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Ratingagenturen. Objektive Wächter oder Teil des Gesamtproblems?

Eine kritische Analyse der Ratingmethoden für Unternehmen unter exemplarischer Berücksichtigung von Standard & Poor´s und Moody´s

AutorLea Johanna Gruschka
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl92 Seiten
ISBN9783668077300
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich BWL - Bank, Börse, Versicherung, Note: 2,7, Universität Osnabrück (International Accounting), Sprache: Deutsch, Abstract: 'Gefürchtet und unseriös - Die Methoden der Ratingagenturen', so titelte die deutsche Dokumentationssendung Frontal21 im ZDF am 19. März 2013. Die strengen Notengeber hätten wieder zugeschlagen und gerade das gesamte Land Italien auf B-Niveau abgewertet. Durch ihre Urteile sei die Wirtschaftskrise von 2008 wesentlich angefacht worden: 'Schrottpapiere' wurden mit Bestnoten bewertet. Massive Kritik wird geäußert an der mangelnden Zugänglichkeit der Agenturen, ihren unbekannten Methoden sowie den undurchsichtigen Kriterien nach denen Urteile gefällt würden. Kann eine Agentur in der Realität die 'Vogel-Perspektive einnehmen und die Rolle des Kontrolleurs einnehmen oder ist sie ebenfalls im Strudel undurchsichtiger Marktpolitik gefangen?

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Leseprobe

3. Grundlagen der Analyse


 

3.1 Unternehmenshistorie von Standard & Poor´s und Moody´s


 

Die Wesensmerkmale eines Ratings lassen sich nicht vollständig erfassen ohne die historischen Begebenheiten zu kennen[14]. Das Ausmaß und strukturelle Umstände nordamerikanischer Märkte führten bereits im 19. Jahrhundert zu einer relativ großen Anzahl an Emittenten, über die sich Anleger einen Überblick verschaffen mussten[15]. Bereits im Jahr 1860 gründete Henry Varnum Poor ein Unternehmen mit dem Zweck der Verfassung von Wirtschaftsberichten. Folglich ist Standard & Poor´s die weltweit älteste Ratingagentur. Der schrittweise in den USA aufgebaute Informationsdienst verfasste zunächst Handbücher zu Eisenbahnunternehmen, Industrieunternehmen und öffentlichen Versorgungsunternehmen[16]. Der steigende Informationsbedarf begründet sich in diesem Jahrhundert durch den zunehmenden Eisenbahnbau und dem damit im Zusammenhang stehenden steigenden Kapitalbedarf. Die Ratings verhalfen zu mehr Transparenz, da langsame Kommunikationswege die Informationsversorgung mitunter erschwerten[17].

 

John Moody´s gründete im Jahr 1900 ein Unternehmen mit dem Ziel institutionellen und privaten Anlegern ein Handbuch über Wertpapiere von Industrieunternehmen zur Verfügung zu stellen. Die Konkurrenz zur Agentur Standard & Poor´s ist aufgrund dessen historisch fundiert. Nachdem Moody´s aus seinem eigenen Unternehmen im Jahr 1908 ausschied gründete er in New York die „Analyses Publishing Company“[18]. Diese verwendete ab 1909 die heute noch zutreffende Ratingsymbolik Aaa bis C zur Ergebnisvermittlung und wurde erstmals verwendet bei der Beurteilung von 250 Eisenbahnanleihen in den USA[19]. 1910 wurden ebenfalls Analysen von Industrieobligationen und Anleihen öffentlicher Versorgungsunternehmen in „Moody´s Analyses of Investments“ publiziert. Zudem wurde die Monatszeitschrift „The International Investor´s Monthly“ herausgegeben. Nach Übernahme der Minderheitsanteile seiner Partner wurde am 01.07.1914 Moody´s Investor Service gegründet. Mit Ausbruch des ersten Weltkrieges wurde der Börsenhandel eingestellt, was zum Wegfall der Existenzgrundlage für die Ratingagenturen führte[20].

 

Im Jahr 1918 wurde von Moody´s ein Handbuch zu ausländischen Wertpapieren und amerikanischen Staatanleihen publiziert und in den 1920er die Ratingbeurteilungen auf amerikanische Städte und Gebietskörperschaften ausgeweitet. 1924 erreichte Moody´s damit erstmalig eine Marktabdeckung in Amerika von fast 100 %. Zudem wurden Ratings für nicht amerikanische Emittenten durchgeführt[21], bis im Jahr 1929 durch die Weltwirtschaftskrise Bankportfolios massiv an Wert verloren. Rund ein Drittel aller Schuldverschreibungen wies Zahlungsstörungen auf[22]. Diese Unsicherheiten bedingten einen massiven Nachfrageanstieg zu Beginn der 1930er[23].

 

Zudem wurden aufsichtsrechtliche Bestrebungen der Bankenkontrolle durch intensive Mitarbeit der Agentur Fitch begünstigt. So wirkte die große Depression, als ein Katalysator für die Entwicklung des Ratings in den USA und bildete den Grundstein für die heute weit verbreitete Verwendung von Ratings in der Gesetzgebung.

 

Im Jahr 1962 wurde Moody´s von Dun & Bradstreet aufgekauft, jedoch zunehmend wieder abgegeben, sodass es seit 2000 wieder als alleinstehendes Unternehmen existiert[24]. Im Jahr 1966 wurde Standard & Poor´s von dem Medienkonzern McGraw Hill Inc. übernommen[25].

