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E-Book

Psychodynamische Psychotherapie

Störungsorientierung und Manualisierung in der therapeutischen Praxis

AutorFalk Leichsenring, Günter Reich, Manfred E. Beutel, Stephan Doering
VerlagHogrefe Verlag Göttingen
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl154 Seiten
ISBN9783840921490
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Dieses Buch vermittelt konzeptuelles und methodisches Grundlagenwissen zur psychoanalytischen und psychodynamischen Praxis. Auf dem Hintergrund ihrer jeweiligen theoretischen Konzepte und Anwendungsbereiche werden Entwicklungen der psychoanalytischen Behandlungstechnik aufgezeigt und Unterschiede der wichtigsten psychodynamischen Verfahren dargestellt. Ferner wird auf die störungsorientierte psychoanalytische Therapie eingegangen und es werden Fragen nach Technik vs. Beziehung, nach analytischer vs. tiefenpsychologischer sowie nach Kurz- vs. Langzeittherapie diskutiert. Ein weiteres Kapitel des Bandes erörtert die Grundlagen evidenzbasierter Psychotherapie auch unter wissenschaftstheoretischen Überlegungen. Die Wirksamkeit von Psychoanalyse wird anhand der vorliegenden Psychotherapiestudien, störungsspezifischen Behandlungsmodellen und vorliegenden Therapiemanualen dargestellt. Der Einfluss der Therapieforschung auf die klinische Praxis wird reflektiert. Dabei werden zunächst die Wirkfaktoren von Psychotherapie vorgestellt, bevor die Bedeutung manualisierter Therapieansätze für die Praxis und die Psychotherapieausbildung sowie der Prozess der Leitlinienerstellung diskutiert werden. Abschließend werden die Vorzüge und Probleme bei der Manualisierung psychoanalytischer Therapieverfahren werden abgewogen. Die neue Reihe: Obwohl ein großer Teil der durchgeführten Psychotherapien in Deutschland psychodynamischer Ausrichtung ist, fehlt bislang für die psychodynamisch orientierte Praxis eine kompakte, übersichtliche und klinisch wie wissenschaftlich aktuell aufbereitete Reihe zu Störungsbildern und -gruppen sowie zu spezifischen psychotherapeutischen Verfahren. Die neue Reihe will zur empirischen Absicherung von psychodynamischer Psychotherapie beitragen. Hierzu sollen innovative wie bewährte störungsbezogene Behandlungsmanuale für die ­psychotherapeutische Aus-, Fort- und Weiterbildung zugänglich gemacht werden. Die einzelnen Bände der Reihe werden jeweils ein bestimmtes psychodynamisches Verfahren für einen spezifischen Störungsbereich vorstellen. Voraussetzung für den Einschluss eines Verfahrens in die Reihe ist, dass empirische Wirksamkeitsnachweise vorliegen. Bei den geplanten Bänden handelt es sich um Prozess­manuale, wie sie für psychodynamische Behandlungsverfahren kennzeichnend sind. Eingegangen wird jeweils auf die psychodynamische Diagnostik, auf Übertragungs-/Gegenübertragungsprozesse, die therapeutische Beziehung, auf Abwehr und Widerstand, die Fokusbildung unter Einbeziehung der Symptomatik sowie auf Interventionen, die sich als hilfreich erwiesen haben.

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Kapitelübersicht
  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Einleitung
  3. 1 Entwicklung von Psychoanalyse und psychoanalytisch begründeten Therapieverfahren
  4. 2 Evidenzbasierung in der Psychotherapie
  5. 3 Psychoanalyse und psychodynamische Therapien aus Sicht der Psychotherapieforschung
  6. 4 Psychotherapieforschung und psychotherapeutische Praxis
  7. 5 Ziele der Manualreihe
  8. Literatur
Leseprobe
1 Entwicklung von Psychoanalyse und psychoanalytisch begründeten Therapieverfahren (S. 1-2)

