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Psychosoziale Beratung im Kontext von pränataler Diagnostik

Rolle und Aufgabe der Sozialen Arbeit

AutorSandra Mette
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl84 Seiten
ISBN9783656841753
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,0, Hochschule Koblenz (ehem. FH Koblenz), Sprache: Deutsch, Abstract: Mithilfe der Arbeit soll analysiert werden, ob und wie schwangere Frauen durch eine psychosoziale Beratung unterstützt werden können, damit sie bewusste und für sich richtige Entscheidungen hinsichtlich pränataler Diagnostik treffen können. Des Weiteren soll untersucht werden, welchen Beitrag die Soziale Arbeit dabei leisten kann.

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Leseprobe

3. Entscheidungsprozesse im Kontext von PND


 

Im Verlauf einer Schwangerschaft und insbesondere hinsichtlich einer pränatalen Diagnostik müssen Frauen viele schwierige Entscheidungen treffen. Wer letztlich diese Entscheidungen trifft – die schwangere Frau alleine oder die werdenden Eltern gemeinsam – wurde bisher wissenschaftlich noch nicht erforscht. Hürlimann (2008, S. 94) vermutet jedoch, dass sich hauptsächlich die Frau alleine für oder gegen vorgeburtliche Untersuchungsmethoden entscheidet.

 

Die folgenden Kapitel zeigen Situationen im Rahmen der PND, in denen Entscheidungen zu treffen sind, theoretische Grundlagen einer Entscheidung und beeinflussende Faktoren.

 

3.1. Entscheidungs- und Konfliktsituationen


 

Die Inhalte und Bedingungen für Entscheidungen im Kontext von pränataler Diagnostik richten sich nach dem Zeitpunkt, an welchem sie zu treffen sind.

 

Vor einer PND

 

Pränatale Diagnostik ist eine freiwillige medizinische Maßnahme und bedarf als solche des informierten Einverständnisses der schwangeren Frau. Dabei geht es um die Frage, ob und welche vorgeburtlichen Untersuchungen sie nutzen möchte (vgl. Hürlimann 2008, S. 88f.). Der Frau stehen sowohl von den gesetzlichen Krankenkassen übernommene Untersuchungen als auch privat zu zahlende Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) zur Auswahl (vgl. Haker 2011, S. 114).

 

Nach einer PND

 

Ein unauffälliger Befund reduziert Ängste und trägt in der Regel zu einem sorgenfreieren Erleben der Schwangerschaft bei. Die Situation nach einem auffälligen Befund hingegen stellt für die schwangere Frau einen emotional belastenden, krisenhaften Konflikt dar. Caplan (1977, S. 56ff.) bezeichnet Krisen als kurze, normale oder ungewöhnliche Übergangsperioden bzw. „emotional bedeutsamen Wendepunkte“ im Verlauf der psychischen Entwicklung, die entstehen, wenn Menschen Probleme mit ihren eigenen Kapazitäten nicht lösen bzw. sich nicht anpassen können. Probleme sind für ihn interne oder externe Veränderungen (z.B. Krankheit, Trauma oder hohe Anforderungen), die eine Anpassung durch Umwandlung der Umwelt oder der eigenen Psyche erfordern. In der Sozialen Arbeit beziehen sich Probleme hauptsächlich auf soziale und gesellschaftliche Anforderungen, welche die Bewältigungsmöglichkeiten des Betroffenen übersteigen (vgl. Mennemann 2013, S. 579f.). Die Krisensituation selbst wird begleitet von Gefühlen wie Frustration, Angst und Hilflosigkeit (vgl. Caplan 1977, S. 58), ebenso sind Ärger und Sprachlosigkeit möglich (vgl. Dorn/Rohde 2010, S. 34).

 

Krisen nach einem auffälligen pränataldiagnostischen Befund entstehen, weil die schwangere Frau die Erkrankung oder Entwicklungsstörung selbst negativ bewertet, sie sich der Möglichkeit eines pathologischen Befundes und seiner Konsequenzen im Vorfeld der PND nicht bewusst war oder diese verdrängt hat (vgl. ebd., S. 32). Eine solche Situation tritt vor allem bei risikoarmen Untersuchungen ein, da hier, im Gegensatz zu invasiven Methoden, eine intensive Abwägung mit möglichen Komplikationen häufig entfällt (vgl. Maio 2013, S. 39). Der Wunsch nach einem gesunden Kind scheint nicht mehr erfüllbar, sodass einige Frauen mit Enttäuschung und Trauer reagieren oder sich für das Entstehen der Störung schuldig fühlen (vgl. Wassermann/Rohde 2009, S. 11). In dieser krisenhaften Lebenssituation sind Entscheidungen über weitere Handlungsschritte zu treffen, wie Untersuchungen, pränatale Therapien und einen Schwangerschaftsabbruch als alternative Option zum Fortsetzen der Schwangerschaft (vgl. Hürlimann 2008, S. 89).

 

Was es bedeutet, sich zu entscheiden, und wie Entscheidungen wissenschaftlich erklärt wer-den, zeigt das nächste Kapitel.

 

3.2. Entscheidungsfindung


 

Eine Entscheidung zu treffen bedeutet, dass in einer konkreten Situation einer Person mindestens zwei Optionen (Objekte oder Handlungen) zur Auswahl stehen, sie diese vergleicht und beurteilt, um anschließend eine Option der bzw. den anderen vorzuziehen. Die getroffene Entscheidung zeigt sich in einer verbalen Äußerung oder im Verhalten. Aus Entscheidungen ergeben sich eindimensionale oder vielfältige Konsequenzen, die sich zudem danach unterscheiden, ob sie sicher voraussehbar oder aufgrund nicht beeinflussbarer zukünftiger Einflüsse lediglich abschätzbar sind (vgl. Jungermann u.a. 2010, S. 3f.). Entscheidungen zwischen vorgegebenen oder erzeugten Optionen vollziehen sich in einem Schritt oder mehrstufig, sodass nachfolgende Entscheidungen von der vorhergehenden Konsequenz abhängen. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal liegt in der Situation der Entscheidung, die entweder einzigartig ist oder sich zukünftig wiederholt (vgl. ebd., S. 27–30).