 

Wie bereits erwähnt bildet Rating einen einfachen Maßstab der in Gesetzen und Vorschriften verankert wurde. Im Weiteren werden einige exemplarisch beschrieben:

 

Securities Exchange Act 1933: nach Section 11 sind die für die Erstellung von Unterlagen für Wertpapieremissionen befassten Ratingagenturen von der geforderter Sorgfaltspflicht entbunden. Sie können somit nicht haftbar gemacht werden für eventuelle Versäumnisse. Zudem wurde eine Registrierungserleichterung für Emittenten mit Rating vorgenommen, die erhebliche Entlastungen bei der Auflage neuer Emissionen darstellt[26].

 

Securities Exchange Act 1934: Beschlossen wurden u. a. sogenannte „haircut rules“. Damit sind Regeln zu Bemessung von Risikoabschlägen gemeint, die je nach Qualität des Wertpapiers in ihrer Höhe variieren. Geringste Abzüge sind dabei vorzunehmen, wenn z.B. Commercial Papers in eine der drei obersten Ratingkategorien von mindestens zwei Nationally Recognized Statistical Rating Organizations (NRSROs) eingestuft wurden. Als Argumentationsgrundlage wird eine geringe Manipulationsgefahr für Wertpapiere in Investment Grade Kategorien gesehen. Wobei die Kategorie „Investment Grade“ nach der Auffassung der jeweiligen Ratingagenturen definiert wird. Die United States Securities and Exchange Commission (SEC) gibt keine allgemeingültige Definition vor[27].

 

Federal Home Loan Bank Board: Spar- und Darlehenskassen dürfen Anleihen nur erwerben, wenn sie in eine der höchsten vier Ratingkategorien mindestens einer Ratingagentur eingestuft werden. Für Commercial Paper gilt eine Einstufung in eine der zwei höchsten Kategorien von mindestens zwei Agenturen für kurzfristige Anleihen[28]. Solche Kassen dürfen maximal ein Prozent ihres Vermögens in Papieren halten, die kein Rating nachweisen können. Dies gilt nur, wenn die entsprechende Kasse selbständig eine eingehende Prüfung vorgenommen hat, aus der ein positives Urteil über die Zahlungsfähigkeit des Emittentens resultierte[29].

 

Weitere rechtliche Bedeutung des Ratings in den USA: damit am Wertpapierhandel in den USA teilgenommen werden kann ist eine Autorisierung durch die SEC oder eine Mitgliedschaft bei einer „self-regulation organization“ notwendig, wie z. B. der National Association of Securities Dealers (NASD). Besonders günstig werden Wertpapiere der obersten beiden Ratingkategorien behandelt. Diese Bestimmungen müssen nicht beachtet werden, wenn die Emission aus einem Wertpapier der obersten vier Kategorien einer NRSRO besteht[30]. Werden diese Regularien zusammengenommen betrachtet wird deutlich, dass die Entscheidungen von Ratingagenturen eine zentrale Bedeutung am Anleihenmarkt haben[31]. Zudem weist heute Standard & Poor´s und Moody´s zusammen eine Gesamtmarktabdeckung von 40% auf. Die Auswirkungen ihrer Entscheidungsgewalt sind dementsprechend weitreichend[32].

 

Damit eine fundierte Begründung für die beschriebene Entstehung von Ratingagenturen verfasst werden kann stellt der folgende Abschnitt die Einbettung des Themas Rating in ökonomische Theorien dar.

 

3.2 Einbettung in ökonomische Theorien


 

Die Theorien des Ratings lassen sich auf grundlegende ökonomische Theorien stützen: die neoklassische Finanzierungstheorie, im speziellen die Kapitalmarkttheorie und die neue Institutionenökonomie, im Besonderen die Transaktionskostentheorie sowie die Prinzipal Agenten Theorie[33]. Auf informationseffizienten Kapitalmärkten reflektieren die Wertpapierpreise alle relevanten und verfügbaren Informationen. Dann kann kein Marktteilnehmer aus Informationsauswertungen einen zusätzlichen Nutzen gewinnen. Trägt das Rating jedoch zu einer sinnvollen Reduzierung der Komplexität und einer erhöhten Informationssteuerung bei, wird der Informationsstand privater Anleger dadurch erhöht[34]. Insbesondere, da auf unvollkommenen Kapitalmärkten nicht nur Kosten für die Beschaffung der Informationen anfallen, sondern zusätzlich für deren Auswertung. Beide Kostenkomponenten können für den Anleger durch eine Ratingagentur ersetzt werden[35].

 

Neoklassische Finanzierungstheorie

 

Die neoklassische Finanzmarkttheorie geht davon aus, dass alle Finanzmärkte im Gleichgewicht sind und keine Arbitragemöglichkeiten existieren. Es besteht vollkommene Informationsverteilung, folglich Effizienz und die Wirtschaftssubjekte sind rational. Wird die Hypothese der Informationseffizienz akzeptiert sind Ratingagenturen prinzipiell unnötig, da alle existierenden Informationen grundsätzlich verfügbar sind. Ihnen kann jedoch die Funktion zugeschrieben werden, dass sie Informationen verwendbar machen, indem sie sie zusammenstellen und billiger aggregieren, als es für den einzelnen Investor möglich wäre. Da nach der Veröffentlichung neuer Ratingergebnisse am Markt Reaktionen zu beobachten sind, kann daraus geschlossen werden, dass die Arbeit der Agenturen über das Aufbereiten vorliegender Daten hinausgeht. Folglich werden durch ein Ratingergebnis den Marktteilnehmer zusätzliche Informationen zur Verfügung gestellt, was z. B. in veränderten Aktienkursverläufen erkennbar ist[36].

 

Neue Institutionenökonomie

 

Wie oben beschrieben hat die Existenz von...

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