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Reclams Namenbuch

Vornamen und ihre Bedeutung (Reclams Universal-Bibliothek)

AutorFriedhelm Debus
VerlagReclam Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl152 Seiten
ISBN9783159604527
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,49 EUR
Wie nennen wir unser Kind? Leon oder Luca, Anna oder Nicole? Woher kommt der Name Frauke? Ist Heilwig ein männlicher oder ein weiblicher Vorname? Seit langem ist 'Reclams Namenbuch' ein verlässlicher Ratgeber und Helfer bei der Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen, und die Neuausgabe ist jetzt auch äußerlich absolut babyzimmertauglich.

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Leseprobe

Einleitung

Die Bedeutung des Namens für den Menschen

Wir leben in einer Welt voller Namen. Sie umgeben uns auf Schritt und Tritt. Namen sind je einzelnen Objekten und Lebewesen eigen, sind Eigennamen. Diese Tatsache ist schon in der Antike mit dem Begriff nomen proprium umschrieben worden. Namen haben also individuierende Funktion, und sie dienen sowohl der Orientierung als auch vor allem der Identifizierung. Während Objekte und mit gewisser Ausnahme Orte bzw. Siedlungen auch ohne Namen existieren können, gilt das nicht für Menschen. Es gibt keinen Menschen, der namenlos wäre. Sobald ein Mensch geboren wird, bekommt er alsbald einen Namen. In der germanischen Rechtspraxis galt das Neugeborene noch nicht als existent, solange ihm kein Name gegeben war. Mit Gottfried Schramm kann man in diesem Zusammenhang und grundsätzlich formulieren: »der Name erst schafft seine Person. Darum ist der Name kostbarster Besitz, ohne den ein Mensch nicht wirklich leben kann.« Bei den Germanen ist aber auch die Vorstellung verbreitet gewesen, der einmal gegebene Name dürfe nicht mehr verändert werden, weil sonst der mit dem Namengebungsakt verbundene Heilswunsch getilgt werde. Nun ist es auch heute so, dass der gegebene Name grundsätzlich fester Bestandteil der Person bleibt, doch freilich aus anderem Grund: der einmal gegebene Name soll zeitlebens der konstanten Identifizierung dienen, nicht zuletzt auch aus administrativer Sicht. Daher ist eine Namenänderung offiziell mit großen Schwierigkeiten verbunden.

Namenwahl und Namengebung sind von zentraler Bedeutung für den Menschen. Mit der feierlichen Taufe oder mit der Eintragung ins Geburtenbuch wird ein bestimmter Vorname oder werden bestimmte Vornamen dem bereits bei der Geburt vorhandenen erblichen Familiennamen hinzugefügt und mit dem Neugeborenen unverwechselbar und für alle wahrnehmbar zusammengefügt. Das Kind kann sich diese(n) seine(n) Vornamen nicht selbst aussuchen. In der Regel sind es die Eltern, die das tun und die damit eine besondere Verantwortung tragen. Denn das Kind muss sich im Laufe seines Lebens mit diesem seinem Namen identifizieren. Diese Selbstidentifizierung ist zweifellos von großer Bedeutung für die Ichfindung. Diese ist, nicht nur während der Pubertät, oft mit quälenden Schwierigkeiten verbunden. Durch zahlreiche Beobachtungen ist nachgewiesen, dass Kinder mit ausgefallenen oder extrem ungeliebten Vornamen erhebliche Probleme haben können, die bis zu psychischen Erkrankungen führen können. Solche Probleme gibt es natürlich auch und besonders bei den so genannten »Übernamen« (vor allem Scherz- oder Spottnamen), die einen bleibend persönlich bedrücken und verletzen können. Johann Wolfgang von Goethe hat das mit Bezug auf seinen spöttisch verdrehten Namen (Goethe : Kot) in Dichtung und Wahrheit bildhaft beschrieben:

[…] der Eigenname eines Menschen ist nicht etwa wie ein Mantel, der bloß um ihn her hängt und an dem man allenfalls noch zupfen und zerren kann, sondern ein vollkommen passendes Kleid, ja wie die Haut selbst ihm über und über angewachsen, an der man nicht schaben und schinden darf, ohne ihn selbst zu verletzen.

Mit dem Aussprechen oder Rufen eines bestimmten Namens wird der Träger dieses Namens vergegenwärtigt. Kennt man den Namen eines Menschen nicht, erschwert das erfahrungsgemäß die Verständigung über ihn und auch mit ihm. Die Kenntnis des Namens ersetzt zudem eine umständliche Merkmalbeschreibung des Individuums als Träger dieses Namens. Goethe notierte treffend in einem Brief aus dem Jahre 1770: »Wenn ich meinen Namen nenne, nenne ich mich ganz.« Namen sind Erkennungsmarken.