 

Nach welchen Kriterien Personen eine bestimmte Option vorziehen, ist Gegenstand kontroverser Fachdiskussionen (vgl. ebd., S. 251). Eine weit verbreitete Vorstellung ist die SEU-Theorie (Subjective Expected Utility), die besagt, dass sich Personen für die Option entscheiden, bei der sie den größten subjektiven Nutzen erwarten (vgl. ebd., S. 205). Auch die ärztliche Beratung nutzt dieses Modell. Nachdem der Arzt den Patienten über Optionen, Konsequenzen und Wahrscheinlichkeiten aufgeklärt hat, bewertet dieser die jeweiligen Konsequenzen. Unter Berücksichtigung der subjektiven Bewertungen und objektiven Wahrscheinlichkeiten ergibt sich eine Rangfolge der bevorzugten Optionen (vgl. ebd., S. 379). Handelt es sich hingegen um moralische Entscheidungen, werden Optionen nicht unbedingt ausschließlich nach ihren Konsequenzen bewertet, sondern auch nach den vor sich selbst oder anderen zu rechtfertigenden Gründen einer Handlung (vgl. ebd., S. 25).

 

Eine Entscheidung erfordert Wissen über verschiedene Optionen (vgl. ebd., S. 8). Je nach Menge des vorhandenen Wissens und dem daraus resultierenden kognitiven Aufwand zur Problemlösung unterscheiden sich verschiedene Entscheidungsprozesse (vgl. ebd., S. 31). Entscheidungen im Kontext von PND sollten möglichst reflektiert von der schwangeren Frau selbst getroffen werden. Bei ihnen ist der kognitive Aufwand hoch, da unter Umständen erst Informationen gesammelt werden müssen und der Entscheidungsprozess eine Bewertung der Optionen und/oder Konsequenzen erfordert (vgl. ebd., S. 34f.). Das notwendige Wissen bezieht sich auf Erkrankungen, Untersuchungsmethoden und deren Aussagekraft (vgl. Hürlimann 2008, S. 91) sowie auf mögliche Konsequenzen und Konfliktsituationen. Zudem muss sich die Frau mit ihrer Lebenswelt und ihren Werten auseinandersetzen. Eine solche, aus einem komplexen Entscheidungsfindungsprozess resultierende bewusste, selbstbestimmte und tragfähige informierte Entscheidung (informed consent) ist nicht nur zwingend für alle medizinische Maßnahmen erforderlich, sondern auch, damit die Frau diese und ihre Folgen vor sich selbst rechtfertigen kann (vgl. Baumann-Hölzle 2008, S. 64f.; BÄK 1998, A-3236). Allerdings zeigt sich häufig, dass informierte Entscheidungen nicht immer gegeben sind. Die sich aus einer PND möglicherweise ergebenden Konsequenzen werden von Ärzten oftmals nicht vollständig vermittelt, um die Frau nicht unnötig zu beunruhigen oder aufgrund anderer eigener Interessen (siehe Kapitel 3.3.3, S. 26) (vgl. Deutscher Ethikrat 2013, S. 150f.). Auch die in der Einleitung erwähnte Studie der BZgA bestätigt den Eindruck eines unzureichenden Informationsstandes.[3] Um dieses Informationsdefizit zu beheben, kann die psychosoziale Beratung Unterstützung anbieten. Die Gründe hierfür sind im Kapitel 5.2.3. (S. 38) dargelegt.

 

Das folgende Kapitel gibt eine Übersicht über verschiedene Bedingungen und Erwartungen, die eine Bewertung von Optionen bzw. Konsequenzen und damit das Treffen von Entscheidungen im Kontext von pränataler Diagnostik beeinflussen.

 

3.3. Beeinflussende Faktoren für eine Entscheidungsfindung


 

Entscheidungen im Kontext von PND betreffen insbesondere die Inanspruchnahme von Untersuchungen und die Frage nach einem Fortsetzen oder Abbruch der Schwangerschaft als mögliche Konsequenz eines auffälligen Befundes. Diese Entscheidungen sind das Ergebnis einer Abwägung verschiedener Aspekte und hängen somit von vielfältigen Faktoren ab (vgl. Wassermann/Rohde 2009, S. 117). Nicht nur die eigene familiäre und finanzielle Situation beeinflussen eine Entscheidungsfindung, sondern auch individuelle Werte, Wünsche und Einstellungen, das soziale Umfeld, gesellschaftliche Erwartungen, Interessen verschiedener Gruppen (z.B. Ärzte) sowie spezifische Bedingungen der PND (vgl. Hürlimann 2008, S. 88).

 

Die folgende Darstellung zeigt einige wichtige Einflussfaktoren. Im Einzelfall müssen nicht alle zutreffen, dafür sind weitere, hier nicht genannte möglich. Da jeder Entscheidung individuelle Aspekte zugrundeliegen, sind diese nicht den verschiedenen Situationen zugeordnet.

 

3.3.1. Persönliche Situation und Einstellungen


 

Die größten Einflussfaktoren auf Entscheidungen im Kontext von PND bilden die eigenen Lebensbedingungen und Zukunftswünsche (vgl. Baumann-Hölzle 2008, S. 64).

 

Die Lebenssituation von Frauen hat sich in den vergangenen...

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