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Rahmenbedingungen für Disease Management Programme im deutschen Gesundheitswesen

Unter besonderer Berücksichtigung der Erfahrungen mit diabetesbezogenen DMPs

AutorMarkus Matuschke
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl118 Seiten
ISBN9783638689762
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich VWL - Gesundheitsökonomie, Note: 1,0, Technische Universität Berlin (Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsrecht), 154 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Gegenstand dieser Arbeit ist die Erörterung methodischer Fragestellungen in Bezug auf die Evaluationsmöglichkeiten von DMP's mit Routinedaten der Gesetzlichen Kranken-versicherungen. Um das Verständnis der Ausführungen späterer Kapitel zu erleichtern, bietet der erste Teil einen Einblick in die medizinischen Gesichtspunkte der Stoffwech-selkrankheit Diabetes. Dem schließt sich eine kurze Begriffsbestimmung der sich seit Anfang der 90er zunächst in den USA verbreitenden DMP's an. Es wird erläutert, warum Diabetiker von einer Teilnahme an einem DMP profitieren können und mit welchen konkreten Maßnahmen die Verbesserung der Versorgungsqualität angestrebt wird. Eine umfassende Darstellung der Rahmenbedingungen für die Programme, worunter beispielsweise der Kassenwettbewerb, der Risikostrukturausgleich und die sektoralen Gegebenheiten fallen, rundet das Kapitel ab. Anschließend wird gezeigt, inwiefern mehrere Evaluationsarten für die Bewertung von DMP's herangezogen werden können und in welcher Weise diesen gewisse Outcomearten zuordenbar sind. Das fünfte Kapitel bietet eine Betrachtung international gesammelter Erfahrungen mit Diabetes-Programmen. Zwei Tabellen stellen für 11 Studien einen Überblick über deren Teilnehmerzahlen, Dauer, Einschlusskriterien und untersuchte Parameter dar. Auf Grundlage dieser allgemeinen Aufführung werden alle Studien einzeln vorgestellt, um explizit deren Stärken und Schwächen anzusprechen. Von besonderem Interesse sind die Konstruktionen der Vergleichsgruppen, weil nicht randomisierte Studien häufig invalide Ergebnisse liefern, wenn mögliche Selektionsverzerrungen unangepasst in die Analyse miteinfließen. Insgesamt wird sich herausstellen, dass es trotz flächendeckender Verbreitung der Krankheitsmanagementprogramme kaum gesicherte Erkenntnisse über deren Kosteneffektivität gibt. Eine nachweisliche Reduktion Diabetes bedingter Komplikationen ist im Zusammenhang mit DMP's bisher ebenfalls noch nicht beobachtet worden. In den beiden nachfolgenden Kapiteln werden die Charakteristika der deutschen Routinedaten analysiert. Zunächst werden die Vor- und Nachteile für die Auswertung der bestehenden Daten aufgezeigt. Anschließend werden anhand der Datenquellen die einzelnen Variablenarten vorgestellt und mit den Ergebnissen des vierten und fünften Ka-pitels verglichen. Der letzte Teil der Arbeit bietet konkrete Lösungsansätze zur Umset-zung einer Evaluation, die sich ausschließlich der vorhandenen Sekundärdaten bedient.

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Leseprobe

2. Diabetes


 

2.1. Epidemiologie


 

Diabetes mellitus dient als Oberbegriff für chronische Stoffwechselerkrankungen mit dem Hauptsymptom der Hyperglykämie (Überzuckerung). Es können folgende Formen der Erkrankung unterschieden werden:

 

 

Die Prozentangabe hinter den einzelnen Diabetestypen gibt den jeweiligen relativen Anteil an der Gesamtzahl der Diabetiker an. Demnach bilden Typ-II-Diabetiker die mit Abstand größte Diabetikergruppe, die auch im Mittelpunkt der Betrachtungen dieser Arbeit stehen wird.[2]

 

Die Hauptursache für eine Erkrankung beruht auf einer genetisch bedingten Krankheitsbereitschaft, die jedoch von zahlreichen Manifestationsfaktoren beeinflusst wird. Zu den Risikofaktoren zählen ein höheres Lebensalter, die Stoffwechseleigenschaften (metabolisches Syndrom) und körperliche Inaktivität. Die Hauptsymptome des metabolischen Syndroms sind u. a. die Stammfettsucht (Adipositas), Insulinresistenz, Hyperinsulinämie, Bluthochdruck (Hypertonie), eine gestörte Glucosetoleranz sowie Fettstoffwechselstörungen (Dyslipoproteinämie). Unter diesen Risikofaktoren ist die Stammfettsucht als wichtigster Einzelfaktor zu nennen, wobei der (viszeralen) Fettverteilung eine besondere Bedeutung zugeordnet wird.[3] Deren Prävalenz ist in der Abbildung 1 in Abhängigkeit vom Alter und Geschlecht dargestellt. Wie zu erkennen ist, steigt der Anteil Übergewichtiger im Zeitverlauf kontinuierlich an, wobei sich der Vorgang bei Männern sichtbar schneller vollzieht als bei Frauen. Die Anzahl adipöser Menschen ist dagegen, mit Ausnahme der ersten Altersgruppe, bei Frauen größer.

