Das Recruiting wird von einem Großteil der Unternehmen in der heutigen Zeit in der vorher beschriebenen Form betrieben[150]. Doch seit den 1990er-Jahren und haben sich Alternativen zum klassischen Recruiting-Konzept in Form von ausgelagerten Personalbeschaffungsprozessen (Recruitment Process Outsourcing) und zentralisierten Dienstleistungsprozessen (Human Resources Shared Service Centers) entwickelt, welche bestimmte Umstrukturierungen innerhalb der Organisation erforderlich machen[151]. Im ersten Schritt werden hierzu der Begriff des Outsourcings sowie seine unterschiedlichen Formen erörtert. Anschließend werden die Konzepte des Recruitment Process Outsourcings und der HR Shared Service Centers vorgestellt und deren aktuelle Marktsituation beschrieben. Darüber hinaus werden die jeweiligen Chancen und Risiken der beiden Alternativen zum klassischen Recruiting analysiert und diskutiert.
Der Begriff des Business Process Outsourcings bezeichnet im heutigen Sprachgebrauch die “…vollständige oder teilweise Auslagerung von Geschäftsprozessen an externe Dienstleister“[152]. Dies entspricht ebenfalls der Definition der International Data Corporation[153], demnach es sich bei Outsourcing um ein Kunstwort handelt, welches in der US-amerikanischen Managementpraxis geschaffen wurde und sich aus den Worten outside, resource und using zusammensetzt und welches ins Deutsche übersetzt Nutzung externer Ressourcen bedeutet[154]. Das Konzept der Auslagerung existiert bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts und wurde vorwiegend in den Unternehmensbereichen Finanzierung, Buchhaltung, Logistik und Recht angewandt[155]. Vor allem die Automobilproduktion, angeführt von Henry Ford, gilt als Vorreiter für das Outsourcing durch die Reduktion der Fertigungstiefe, indem die Eigenfertigung strikt vom Fremdbezug getrennt wurde[156]. Insbesondere durch die Lean-Manufacturing-Welle Ende der 1990er-Jahre hat dieses Managementkonzept seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht, als zahlreiche Industrieunternehmen komplette Wertschöpfungsstufen an externe Zulieferer ausgegliedert haben[157]. Heute wird der Begriff des Outsourcing vor allem mit der Informationstechnologie (kurz: IT) in Verbindung gebracht[158].
Outsourcing ist jedoch nicht gleich Outsourcing. In der heutigen Lehre, sowie in den Wirtschaftsunternehmen wird zwischen unterschiedlichen Arten von Outsourcing klassifiziert[159]. So werden folgende verschiedene Dimensionen zur Klassifizierung verwandt[160]
Leistungsumfang: Hier wird zwischen dem partiellen Outsourcing, bei dem lediglich einzelne Aktivitäten an externe Dienstleister ausgelagert werden (z. B. IT-Helpdesk oder Serververwaltung), dem totalen Outsourcing, bei dem vorwiegend infrastrukturelle Tätigkeiten wie z. B. der Kantinenbetrieb oder der Sicherheitsdienst, externalisiert werden und dem Business Process Outsourcing. Bei der letzten Ausprägung werden ganze Unternehmensbereiche, wie z. B. die IT-Abteilung oder die Lohnbuchhaltung ausgelagert. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich vor allem mit dem Business Process Outsourcing.
Standort: Diese Dimension unterscheidet zwischen dem Onshore Outsourcing, bei dem jene ausgelagerten Prozesse von einem externen Dienstleister am selben Standort übernommen werden, dem Nearshore Outsourcing, bei dem die Erledigung des ausgelagerten Geschäftsprozesses außerhalb der Unternehmensräumlichkeiten stattfindet und dem Offshore Outsourcing, bei dem der externe Dienstleister die Leistung in einer kulturfernen Region erbringt, wie beispielsweise ein Call-Center in Indien für ein deutsches Unternehmen.
Unternehmenszugehörigkeit: Es wird zwischen dem internen und externen Outsourcing unterschieden. Während das externe Outsourcing die Auslagerung von Geschäftsprozessen an fremde Dienstleister bedeutet, handelt es sich beim internen Outsourcing vielmehr um eine Ausgliederung bestimmter Funktionen oder Prozesse innerhalb des Unternehmens zum Shared Service Center, welche unterschiedliche Geschäftseinheiten unterstützt. Das Shared Services Prinzip ist ebenfalls Gegenstand der weiteren Untersuchung bei dieser Arbeit[161].
