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E-Book

Quer durch Afrika

Vollständige Ausgabe

AutorGerhard Rohlfs
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl337 Seiten
ISBN9783849625269
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
In diesem Reisebericht beschreibt der Afrikaforscher die Erstdurchquerung der Sahara vom Mittelmeer zum Golf von Guinea Inhalt: In Tripolis Von Tripolis nach Rhadames Die Stadt Rhadames und ihre Bewohner Meine Erlebnisse in Rhadames Von Rhadames nach den Schwarzen Bergen Ankunft in Fesan Aufenthalt in Mursuk Zwischen Fesan und Kauar Kauar und die Tebu Von Kauar nach Kuka Empfang und Aufenthalt in Kuka Die Hauptstadt Kuka, der Markt und das Reich Bornu Reise nach Uandala Beim Sultan von Uandala Weiterer Aufenthalt in Kuka und Abreise Durch das südwestliche Bornu ins Reich der Pullo Im Reich Bautschi Über Keffi Abd-es-Senga bis an den Benue Auf dem Benue nach Lokoja Ins Königreich Nyfe (Nupe) und durch die Jorubaländer an den Golf von Guinea

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Leseprobe

Die Stadt Rhadames und ihre Bewohner


 


Fast überall, wo ein mächtiges Felsplateau mittels steiler Wände auf die Ebene drückt, springen, selbst in der Sahara, Quellen aus der Erde hervor, die den Boden bewässern und in der Wüste dann Oasen entstehen lassen. Einer solchen Quelle verdankt auch die Oase Rhadames ihre Entstehung.

 

Unzweifelhaft waren die Umgebungen dieser Quelle, die naturgemäß eine dichte Palmenvegetation erzeugte, schon in grauer Vorzeit von Ansiedlern bewohnt. Davon zeugen die zum Teil noch aufrechtstehenden Ruinen runder und viereckiger Türme aus roh bearbeitetem Stein, von den Eingeborenen »Esnamen« (die Götzenbilder) genannt. In jedem Turm befindet sich zur ebenen Erde eine meist gut erhaltene, oben spitz zulaufende gewölbte Kammer und in einigen über derselben ein zweiter ähnlicher Raum, zu dem von außen steinerne Stufen hinaufführen. Aus festem Material gebaut und vielleicht durch Mauern miteinander verbunden, hatten sie wahrscheinlich den doppelten Zweck, sowohl als Zufluchtsstätte und Schatzkammer wie auch zur Verteidigung gegen feindliche Angriffe zu dienen.

 

Alles deutet darauf hin, daß die Türme, lange bevor die Römer nach Rhadames kamen, wie man vermuten darf, von Garamanten errichtet wurden. Zwar ist hier nicht die eigentliche Heimat dieses Volkes gewesen, aber die Römer rechneten Cydamus, als sie die Stadt einnahmen, dem Gebiet der Garamanten zu. Sonst erfahren wir aus römischen Berichten nicht viel mehr, als daß Konsul Lucius Cornelius Balbo 19 v. Chr. die Stadt eroberte. Wie lange sie dem Römischen Reich verblieb und ob sie später christlich geworden, darüber fehlt jede Nachricht. Was die alten und mittelalterlichen Geographen über Rhadames erwähnen, ist äußerst mangelhaft und unzuverlässig. Leo führt unter dem Namen Gademes einen großen bewohnten Landstrich mit »vielen Schlössern und volkreichen Dörfern« auf. Dapper, der Gademes oder Gademez schreibt, spricht sogar von »16 ummauerten Städten und 92 Dörfern«. Es braucht wohl kaum gesagt zu werden, daß schon der örtlichen Beschaffenheit wegen solche Städte, Schlösser und Dörfer hier nicht existiert haben können.

