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Privatisierung der öffentlichen Grundversorgung. Was heißt das für den Kunden?

AutorMichael Schiffer
VerlagScience Factory
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl100 Seiten
ISBN9783668592322
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Umfassende Privatisierungsbewegungen gab es in Deutschland bereits vor mehreren Jahrzehnten. Aus unserer heutigen westlichen Zivilisation sind die Resultate nicht mehr wegzudenken. Wir begegnen ihnen ständig im Alltag, beispielsweise bei der Nutzung von Strom, Postdienstleistungen, Mobilfunk oder Breitbandinternetverbindungen, oftmals aber auch beim Trinkwasser aus dem Wasserhahn. Es ist sicher erstrebenswert, die Effizienz, Effektivität und Qualität der Leistungserbringung der öffentlichen Verwaltung sowie auch der Daseinsvorsorge zu verbessern und sie stärker an wirtschaftlichen Prinzipien zu beurteilen. Doch eine kritische Diskussion, die die verschiedensten an der Daseinsvorsorge interessierten Kundengruppen berücksichtigt, nimmt bei der Entscheidung über Privatisierungsmaßnahmen in der Literatur und in der Praxis bisher nur wenig Raum ein und findet nicht in der notwendigen Tiefe statt. Eine Privatisierung darf nicht dogmatisch als Allheilmittel angesehen werden und bei der Entscheidung über Privatisierungen müssen neben kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Überlegungen auch langfristige volkswirtschaftliche Belange Beachtung finden. Da bisher nur vereinzelt empirische Untersuchungen zu langfristigen Privatisierungsfolgen und auch keine amtlichen Berichte vorliegen, stellen die diesbezüglichen Erfahrungen der Vergangenheit im In- und Ausland die Basis für die Grundlage dieser Publikation dar. In dieser Publikation untersucht der Autor die verschiedenen Perspektiven der Kundenorientierung. Insbesondere betrachtet der Autor die breit gefächerten Vorteile und möglichen Risiken der Privatisierungen aus den Blickwinkel der Kundengruppen Leistungsabnehmer, Gemeinwesen und Steuerzahler. Aus dem Inhalt: -Privatisierung; -Kundenorientierung; -öffentliche Grundversorgung; -Outsourcing

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Leseprobe

2 Theoretische Hinführung


 

Zur Bearbeitung des Themas dieser Arbeit ist zunächst die Beschäftigung mit den theoretischen und thematischen Grundlagen notwendig.

 

2.1 Kundenorientierung und verschiedene Kundengruppen


 

Ein bedeutsamer Begriff dieser Arbeit ist die Kundenorientierung, welcher für die weitere Arbeit einer näheren Erläuterung bedarf. Es existieren in der Literatur unterschiedliche Begriffsverständnisse für den Kontext der öffentlichen Verwaltung, die jeweils auch von der Betrachtungsperspektive geprägt sind, da sich der Kundenkreis der jeweiligen öffentlichen Stelle im Einzelfall sehr unterschiedlich gestalten kann.[48] Eine häufig vorgenommene Kategorisierung der unterschiedlich weit gefassten Verständnisse, welche oft vorgenommen wird, ist die Unterscheidung in eine situative, informationsorientierte sowie kultur- und philosophieorientierte Auffassung.[49]

 

Für eine umfassende Definition der Kundenorientierung integriert Bruhn diese Ansätze in einer weiten Begriffsauslegung und definiert sie als „... die umfassende, kontinuierliche Ermittlung und Analyse der individuellen Kundenerwartungen sowie deren interne und externe Umsetzung in unternehmerische Leistungen sowie Interaktionen im Rahmen eines Relationship-Marketing-Konzepts mit dem Ziel, langfristige stabile und ökonomische vorteilhafte Kundenbeziehungen zu etablieren.“[50].