1.1 Differenzierungen und Veränderungen der psychoanalytischen Behandlungstechnik

Seit ihren ersten Anwendungen wurde das behandlungstechnische Vorgehen in der Psychoanalyse und später in den analytischen Psychotherapien immer wieder den jeweiligen Störungsbildern, dem Behandlungsprozess und nicht zuletzt den äußeren Lebensumständen von Patienten angepasst. Freud selbst machte hier den Anfang. So formulierte er, „dass die verschiedenen Krankheitsformen, die wir behandeln, nicht durch dieselbe Technik erledigt werden können“ (Freud, 1919, S. 191). Dabei bezog er sich auch auf Patienten, „die so haltlos und existenzunfähig sind, dass man bei ihnen die analytische Beeinflussung mit der erzieherischen vereinigen muss“ (Freud, 1919, S. 190). Freud selbst variierte seine Position zwischen Modifizierung und Kodifizierung, unter anderem aufgrund der in der Frühzeit der Psychoanalyse vorkommenden gravierenden Abstinenzverletzungen sowie der Probleme, die die „wilde Analyse“ für Patienten und den Ruf dieser vielfach angefeindeten neuen Therapie erbrachte.

Gleichzeitig war es ihm ein Anliegen, die Psychoanalyse für bisher nicht erreichte Leidende verfügbar zu machen. „Andererseits lässt sich vorhersehen: Irgend einmal wird das Gewissen der Gesellschaft erwachen und sie mahnen, dass der Arme ein ebensolches Anrecht auf seelische Hilfestellung hat wie bereits jetzt auf lebensrettende chirurgische. Und dass die Neurosen die Volksgesundheit nicht minder bedrohen als die Tuberkulose und ebenso wenig wie diese der ohnmächtigen Fürsorge der Einzelnen aus dem Volke überlassen werden können. Dann werden also Anstalten oder Ordinationsinstitute errichtet werden, an denen psychoanalytisch ausgebildete Ärzte angestellt sind, um die Männer, die sich sonst dem Trunk ergeben würden, die Frauen, die unter der Last der Entsagungen zusammenzubrechen drohen, die Kinder, denen nur die Wahl zwischen Verwilderung und Neurose bevorsteht, durch Analyse widerstands- und leistungsfähig zu erhalten. (…) Es mag lange dauern, bis der Staat diese Pflichten als dringende empfindet (…) aber irgend einmal wird es dazu kommen (…). Wir werden wahrscheinlich auch sehr genötigt sein, in der Massenanwendung unserer Therapie das reine Gold der Analyse reichlich mit dem Kupfer der direkten Suggestion zu legieren, und auch die hypnotische Beeinflussung könnte dort wie bei der Behandlung der Kriegsneurotiker wieder eine Stelle finden“ (S. 193).

Vorschläge zur Modifikation der psychoanalytischen Technik bezogen sich von Beginn an auf folgende Aspekte: • Eine Verkürzung der Dauer psychoanalytischer Behandlungen, obwohl diese in den 1920er, 1930er und 1940er Jahren oft nicht über ein Jahr hinausgingen. Freuds Hysterie-Behandlungen könnten durchaus als „hochfrequente Kurzzeitanalysen“ bezeichnet werden (Rüger & Reimer, 2006a, S. 4).

• Eine Intensivierung des psychoanalytischen Prozesses.
• Eine Erweiterung auf bisher nicht oder nur unzureichend behandelbare oder behandelte Patientengruppen, z. B. auf die Behandlung älterer Patienten (Abraham, 1919).

Dabei spielten folgende Aspekte, die im Weiteren detaillierter behandelt werden, eine wesentliche Rolle:

• Die Einführung von Verhaltensaufforderungen, die die spezifische Abwehr, z. B. das Vermeiden bei Angstneurotikern, direkt angehen sollte.
• Die zunehmende Berücksichtigung der Ich-Struktur und deren Störungen sowohl bei den „klassischen Übertragungsneurosen“ wie bei anderen Störungsbildern mit „Ich-Schwächen“.
• Die Erfahrung, dass hauptsächlich durch Aktualkonflikte (d. h. nicht durch langfristige neurotische Entwicklungen) bedingte Störungen in kürzeren Therapien behandelt werden konnten.
• Die zunehmende Berücksichtigung der Interaktionsmuster von Patienten innerhalb wie außerhalb der therapeutischen Beziehung und die Nutzung von deren Bearbeitung für den therapeutischen Prozess.