 

Abbildung 1: Prävalenz von Übergewicht und Adipositas in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht in Deutschland

 

 

Quelle: HÄUSSLER et al, 2006, S. 6.

 

Nach neueren Studien ist neben dem Körpergewicht auch der Zeitpunkt der Gewichtszunahme für das Diabetesrisiko verantwortlich. Bereits zwei bis drei Kilogramm führen bei Menschen im Alter zwischen 25 und 30 Jahren zu einem um 25 % erhöhten Risiko an Typ-II-Diabetes zu erkranken. Beträgt das Übergewicht in diesem Alter mehr als 12 Kilogramm, erhöht sich das Diabetesrisiko bei Männern um das 1,5fache und bei Frauen sogar um das 4,3fache. Eine Gewichtszunahme zu einem späteren Zeitpunkt erhöht das Risiko lediglich um 11 bis 13 %.[4]

 

In aller Regel beginnt die Diabetes Erkrankung des Typ-II sehr symptomarm. Dadurch wird die klinische Diagnose häufig erst sechs bis acht Jahre nach der Manifestation der Krankheit gestellt. Die Behandlung konzentriert sich in den frühen Krankheitsstadien auf die gezielte Ernährungsumstellung und die Motivation zur vermehrten körperlichen Aktivität. Es wird angestrebt das Körpergewicht nachhaltig zu senken, um die Erkrankung zumindest in den ersten Jahren in die Latenz zurückzudrängen.[5] Weil aber vor allem die Adipositas-Behandlung bisher nicht zu überzeugenden Ergebnissen auf der Individualebene geführt hat, fordern einige Autoren eine Sensibilisierung des Gesundheitsbewusstseins der gesamten Gesellschaft. Die Vorschläge reichen vom verstärkten Bau von Radwegen über eine verbesserte Kennzeichnung von Lebensmitteln bis hin zur Subventionierung von Obst und Gemüse.[6]

 

2.2. Medizinische Kenngrößen


 

Die Tabelle 1 listet die wichtigsten, mit dem Diabetes mellitus im Zusammenhang stehenden, klinischen Parameter auf und gibt deren, im Idealfall zu erreichende Zielwerte in den jeweiligen Einheiten an. Eine kurze Vorstellung der einzelnen Größen dient vor allem dem einfacheren Verständnis der nachfolgenden Kapitel.

 

Tabelle 1: Therapeutische Zielgrößen für Typ-II-Diabetiker

 

 

Quelle: ARZNEIMITTELKOMMISSION DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT, 2002, S. 10.

 

Die in der zweiten Zeile aufgeführten Blutzuckerwerte werden als Definitionskriterium für eine Diabeteserkrankung herangezogen. Demnach ist ein Diabetes mellitus diagnostiziert, wenn wiederholt eine Plasmaglukosekonzentration von über 200 mg/dl oder eine nüchterne Plasmaglukosekonzentration von mehr als 126 mg/dl gemessen wird und weitere typische Symptome dieser Krankheit feststellbar sind. Andere Methoden der Diabetesdiagnose, wie z.B. der HbA1c- oder der OGTT-Wert (Oraler Glukosetoleranztest), werden aufgrund der hohen Variationsbreite bzw. aus Kostengründen nicht für den routinemäßigen Einsatz empfohlen.[7]

 

Der HbA1c-Wert (Glykohämoglobin) ist die wichtigste Kenngröße bei der Messung des Schweregrades von Diabetes, weil er den durchschnittlichen Zuckerspiegel der vergangenen acht bis zwölf Wochen abbildet. Eine zehnprozentige Absenkung dieser Zielgröße verringert das mikrovaskuläre Risiko um 25 % und das diabetesbezogene Mortalitätsrisiko um 21 %.[8] Hinsichtlich makrovaskulärer Komplikationen fällt der Nutzen einer HbA1c-Senkung weniger stark aus.[9] Zudem ist die Messung des HbA1c-Wertes mehreren potenziellen Fehlerquellen ausgesetzt. So variiert er in Abhängigkeit des jeweiligen Labors und ist mit anderen klinischen Parametern korreliert. Aus diesem Grund wird empfohlen, Bestimmungsort und –methode nach Möglichkeit nicht zu ändern.[10]