 

Für die weitere Arbeit soll ein weites Verständnis der Kundenorientierung in Anlehnung an Bruhn zugrunde gelegt werden, wobei im Fokus die Untersuchung der Auswirkungen der Privatisierung auf die Kundenorientierung im Sinne eines „adressatenbezogeneren“[51] Handelns stehen soll.[52] Die Bedeutung der Kundenorientierung ergibt sich aus der Tatsache, dass alle Arten von Organisationen in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Kunden stehen. Somit sollten Organisationen orientiert an den Bedürfnissen ihrer Kunden agieren.[53] Die Kunden sind jedoch keine homogene Gruppe, denn jede Organisation verfügt über eine Vielzahl an mit ihr in Beziehung stehenden Kundengruppen. Hierbei ist ein Kunde grundsätzlich derjenige, welcher „individuell Leistungen abnimmt“[54]. Der Begriff des Kunden ist in diesem Sinne ein Obergriff, „ein Dach für mehrere unterschiedliche Typen von Leistungsabnehmern"[55].

 

 

Abbildung 1: Übersicht über die Kundengruppen in der Daseinsvorsorge (Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Thom/Ritz 2008, S. 83 und Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung 1995, S. 28-32).

 

Abbildung 1 bietet einen ersten Überblick über die Vielgestaltigkeit der im vorliegenden Kontext bestehenden Kundenbeziehungen und der unterschiedlichen Kundengruppen. Aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Arbeit können im Weiteren nicht alle Kundengruppen und Kundenbeziehungen im Lichte der Privatisierung untersucht werden. Vielmehr wird vorliegend eine Auswahl repräsentativer Kundengruppen getroffen.[56]

 

2.2 Privatisierungsbegriff


 

Der Begriff der Privatisierung ist originär dem Kontext der öffentlichen Verwaltung zuzurechnen. Wie in der Einleitung bereits angedeutet, sind verschiedene Privatisierungsformen voneinander abzugrenzen, denn es können verschiedenste Maßnahmen unter diesen Begriff subsummiert werden.[57] Für das weitere Verständnis dieser Arbeit ist es jedoch wichtig, ein differenzierendes Bild vom Privatisierungsbegriff zugrunde zu legen. Eine Differenzierung ist auch aus der Perspektive heraus notwendig, dass nicht alle Privatisierungsformen ähnlich umstritten sind. Im Folgenden werden daher die zur weiteren Bearbeitung wesentlichen Privatisierungsbegriffe voneinander abgegrenzt.

 

Eine erste anzuführende Privatisierungsform stellt die als formelle oder organisatorische bezeichnete Privatisierung dar. Hierbei wird lediglich die Aufgabenwahrnehmung in privater Rechtsform durchgeführt, während die Aufgabe in öffentlicher Hand verbleibt.[58]

 

Von der formellen Privatisierung zu unterscheiden ist weiter die funktionale Privatisierung, welche auch als Erfüllungsprivatisierung bezeichnet wird.[59] Bei der funktionalen Privatisierung verbleibt die Verantwortung für die Wahrnehmung der Aufgaben im öffentlicher Hand, während diese vollständig oder teilweise durch Private erledigt werden.[60] Die funktionale Privatisierung ist damit dem Outsourcing verwandt.[61]

 

Ein drittes Verständnis des Privatisierungsbegriffs ist das der Vermögensprivatisierung. Hierunter ist die Veräußerung von Vermögensgegenständen der öffentlichen Hand zu verstehen.[62]

 

Als letzte Privatisierungsausprägung wird die materielle Privatisierung besprochen. Hierunter ist eine vollständige Abgabe bisher öffentlich erbrachter Aufgaben an einen privaten Anbieter zu verstehen. Die materielle Privatisierung wird auch als „die klassische“[63] Form der Privatisierung bezeichnet. Sie weist die höchste Intensität auf und ist daher auch am umstrittensten.[64]

 

Abschließend sei zu den angeführten Privatisierungsbegriffen und den aufgezeigten Abgrenzungen zwischen diesen noch erwähnt, dass jene sich praktisch nicht immer explizit voneinander trennen lassen, sondern häufig gemeinsam auftreten.[65]

 

Wenn in der weiteren Arbeit der Begriff der Privatisierung verwandt wird, so soll hierunter, wenn nicht ausdrücklich anders beschrieben, die materielle Privatisierung verstanden werden.