Zahl der Leistungsersteller: Beim Single Sourcing-Konzept wird ein einzelner externer Dienstleister als Geschäftspartner ernannt. Das Unternehmen begibt sich somit in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Outsourcing-Anbieter, doch aufgrund des herrschenden Vertrauens zwischen den Geschäftspartnern kann, z. B. durch Know-How-Transfer, die Zusammenarbeit optimiert werden. Währenddessen vergibt ein Unternehmen beim Multi-Sourcing-Konzept verschiedene Leistungen an den jeweils besten Outsourcing-Anbieter in dem Gebiet. Dies erhöht den Aufwand für das Schnittstellenmanagement, doch für den Fall des Scheiterns der Kooperation können sich beide Vertragsparteien schneller und unproblematischer trennen und sich neue Kooperationspartner suchen.
Nachdem die Entwicklung des Outsourcing-Begriffs erläutert und die Klassifizierung der unterschiedlichen Outsourcing-Formen vorgenommen wurde, beschäftigt sich der folgende Teil dieser Arbeit mit zwei der bereits genannten Alternativen zum klassischen Recruiting im Unternehmen: dem Recruitment Process Outsourcing und den HR Shared Service Centers.
Neben der IT und der Buchhaltung gehört das Recruiting ebenfalls nicht zu den sogenannten Kernprozessen eines Unternehmens und empfiehlt sich daher für das Outsourcing[162]. Der Begriff des Recruitment Process Outsourcing hat sich in den letzten Jahren hierfür etabliert[163]. Dabei handelt es sich um Business Process Outsourcing[164], demnach um die Auslagerung von Teilen oder des gesamten Beschaffungsprozesses neuer Mitarbeiter an einen externen Dienstleister[165]. Bei diesen handelt es sich meist um Agenturen, welche sich auf das Recruiting von Fach- und Führungskräften in ausgesuchten Branchen und Berufsfeldern spezialisiert haben[166]. Im Zuge dessen kann der RPO-Dienstleister „…seine eigenen Mitarbeiter, Technologien sowie Methoden für die Personalgewinnung und das Reporting einsetzen oder vom Auftraggeber übernehmen“[167]. Dieses Konzept hat, wie viele Outsourcing-Ideen, ihren Ursprung in den USA in den 1980er Jahren, nachdem die Erkenntnis, dass das Recruiting ein wesentlicher Kostenfaktor der zu leistenden HR-Funktionen ist, gewonnen wurde[168]. Im internationalen Vergleich befindet sich der deutsche RPO-Markt derzeit noch in der Entwicklung, was vor allem bedeutet, dass dieser zurzeit „…sehr heterogen und noch wenig konsolidiert ist“[169]. Doch auch hierzulande ist ein eindeutiger Trend zum vermehrten RPO erkennbar[170].
Inzwischen jedoch hat sich die Dienstleistung des Recruitment Process Outsourcing in Deutschland gewandelt: hatten RPO-Dienstleister zu früheren Zeiten ihren Fokus auf die Übernahme des Bewerbermanagements gelegt, so übernehmen diese heute sowohl die proaktive als auch die reaktive Suche nach Kandidaten, treffen die Vorauswahl anhand ausgewählter Eignungsdiagnostika und begleiten die Kandidaten während des gesamten Recruiting-Prozesses bis zum Einstellungsgespräch bzw. zur Absage[171]. Vor diesem Hintergrund muss daher eine Differenzierung zwischen RPO-Anbietern und Personalvermittlern vorgenommen werden, da letztere lediglich den Zugang zu zusätzlichen Kandidatenprofilen, meist aus bereits bestehenden Kandidatenpools, ermöglichen[172]. Überdies kann zwischen drei Formen des Recruitment Process Outsourcings unterschieden werden. Bei diesen handelt es sich gemäß einer Marktanalyse von der Lünendonk GmbH in Zusammenarbeit mit Randstad um folgende drei RPO-Formen[173]:
Projekt-RPO zur Versorgung von kurzfristigen und vorübergehenden Einstellungsspitzen. Die Beauftragung des RPO-Anbieters erfolgt projektweise und ist somit befristet. Vor allem bei projektgetriebenen Organisationen stellt diese Form des RPO eine ernsthafte Alternative zum unternehmensinternen Recruiting dar.
Selektives RPO, bei dem einzelne oder mehrere zusammenhängende Prozessschritte von RPO-Anbieter übernommen werden. Diese RPO-Leistung erfolgt kontinuierlich über einen längeren Zeitraum. Abbildung 2 veranschaulicht das Konzept des selektiven RPO anhand eines beispielhaften Recruiting-Prozesses.
Abbildung 2: Beispiel für den Recruiting-Prozess im Rahmen des selektiven RPO[174]
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