Modifikationen der psychoanalytischen Technik waren lange Zeit mit dem Verdikt der „Dissidenz“ versehen. Cremerius (1984c) zeigt auf, dass Freud selbst in seiner Behandlungstechnik „dissidenter“ war, als viele seiner engeren Schüler und Nachfolger. Die Entwicklung der Psychoanalyse zeigt, dass Konzepte und technische Überlegungen, die zunächst als „dissident“ galten, im Verlaufe der Zeit zumindest partiell Eingang in den psychoanalytischen „mainstream“ fanden. Dies gilt für Alexanders und Frenchs „korrigierende emotionale Erfahrung“ ebenso wie für Kohuts Konzept des Selbstobjekts (vgl. auch Mertens, 1990, Thomä & Kächele, 2006). Kaum jemand wird heute ernsthaft bestreiten, dass eine gelungene psychoanalytisch begründete Psychotherapie auch eine verändernde emotionale Erfahrung und oft auch eine neue Selbstobjekt-Erfahrung ist. Beispielsweise ist das bei wirksamen Therapien beim Patienten vorhandene oder zunehmende Gefühl von Sicherheit eine solche notwendige Erfahrung mit einem bedeutenden anderen (vgl. auch Thomä & Kächele, 2006, S. 358). Erhellend ist in diesem Zusammenhang auch das Schicksal der Bindungstheorie, der hieraus folgenden Bewertung der äußeren Beziehungsrealität sowie deren
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis6
Einleitung8
1 Entwicklung von Psychoanalyse und psychoanalytisch begründeten Therapieverfahren12
1.1 Differenzierungen und Veränderungen der psychoanalytischen Behandlungstechnik12
1.2 Parameter in der psychoanalytischen Behandlung14
1.3 Der Einfluss der Ich-Psychologie15
1.4 Niederfrequente analytische Psychotherapie nach Sven O. Hoffmann23
1.5 Der Einfluss der Objektbeziehungstheorien23
1.6 Einflüsse der Selbstpsychologie27
1.7 Die Entwicklung interpersoneller Ansätze in der psychodynamischen Psychotherapie29
1.8 Mentalisierungsbasierte Psychotherapie schwerer Persànlichkeitsstörungen40
1.9 Eklektische Ansätze42
1.10 Die Entwicklung psychoanalytischer Kurzzeittherapien45
1.11 Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen modifizierten Verfahren und psychoanalytischen Psychotherapien54
2 Evidenzbasierung in der Psychotherapie57
2.1 Anforderungen und Grenzen evidenzbasierter Psychotherapie57
2.2 Zur Kontroverse um randomisiert-kontrollierte vs. naturalistische Studien59
2.2.1 Randomisierte kontrollierte Studien60
2.2.2 Naturalistische Studien62
2.2.3 Wissenschaftstheoretische Betrachtung63
2.2.4 Grundlagenforschung, Psychotherapieforschung und psychotherapeutische Praxis65
2.2.5 Evidenzstufen von naturalistischen Studien67
2.3 Diskussion70
3 Psychoanalyse und psychodynamische Therapien aus Sicht der Psychotherapieforschung74
3.1 Forschung zur Psychoanalyse74
3.1.1 Frühe statistische Studien74
3.1.2 Klinisch- quantitative Katamnesestudien75
3.1.3 Klinische Einzelfallstudien80
3.1.4 Aktuelle europäische Studien81
3.1.5 Kosten- Nutzenüberlegungen88
3.1.6 Zusammenfassung91
3.2 Wirksamkeitsforschung zu psychodynamischer Psychotherapie anhand störungsspezifischer Behandlungsmodelle und Therapiemanuale92
4 Psychotherapieforschung und psychotherapeutische Praxis109
4.1 Wirkfaktoren der Psychotherapie109
4.2 Konsequenzen für die psychotherapeutische Praxis115
4.3 Bedeutung der psychotherapeutischen Technik im Licht der Psychotherapieforschung116
4.4 Manuale in der psychotherapeutischen Praxis119
4.5 Psychotherapieausbildung121
4.6 Evidenzbasierte Behandlungsrichtlinien123
4.7 Psychotherapeuten als Teilnehmer von Therapiestudien124
5 Ziele der Manualreihe126
5.1 Zielsetzungen126
5.2 Aufbau und Format der Reihe127
5.3 Kriterien für den Einschluss von Behandlungsmanualen128
5.4 Ausblick128
Literatur130

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