 

2.3 Daseinsvorsorge


 

Für die weitere Arbeit ist auch ein Verständnis der Daseinsvorsorge und ihrer Grundidee notwendig. Der Begriff der Daseinsvorsorge wurde durch den deutschen Staatsrechtler Ernst Forsthoff geprägt. Dem Wortlaut entsprechend ging er davon aus, dass es eine Angelegenheit des Gemeinwesens sei, die Bedingungen für das Dasein des einzelnen Menschen durch die Bereitstellung der lebensnotwendigsten Leistungen sicherzustellen.[66] Dieser Auffassung liegt die Idee zugrunde, dass einzelne Menschen die für ein menschenwürdiges Leben wesentlichen Leistungen aus dem Spektrum der Daseinsvorsorge nicht selber bereitstellen können, sondern darauf angewiesen sind, diese von anderen beziehen zu können.[67]

 

In Praxis, wie auch Literatur besteht jedoch keine einheitliche oder abschließende Definition der Daseinsvorsorge. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass es schwierig erscheint, den Umfang der für das menschliche Dasein benötigten Leistungen objektiv und allgemeingültig zu beurteilen, sodass sich in der jeweiligen Begriffsauslegung auch subjektive Urteile und politische Entscheidungen widerspiegeln.[68] Nicht nur aus diesen Gründen, sondern auch aus dem Betrachtungswinkel heraus, dass die Menschheit einer permanenten Evolution unterliegt und dadurch stetig neue Technologien hervorbringt, wie in den vergangenen Jahrzehnten z. B. den Mobilfunk oder das Breitbandinternet, ist es nicht möglich, den Begriff der Daseinsvorsorge abschließend zu definieren; vielmehr ist er als entwicklungsoffen anzusehen.[69] Einigkeit besteht jedoch darüber, dass unter der Daseinsvorsorge eine Grundversorgung der Bevölkerung mit den wesentlichen Infrastrukturgütern verstanden wird.[70]

 

Eine Begriffsannäherung wird häufig auch durch Aufzählungen vorgenommen. Danach sind folgende Leistungen der Daseinsvorsorge zuzurechnen: die Abwasser- und Abfallentsorgung, die Versorgung mit Wasser und Energie, öffentlicher Personenverkehr, Leistungen in den Bereichen Post, Telekommunikation, Eisenbahn und Rundfunk, Sparkassen und öffentliche Versicherer, Bildungseinrichtungen aller Art, Theater- und Sporteinrichtungen sowie die Erbringung von Gesundheitsdiensten.[71]

 

Die unterschiedlichen Leistungen der Daseinsvorsorge werden regelmäßig auch in Gruppen zusammengefasst und untergliedert. Eine gängige Untergliederung kann folgender Abbildung entnommen werden:

 

 

Abbildung 2: Die unterschiedlichen Bereiche der Daseinsvorsorge in der Übersicht (Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung).

 

Auch seitens der EU wird der Daseinsvorsorge eine „Schlüsselrolle“[72] eingeräumt, indem ihre bedeutende Rolle „bei der Förderung von sozialer und territorialer Kohäsion“[73] bekräftigt wird. Hierzu sei angemerkt, dass das Verständnis der Daseinsvorsorge der EU wirtschaftsorientiert ist und sie daher den Begriff der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse[74] geprägt hat, welcher nicht deckungsgleich mit dem deutschen Daseinsvorsorgeverständnis ist.[75] Eine weitergehende Diskussion der diesbezüglichen Unterschiede soll an dieser Stelle jedoch nicht...

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