 

Bei Diabetikern ist nicht nur der Zucker-, sondern in besonderem Maße auch der Fettstoffwechsel gestört. Die klinische Messung der diabetischen Dyslipidämie erfolgt über die vier, unter dem übergeordneten Begriff der Lipide, in Tabelle 1 aufgeführte Indikatoren. Ein Rückgriff allein auf den Gesamtcholesterinwert ist für Therapieentscheidungen nicht ausreichend.[11] Die Low-Density-Lipoproteine (LDL) transportieren das Cholesterin von der Leber in den ganzen Körper. Ein erhöhter LDL-Wert stellt einen Risikofaktor für Arteriosklerose dar, die ihrerseits wiederum makrovaskuläre Komplikationen begünstigt. Ist der Blutzuckerwert ebenfalls erhöht, kann sich die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer koronaren Herzkrankheit um das 2,3 fache erhöhen.[12] Die High-Density-Lipoproteine (HDL) stellen gewissermaßen das Gegenstück zu den LDL dar, weil sie für den Rücktransport des Cholesterins von den Gefäßwänden in die Leber verantwortlich sind. Ist der HDL-Spiegel, wie häufig bei Diabetikern beobachtet, zu niedrig, kommt es zu atherosklerotischen Ablagerungen in den Adern des Körpers. Der HDL-Wert gilt erst seit jüngster Zeit als eigenständiger Risikofaktor für die koronare Herzkrankheit (KHK) und Schlaganfällen. Eine HDL-Erhöhung hat dreimal so große Auswirkungen auf die KHK-Inzidenz wie eine LDL-Senkung.[13]

 

Erhöhte Blutdruckwerte stellen ebenfalls Risikofaktoren für zukünftige Folgeerkrankungen dar, weshalb auch für diese Parameter eine regelmäßige Kontrolle empfohlen wird. In einer Studie der „United Kingdom Prospective Diabetes Study“ (UKPDS) haben Diabetiker, deren Blutdruck um 10 mmHg im Vergleich zur Kontrollgruppe gesenkt wurde, ein um 24 % verringertes Risiko für das Erreichen aller diabetesbezogener Endpunkte erfahren. Darüber hinaus wurde die Mortalität um 32 % gesenkt.[14] Aufgrund zahlreicher Studienergebnisse wurden die Zielwerte in den letzten Jahren kontinuierlich weiter nach unten korrigiert.[15] Gegenwärtig gilt für den systolischen Blutdruck ein Zielwert von weniger als 120 mmHg als optimal.[16]

 

2.3. Folgeerkrankungen


 

Nicht Diabetes, sondern erst deren Folgeerkrankungen verursachen einen erheblichen Ressourcenverzehr im deutschen Gesundheitssystem. Die wichtigsten Komplikationen sind, gemeinsam mit ihren zugeordneten Häufigkeiten und Behandlungskosten, in Tabelle 2 zusammengefasst. Während die Grunderkrankung lediglich 3,2 Mrd. Euro Zusatzkosten verursacht, entstehen bei den Folgeerkrankungen dreimal so hohe Kosten. Da die angegebenen Prävalenzraten auf der Grundlage von Routinedaten erhoben wurden, ist davon auszugehen, dass die Folgeerkrankungen in erster Linie anhand von DRG-Abrechnungen geschätzt wurden. Demzufolge könnten Komplikationen, die nicht immer einen Krankenhausaufenthalt erfordern, in der Tabelle 2 unterschätzt sein. Neben den beiden genannten Ausgabenkategorien entstehen in Folge aufgetretener Komplikationen weitere 1,8 Mrd. Euro Pflegekosten, die auf die Pflegeversicherung entfallen. Die übrigen Diabetes-Exzess-Kosten werden von den Krankenkassen getragen.[17]

 

Tabelle 2: Prävalenz und Kosten von Diabetes und deren Folgeerkrankungen basierend aus der KoDiM-Studie 2001

 

 

Quelle: KÖSTER et al, 2005, S. 8.

 

Herz- und Gehirnerkrankungen (kardial und zerebral)

 

Entsprechend der Tabelle 2 stellt die koronare Herzkrankheit gemeinsam mit Gehirnerkrankungen, gemessen an der Prävalenz und den verursachten Kosten, die wichtigste Komplikation bei den Diabetikern dar. Das Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden ist bei Diabetikern um das 3,7- bis 5,9-fache...

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