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Psychologie der Dienstleistung

AutorFriedemann W. Nerdinger
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl212 Seiten
ISBN9783840923524
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis32,99 EUR
Die Psychologie der Dienstleistung erforscht das Erleben und Verhalten von Dienstleistern und Kunde sowie die Interaktionsprozesse zwischen diesen beiden Akteuren. Die Wahrnehmung und emotionalen Bewertungen dieser Interaktionsprozesse spielen eine wichtige Rolle für die Bewertung der erfolgten Dienstleistung und beeinflussen somit maßgeblich deren Erfolg. Das Buch liefert einen aktuellen Überblick über den Stand der Forschung zu den psychologischen Aspekten der Dienstleistung. Auf der Seite des Dienstleisters werden Einflussgrößen wie beispielsweise die Persönlichkeit, die Entstehungsbedingungen von Kundenorientierung und die Analyse des konkreten Verhaltens im Kundenkontakt betrachtet. Mit Blick auf den Kunden wird den Fragen nachgegangen, wie Kundenzufriedenheit entsteht und welche Aspekte Einfluss auf die Wahrnehmung der Dienstleistungsqualität haben. Der Band beleuchtet schließlich auch die Rolle der Organisation und diskutiert dabei Interventionsmöglichkeiten auf den Ebenen der Mitarbeiterauswahl, der Führung, des Trainings und des Dienstleistungsklimas.

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Kapitelübersicht
  1. Vorwort
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. Teil I: Grundlagen
  4. Teil II: Dienstleistungsdyade
  5. Teil III: Dienstleistungstriade
  6. Literatur
Leseprobe
2. Bei der Produktion problemorientiert-interaktiver Dienstleistungen werden die zur Leistungserstellung notwendigen Informationen entweder indirekt über verschiedene Medien oder im direkten Kontakt durch den Kunden vermittelt. Beispiele dafür bilden Anwaltsbüros oder Werbeagenturen. Der Kunde steuert in diesen Fällen durch seine Vorstellungen und Wünsche die Produktion der Dienstleistung in starkem Maße, daher hat die Qualität der Interaktion entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis.

3. Bei persönlich-interaktiven Dienstleistungen bildet die Person des Kunden das Objekt der Leistungserstellung – Beispiele sind die Leistungen von Friseuren, Physiotherapeuten, psychotherapeutische Behandlungen oder Weiterbildungsveranstaltungen. Die Dienstleistung besteht in diesem Fall in der Einwirkung auf den intellektuellen, emotionalen und/oder physischen Bereich des Kunden, die produzierte Leistung erschöpft sich weitgehend in der Interaktion mit dem Dienstleister.

Für eine Psychologie der Dienstleistung sind die persönlich-interaktiven Tätigkeiten besonders wichtig, da hier der wesentliche Teil der beruflichen Tätigkeit in der Interaktion mit dem Kunden besteht. Bei den unterstützend-interaktiven und den problemorientiert-interaktiven Dienstleistungen interessieren dagegen in erster Linie diejenigen Tätigkeiten, die das Kundenkontaktpersonal in direkter Interaktion mit den Kunden verrichtet. In diesen Fällen kann die Analyse der Interaktion zwar nicht die ganze Dienstleistung bzw. ihr Ergebnis erklären, der Ablauf der Begegnung zwischen Dienstleister und Kunde hat aber einen mehr (problemorientiert-interaktiv) oder weniger (unterstützend-interaktiv) großen Einfluss auf das Ergebnis der Dienstleistung.

Die Klassifikation von Klaus (1984) thematisiert nur die Rolle der Interaktion im Rahmen der Dienstleistung, welche Formen sich aus dem Kontakt zwischen Dienstleister und Kunde entwickeln können, darüber wird nichts ausgesagt. Gutek (1995, 1999; vgl. auch Gutek, Bhappu, Liao-Troth & Cherry, 1999) unterscheidet in Bezug auf Dienstleistungen drei Formen des Kontakts: Begegnungen, Beziehungen und Pseudobeziehungen.

1. Begegnungen bestehen aus einer isolierten Interaktion zwischen einem Dienstleister und einem Käufer, die beiden verbindet keine gemeinsame Vergangenheit und keiner der Beteiligten erwartet, dem anderen in der Zukunft wieder zu begegnen. In diesem Fall ist nach Gutek (1995) das Verhalten beider Akteure allein vom ökonomischen Selbstinteresse geleitet. Kunden erleben das Verhalten des Dienstleisters daher als strategisch geprägt, weshalb sie in bloßen Begegnungen mit einem gewissen Misstrauen interagieren (zum Problem strategischen Verhaltens im Rahmen von Beratungen vgl. Jonas, Kauffeld & Frey, 2007; Kauffeld, Jonas & Schneider, 2009).

2. Beziehungen liegen vor, wenn Dienstleister und Käufer bereits einige Erfahrungen miteinander haben und auch in Zukunft geschäftlichen Kontakt erwarten. In diesem Fall soll nach Gutek (1995; 1999) das ökonomisch definierte Selbstinteresse, das zu rein opportunistischem Verhalten führen kann, durch eine gemeinsam geteilte Interessenbasis überwunden werden (zur Frage, welche Kunden überhaupt eine Beziehung zu Dienstleistern erwarten, vgl. Danaher, Conroy & McColl-Kennedy, 2008).

