgebaut, im 10. Jahrhundert wurde es erwähnt. Im frühen Islam bekam es die Namen ›Tor des Erbarmens‹ und ›Tor der Umkehr‹, mit diesem Tor verband sich die Hoffnung auf die Abkehr von den Sünden. Und es gibt jüdische Traditionen, die erwarten, dass Gottes Herrlichkeit durch dieses Tor wieder in den Tempel zurückkehren wird (vgl. Küchler, 159–162). Drei Religionen kommen mit ihren Traditionen an diesem Tor, durch das Jesus eingezogen sein soll, in Kontakt. Angesichts der Unversöhnlichkeit zwischen den Glaubenden dieser Religionen drängt sich der Bedarf an Hoffnung schmerzlich auf.

III Hoffnung in der Lebenswelt

Es gibt keine glatte Hoffnung. Die Adventszeit war in Wahrheit auch noch nie idyllisch. Unser menschliches Leben in der Endlichkeit steht dem entgegen. Schon die vielen möglichen Assoziationen, die sich aus der Kombination der Station im Kirchenjahr und dem Predigttext ergeben, lassen Vielfalt, Optionen, aber auch Kompliziertheit der Hoffnungssituation der Glaubenden wahrnehmen (vgl. unter I). Die Predigt tut sicher gut daran, sich auf einen der Aspekte zu konzentrieren. Wo bedürfen wir der Hoffnung? Was ist unsere Hoffnung? Worauf hoffen wir als Christusglaubende? Die Frage, wer dieser Jesus ist, mit dem wir unsere Heilserwartung verbinden, drängt sich immer wieder als entscheidend in unsere Gottesdienste. Denn er ist es ja, der als Immanuel, als ›Gott mit uns‹ seine Jüngerschaft...

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