Doch im Wissen und Nennen des Namens wird nicht nur die Identifizierung ermöglicht, es dokumentiert sich darin auch eine Art von Zugriff, ja Macht über den Namenträger. In mehreren Kulturkreisen wird dies durch das Märchen vom Rumpelstilzchen exemplarisch verdeutlicht: im Verborgenen, im Verschweigen des eigenen Namens ist das Verharren in der Anonymität, in der Unverbindlichkeit gegeben. Die Nennung des Namens rückt den Namenträger sozusagen ins Licht, er kann dem nicht entgehen. Dieter Wellershoff hat das prägnant beschrieben: »Indem man benannt wird, wird man auch gebannt.«

In Mythologie, Volksglauben und Brauchtum vieler Völker ist mannigfach bezeugt, wie das Nennen des Namens Macht über zugeordnete Personen, Geister und Dämonen verleiht, wie schöne Namen für Neugeborene die Aufmerksamkeit böser Geister wecken, wie verhüllende Namen Dämonen in die Irre führen, wie zur Verhütung von Schaden der Name verschwiegen wird, wie die (zauberische) Verwendung eines Namens bei gleichzeitig vorgenommenen Handlungen diese den Namenträger selbst treffen, wie bestimmte Namen zum Tabu werden und stattdessen eher zu Umschreibungen gegriffen wird (so der Gottseibeiuns oder der Leibhaftige für den ›Teufel‹) oder wie die Änderung des Namens das Wesen des Menschen verändert. In Letzterem wird das alte Prinzip des nomen est omen greifbar, welches besagt, dass der Name den Namenträger wesenhaft prägt bzw. der Namenträger mit seinem Eigennamen identisch wird. Ernst Cassirer hat in seinem Werk Philosophie der symbolischen Formen die enge Wechselbeziehung von Mythos und Sprache betont und dabei den Namen besonders herausgestellt:

Insbesondere ist es der Eigenname, der […] mit geheimnisvollen Banden an die Eigenheit des Wesens geknüpft ist. Auch in uns wirkt vielfach noch diese eigentümliche Scheu vor dem Eigennamen nach – dieses Gefühl, daß er nicht äußerlich dem Menschen angeheftet ist, sondern irgendwie zu ihm ›gehört‹.

Diese offenbar über die Zeiten hin bis in unsere Zeit hineinwirkende mythische Grundkonstante im Verhältnis Name zu Namenträger lässt die Bedeutung des Namens für den Menschen in einem bemerkenswerten Aspekt deutlich werden.

»Name« und »Wort«

Über die skizzierte Beziehung zwischen Name und Namenträger hinaus lassen sich formale und inhaltliche Besonderheiten nennen, vor allem im Vergleich mit dem Wort, das in der Antike als nomen appellativum vom nomen proprium unterschieden wurde. Ein Name ist grundsätzlich von einem Wort abgeleitet und hat deshalb wie jedes Wort eine etymologische (ursprüngliche) Bedeutung – auch wenn heute nicht mehr in jedem Fall eine solche festzustellen ist. Doch hat sich im Namengebrauch eine je eigenständige, zuweilen auch durch bestimmte Namenträger geprägte Vorstellung mit den einzelnen Namen verknüpft, die mit der ursprünglichen Bedeutung oft gar nichts mehr zu tun hat und von der Bedeutung eines Wortes grundverschieden ist. Beim trägerunabhängigen Namen wird daher zur Unterscheidung von Bedeutsamkeit gesprochen. Wörter wie Haus, Mensch, Baum usw. besitzen eine Bedeutung, die in einer Kommunikationsgemeinschaft gilt und von allen, die sich in dieser Gemeinschaft verständigen wollen, gewusst und verstanden werden muss. Namen dagegen versteht man nicht in diesem Sinne, man muss sie kennen und um ihren Bezug zum Namenträger wissen, damit Verständigung über diesen Träger möglich ist. Wörter haben insofern eine Allgemein- oder Klassenbedeutung. Trägerabhängige Namen hingegen haben eine Einzel- oder Individualbedeutung, die wir als Nameninhalt bezeichnen.

Namen werden im Gegensatz zum Wort prinzipiell nicht übersetzt. Ihr Individualbezug würde dadurch aufgelöst, die Identifikation durch Verfremdung verhindert (Casanova etwa ist nicht mit Neuhaus zu übersetzen oder J. S. Bach nicht mit frz. J. S. Ruisseau, wiewohl das rein sprachlich korrekt wäre). Auch ist wegen des Individualbezugs die Mehrzahl nicht bildbar. Werden von Namen dennoch Mehrzahlformen gebildet, handelt es sich um Personengruppenbenennungen. Dabei zeigen sich dann Unterschiede zum Wortbereich (z. B. die Bocks : die Böcke), wie auch sonst sprachlich-formale Besonderheiten auffallen, so in der Flexion (z. B. das Auto des Schuster : des Schusters), im Genus (z. B. das Burg des 16. Jahrhunderts : die Burg …), im Artikelgebrauch ([die] Andrea ist gekommen : die Frau …), in der eigenständigen Suffixbildung (z. B. Fritz zu Friedrich, Hansi zu Hans) oder in der Schreibung (z. B. [der] Raabe : der Rabe, [der] Becker : der Bäcker).

Wie sehr beim Namen die ursprüngliche Bedeutung im Gebrauch überdeckt ist, zeigen vor allem solche Familiennamen, die direkte Entsprechungen im Wortschatz haben. So kann ein Herr Schneider von Beruf Schuster oder eine Frau Klein ausgesprochen groß sein, ohne dass dies besonders auffallen würde. Das beschreibt auch Goethe, wenn er in Dichtung und Wahrheit notiert: »Aus der Ferne machte jedoch der Name Klopstock auch schon auf uns eine große Wirkung. Im Anfang wunderte man sich, wie ein so vortrefflicher Mann so wunderlich heißen könne; doch gewöhnte man sich bald daran und dachte nicht mehr an die Bedeutung dieser Silben.« Hier zeigt sich ein Grundzug der inhaltlichen Struktur des Eigennamens: er wird, wie Jacob Grimm es...

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