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Prozesse sprachlicher Verstärkung

Typen formaler Resegmentierung und semantischer Remotivierung

VerlagWalter de Gruyter GmbH & Co.KG
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl392 Seiten
ISBN9783110223866
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis119,95 EUR

Processes in which linguistic entities are 'weakened' formally and in their meaning (e.g. Kien-Föhre > Kiefer) have been well researched, but 'strengthening processes' (e.g. Caribbean hamaca > folk-etymological explanation Hänge-matte) in which linguistic entities are first created have hardly been researched at all. The intention of this volume is to fill this gap by exploring both normal folk-etymologies and more subtle ones. The examples presented include: the interpretation in children's language of heiser as the comparative form of heis - i.e. heis-er, the literal interpretation of expressions (e.g. Gastarbeiter [guest workers] is considered wrong, because guests and work are mutually exclusive) and the attribution of meanings derived from world knowledge to words, which are not contained in the words' literal meaning (see the choices of Germany's annual 'Unwort' competition for the 'un-word' or 'No-No Word of the Year'). Pleonasms (such as Hai-Fisch instead of just Hai) round off the thematic spectrum.

 



Rüdiger Harnisch, Universität Passau.

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Leseprobe

Hans-Werner Eroms


Wörter im Brennpunkt. Die Aktionen „Wort des Jahres“ und „Unwort des Jahres“ als Mittel der Fokussierung öffentlicher Diskurse (S. 245-246)


1. Wort-Wahlen


Die Aktionen „Wort des Jahres“ und „Unwort des Jahres“ lassen sich in ihren gesellschaftlich-politischen, historischen und linguistischen Implikationen auf die unterschiedlichste Weise verstehen. Zunächst sind sie medial wirksame Aktivierungen von metasprachlichen Fähigkeiten in der Bevölkerung, indem sie zur Beobachtung des aktuellen Sprachgebrauchs auffordern. In dieser Aufgabenstellung sind sie aber deutlich mehr: Die Beobachtungen müssen an einem auffälligen Wort- oder Wortgruppengebrauch festgemacht werden. Sie aktivieren also auch das sprachkritische Vermögen. Darin ist die Unwortsuche direkter als die Suche nach dem Wort des Jahres, weil hier der Aufruf ergeht, einen anstößigen Wortgebrauch zu benennen und dies auch zu begründen. Die Suche nach dem Wort des Jahres ist dagegen gleichsam abstrakter, indem hier eine Aufforderung formuliert ist, die aktuelle Zeitströmung als in einem Wort abgebildet wiederzufinden, eine ausgesprochen anspruchsvolle Aufgabe, die auch nicht immer gelingt.

Welche Mechanismen dabei ablaufen, und wie diese primäre Nutzung der Aktionen zu beurteilen ist, werde ich aber noch genauer darstellen, denn sie verbindet sich mit dem zweiten Aspekt dieser Aktionen, den es zu beachten gilt: den Nachwirkungen, die die Suchaktionen gehabt haben, also dem weiterführenden Umgang damit. Denn wenn ein Wort erst einmal öffentlich markiert ist, wird es sogleich kommentiert, ausgelegt und in größere Zusammenhänge eingeordnet. Es ist auffällig geworden, an ihm entzünden sich Meinungsbekundungen, es ruft Zustimmung hervor, aber auch Kritik und Widerspruch, kurz es ist in den öffentlichen Diskurs eingebunden und hat damit gewissermaßen seine Gebrauchsunschuld verloren – wenn es die überhaupt gegeben hat. Bei den genannten Aktionen ist dieser Vorgang ganz offensichtlich. Sofort nach der Kür finden sich in den Medien regelmäßig Kommentierungen, die die Wahl gutheißen und sie damit rechtfertigen oder hinterfragen und damit kritisieren oder aber allgemeine Beobachtungen anstellen. Auch zu diesem Bereich werde ich noch Genaueres anführen, denn hier werden nun analytische Fertigkeiten bei den Sprechern und Sprecherinnen aktiviert, wenn sie diese Wörter und Wendungen aufgreifen und bewusst verwenden.
Damit klinken sie sich in die öffentliche Debatte ein. Denn die öffentliche Kommunikation darf man sich nicht auf die gleichsam obersten Ränge, auf die anerkannt dazu primär legitimierten Schichten beschränkt denken. Nicht nur die Parteien, Verbände und Institutionen, sowie die Prominenten und Intellektuellen, auch alle Medien sind dazu zurechnen; und durch Leserbriefe und Internetäußerungen werden die Möglichkeiten genutzt, sich auch als einfacher Sprachteilhaber in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Dadurch aber lassen sich die Beiträge wiederum für ein bestimmtes, abgegrenztes Zeitintervall als Seismograph werten, mit dem sich bestimmte Strömungen und Trends messen lassen.

Schließlich ist noch ein dritter Aspekt relevant, nämlich die Betrachtung der allgemeinen Bedingungen von Systemänderungen, die sich hier zeigen. Es ist zu fragen, ob nicht durch die Markierung von auffälligem Sprachgebrauch neue Bedeutungen angezeigt werden oder aber durch Rückkopplung zu vergleichbaren Gebrauchsweisen schon bestehende Tendenzen in der Gesellschaft verstärkt werden oder aber gar die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten verändert werden, wenn sich die Bevölkerung auf die Suche nach auffälligem Sprachgebrauch macht. Hier ergibt sich der Anschluss an die Thematik dieser Tagung, die Prozessen der Verstärkung und Bedeutungsanreicherung auf den verschiedenen sprachlichen Ebenen nachgeht.

Inhaltsverzeichnis
Vorwort6
Inhalt8
Zu einer Typologie sprachlicher Verstärkungsprozesse14
Sekretion und Exaptation als Mechanismen in der Wortbildung und Grammatik40
„Exaptation“ in der Sprachwandeltheorie. Eine Begriffspräzisierung52
„… es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.“ Remotivationstendenzen70
... und aus der Isar steiget der weiße Neger Wumbaba. Lautgestaltprägende Elemente bei der Schöpfung von Mondegreens98
Wortkreuzung und Sekretion neuer Konfixe118
Von Schreiner zu Schreinert oder: Auf dem Wege zu einem onymischen Suffix? Der -ert-Ausgang als Ergebniseines onymischen Verstärkungsprozesses140
Ein Index will nach oben, oder: Ein Weg zur Grammatikalisierung innerhalb der Wortgrenzen168
Zum Verhältnis von Verstärkungsprozessen und Grammatikalisierung192
De-Idiomatisierung und Neu-Idiomatisierung als spannende Sprachstrategien210
Entwicklungsländer, Gastarbeiter, Schwangerschaftsunterbrechung. Formen und Funktionen semantischer Remotivierungen im öffentlich-politischen Sprachgebrauch224
Sprachliche Verstärkungen in öffentlicher Sprachkritik. Erfahrungen und Perspektiven am Beispiel der Wahl von „Unwörtern des Jahres“240
Wörter im Brennpunkt. Die Aktionen „Wort des Jahres“ und „Unwort des Jahres“ als Mittel der Fokussierung öffentlicher Diskurse256
Analogie und die Verbreitung der verbalen Kongruenz bei Imperativen, Konjunktionen und Antwortpartikeln280
Von Bilchmäusen und Entwicklungsprozessen. Zum Verstärkungsmotiv in der deutschen Wortbildung318
Die semantische und die grammatische Sekretion am Beispiel der Komparativpositive328
Delokutiver Bedeutungswandel und delokutive Derivation352
Register374

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