 

Die Quelle von Rhadames, die Schöpferin der Oase und somit auch Ursache zur Gründung der Stadt, nimmt unser Interesse vorzugsweise in Anspruch. Sie ist in ein länglich viereckiges, fünfundzwanzig Meter langes und fünfzehn Meter breites Bassin gefaßt, auf dessen Boden man an mehreren Stellen das Wasser hervorquellen sieht. Die massiven Steinquader der Einfassung verraten ebenfalls das Werk der Römer, die sehr wohl wußten, wie wichtig es ist, das Wasser vor der Verteilung über die Felder in größerer Menge anzusammeln. Aus fünf Rinnen, drei größeren und zwei kleineren, ablaufend, reicht das Wasser der Quelle und einiger Brunnen nur zur Bewässerung einer Oberfläche von zirka 75 Hektar hin, während der ummauerte zur Oase gehörende Raum wohl doppelt so groß ist. Die Gärten müssen, damit die Berieselung durch Quellwasser stattfinden kann, vertieft angelegt sein, und immer muß der hereinwehende Sand sogleich wieder daraus entfernt werden.

 

Die Verteilung des Wassers an die einzelnen Gärten wird durch Wasseruhren geregelt und erfordert ein sehr kompliziertes Verfahren, weil das Land in so kleine Parzellen wie kaum irgendwo sonst geteilt ist: Die meisten Gärten haben nicht mehr als zweihundert Quadratmeter Umfang, und viele sind nur halb so groß oder noch kleiner. Auf dem Marktplatz der Stadt steht eine Klepsydra, von den Eingeborenen »Gaddus« genannt, ein eiserner Topf mit einer runden Öffnung im Boden, durch welche das Wasser, wenn er vollgefüllt ist, in zirka drei Minuten abläuft, jedesmal, nachdem ein Gaddus durchgelaufen ist, schlingt ein dazu angestellter Knabe, der in gewisser Zeit von einem anderen abgelöst wird, einen Knoten in ein Palmblatt. Sieben Gaddus heißen eine »Dermissa« und geben eine ungefähr zwanzig Minuten anhaltende, für einen Garten mit sechzig Palmen genügende Berieselung. In ähnlicher Weise geschieht die Berieselung aus den beiden der Quelle zunächst gelegenen Brunnen, wobei Neger die Schöpfarbeit verrichten. In früheren Zeiten gab die Teilung des Wassers steten Anlaß zu oft blutigen Streitigkeiten unter den verschiedenen Grundbesitzern. Jetzt ist alles zur Berieselung dienende Wasser Staatseigentum, und die türkische Regierung bezieht daraus eine jährliche Einnahme.

 

Das Klima von Rhadames unterscheidet sich nicht von dem der Sahara; Regen fällt äußerst selten, kaum einmal in zwanzig Jahren gibt es einen nennenswerten atmosphärischen Niederschlag. Die Durchschnittstemperatur beträgt +23 Grad Celsius; sie steigt in den Sommermonaten auf +50 Grad im Schatten und sinkt im Winter zuweilen vor Sonnenaufgang bis auf -5 Grad. Das Klima ist eigentlich nicht ungesund, sagt aber Europäern wenig zu. Augenkrankheiten, Syphilis, Fieber und Dysenterien, letztere besonders zur Zeit der Melonen grassierend, sind die am häufigsten vorkommenden Krankheiten. Im Jahre 1865 wäre ich selbst dort beinahe das Opfer einer sehr akuten Blutdysenterie geworden.

 

Melonen sind die einzigen Früchte, die in Rhadames gut gedeihen. Einzelne Exemplare erreichen einen kolossalen Umfang und ein Gewicht bis zu zwei Zentnern, so daß zwei solche eine Kamellast ausmachen. Andere Früchte, wie gelbe Pflaumen, Granaten, einige Reben, Pfirsiche, Aprikosen und Feigen verkrüppeln und bleiben infolge der viel zu großen Sommerhitze saft- und geschmacklos. Sie können, ebenso wie Gemüse, von denen ich Zwiebeln, Knoblauch, Bohnen, Rüben, Tomaten und Pfeffer hervorhebe, nur im Schatten der Palmen ihr kümmerliches Dasein fristen. Gleichfalls unterm Palmendach wird etwas Getreide, Weizen, Gerste und einige Hirsearten angebaut, doch lange nicht ausreichend für den Konsum der Einwohner. Leider sind auch die Dattelbäume hier weder ergiebig genug, noch von solcher Güte, daß mit ihren Früchten, wie in anderen Oasen; der Bedarf an Getreide, Schlachtvieh, Butter, Öl und sonstigen Lebensmitteln eingetauscht werden könnte. Die sechzigtausend Palmen, die Rhadames besitzt, vermögen den Bewohnern kaum für einen Monat im Jahr genügende Nahrung zu gewähren.