3. Schließlich kommt es bei Pseudobeziehungen zu wiederholten Kontakten zwischen einem Kunden und einer Dienstleistungsorganisation, aber nicht notwendig zu denselben Mitarbeitern der Organisation. In diesem Fall werden zwar keine wiederholten Interaktionen mit einer bestimmten Person erwartet, es besteht aber eine gewisse Vertrautheit mit dem Unternehmen, die an eine Beziehung gemahnt. Diesen Eindruck verstärkt die Erwartung, auch künftig mit dem Unternehmen in Kontakt zu kommen.

Die analytisch entwickelte Klassifikation von Gutek (1995) muss allerdings vor dem Hintergrund empirischer Befunde modifiziert werden. Beetles und Harris (2010) werten den Grad der Intimität als entscheidendes Merkmal einer Beziehung. Intimität definieren sie als die wiederkehrende Präferenz für eine warme, enge, kommunikative Interaktion mit anderen, in der ein interpersonaler Austausch als Selbstzweck und nicht als Mittel für andere Zwecke erlebt wird. In einer qualitativen Befragung von 30, nach den demografischen Merkmalen breit gestreuten Konsumenten bestätigt sich die so verstandene Intimität als Basis einer Beziehung. Intimität mit größeren Unternehmen ist aber nach Aussage der Befragten undenkbar, sodass die Pseudobeziehungen, die ja per definitionem mit größeren Unternehmen bestehen sollten, kaum als Beziehungen im engeren Sinne zu qualifizieren sind. Bei echten Beziehungen unterscheiden die Befragten wiederum in soziale, physische, emotionalpsychologische und sexuelle Intimität. Soziale Intimität entsteht durch die Preisgabe persönlicher Informationen, die das „normale“ Maß eines geschäftlichen Austauschs übersteigen – die Befragten nennen hier als Beispiele die Beziehung zu ihrem Pub oder zu einem kleinen Zigarettenladen, mit deren Besitzern sie auch über persönliche Dinge sprechen. Physische Intimität entsteht durch den häufigen körperlichen Kontakt z.B. mit dem Physiotherapeuten oder dem Friseur – die für solche Dienstleistungen notwendige Verletzung des persönlichen Raums setzt ein besonderes Vertrauensverhältnis voraus, das die Anforderungen an soziale Intimität deutlich übersteigt. Emotional-psychologische Intimität bezieht sich auf die Preisgabe intimer Informationen, die mit dem Dienstleister besprochen werden, weil dessen Meinung zu entsprechenden Fragen als besonders wertvoll eingestuft wird. Als Beispiele werden hier wieder Friseure, aber auch Schönheitschirurgen genannt. Schließlich erläutern zwei befragte Männer auch die sexuelle Intimität, die bei ihren Kontakten mit Prostituierten für sie Voraussetzung für eine erwünschte Beziehungsform ist. Diese Spezifizierung der Kontaktsituation hat Auswirkungen auf die psychologische Bedeutung der jeweiligen Interaktion: Während Begegnungen im Sinne von Gutek (1995) von den Dienstleistern häufig nahezu automatisch und relativ unpersönlich abgewickelt werden, erfordern berufliche Dienstleistungsbeziehungen ein bestimmtes Maß an Vertrauen, das je nach dem dabei relevanten Grad der Intimität variiert bzw. spezifische Formen annimmt. Der jeweiligen Intimität muss sich der Dienstleister aber erst durch sein aufmerksames und verlässliches Verhalten würdig erweisen. In Pseudobeziehungen hat wiederum die Organisation ein basales Interesse, dass der Kunde einen positiven Eindruck von den Kundenkontaktmitarbeitern erhält, die in diesem Fall in erster Linie als Repräsentanten der Organisation wahrgenommen werden. Entsprechend sollte in solchen Fällen die Organisation großen Wert auf die Schulung des aus ihrer Sicht wünschenswerten Verhaltens legen. Ob diese Bemühungen bei großen Unternehmen Erfolg haben, scheint aber durchaus fraglich – zumindest das Gefühl der Intimität wird sich auf diesem Wege wohl nicht einstellen.

Mit welcher Klassifikation man an das Problem der Dienstleistungen auch herangeht, in jedem Fall bildet der Mitarbeiter die Schnittstelle zwischen der Organisation und den Kunden. Die psychologische und ökonomische Bedeutung dieser Schnittstelle und damit der hier interessierenden Tätigkeiten im Kundenkontakt lässt sich anhand der Service-Profit-Chain veranschaulichen.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort7
Inhaltsverzeichnis9
Teil I: Grundlagen13
1 Ökonomische Bedeutung und das Definitionsproblem15
2 Klassifikationen von Dienstleistungsbranchen18
3 Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit: Die Service-Profit-Chain23
4 Das Feld einer Psychologie der Dienstleistung25
Teil II: Dienstleistungsdyade27
5 Modell der Dienstleistungsdyade29
6 Die Person des Dienstleisters33
7 Die Person des Kunden100
8 Interaktion zwischen Dienstleister und Kunde121
Teil III: Dienstleistungstriade143
9 Modell der Dienstleistungstriade145
10 Die Beziehung Organisation zu Kunde147
11 Die Beziehung Organisation zu Mitarbeiter161
Literatur195

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