 

Wild wächst außerhalb der Stadt absolut keine Pflanze; in der Stadt selbst sah ich einige Mimosen, an der Quelle und in den Gärten Gräser und Quecken. Als Düngemittel muß aus den benachbarten Hattien (Oasen ohne Baum im Gegensatz zu Rhabba, Oasen mit Bäumen oder Buschwerk) ein Kraut, »Agol« (Alhagi Maurorum), geholt werden, denn der Dünger, welchen die Tiere des Ortes liefern, genügt nicht zur Befruchtung des Bodens.

 

Auch das Tierreich ist in Rhadames sehr spärlich vertreten. Von Haustieren gibt es nur Kamele, Esel, Katzen, Mäuse, Fledermäuse und Hühner, kein einziges Pferd, auch Hunde sind fast unbekannt, daher mein weißer Spitz auch, wie oben erzählt, das größte Aufsehen erregte. Außer Sperlingen bemerkte ich Schwalben; in den Palmenwipfeln nistet die kleine graue Baumtaube. Schlangen sind selten, nur die Hornviper und die gemeine Viper sollen zuweilen vorkommen. Ein gern gesehener Gast und fast in allen Häusern anzutreffen ist der Mauergecko; andere Eidechsenarten, wie die Dub-Eidechse, halten sich an den Gartenmauern auf. Frösche bevölkern die Quelle und die Rinnsale in großer Menge. Unter den Spinnen ist der Skorpion hervorzuheben. Fische finden sich weder in der Quelle noch in den Brunnen, während in vielen anderen selbst unterirdischen Quellen der Sahara kleine Fische leben, dagegen zahlreiche Blutegel und einige Molluskenarten. Von der Hausfliege, dieser Plage der Menschen bei Tag, und der Wasserschnake, ihrer Plage bei Nacht, ist man auch hier nicht verschont. Bienen gibt es nicht, aber eine Wespenart baut in den Häusern und Moscheen ihr Zellennest. Selbstverständlich fehlen, da die Rhadameser Mohammedaner sind, jene schmutzigen Insekten nicht, welche überall den unreinlichen Menschen anhaften, mit Ausnahme des Flohs, der nirgends in der Sahara existieren zu können scheint. Ein gefährlicher Parasit, der Guineawurm, wird von außen her eingeschleppt.

 

Die Einwohner von Rhadames sind, wie die ganze Bevölkerung Nordafrikas, berberischen Ursprungs, doch haben sie auch viel Neger- und Araberblut in sich aufgenommen. Ihre Sprache hat die größte Ähnlichkeit mit der, welche von den Bewohnern der übrigen Oasen, wie Sokna, Siuah, Audjila, gesprochen wird, sowie mit der Sprache der Tuareg, der Bewohner des Atlas und der Gebirgsbewohner längs der afrikanischen Küste des Mittelländischen Meeres. Fast jeder Rhadameser versteht übrigens daneben die eine oder andere Sprache Zentralafrikas; namentlich verbreitet ist die Sprache der Hausa und der Sonrhai, auch das Targische wird von den meisten verstanden.

 

Die Bewohnerschaft teilt sich in zwei streng voneinander geschiedene Volksparteien oder Triben: die Beni-Uasit und die Beni-Ulit. Sodann gibt es noch freie Neger und deren Nachkommen, insgesamt Atriya genannt.

 

Seitdem die Stadt unter türkischer Herrschaft steht, haben die blutigen Fehden aufgehört, womit die beiden feindlichen Triben einander bekämpften, aber die gegenseitige Abneigung währt noch in unvermindertem Grade fort. Kein Verkehr findet zwischen ihnen statt, daher selbst die Sprache beider mannigfaltige Verschiedenheiten erkennen läßt. Nie vermischten sich bis jetzt durch Heiraten die Beni-Uasit mit den Beni-Ulit; nie betritt ein Angehöriger der einen Tribe das Quartier der anderen, und so gibt es Rhadameser, die Kuka, Kano, Timbuktu, Tripolis und andere weit entfernte Städte...

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