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Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes – Konsequenzen für das Schaderregerauftreten und die Wirtschaftlichkeit in Getreide-Zuckerrübe-Fruchtfolgen

AutorStephan Busche
VerlagCuvillier Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl230 Seiten
ISBN9783736927124
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis20,30 EUR
Die Diskussion um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hat in den letzten Jahren auf nationaler Ebene unter anderem zur Initiierung des „Reduktionsprogramms chemischer Pflanzenschutz“ geführt, in dem gefordert wird, den Pflanzenschutzmitteleinsatz zurückzuführen und auf das notwendige Maß zu beschränken. Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Möglichkeiten einer Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln sowie deren ökonomische und biologische Folgen ausgehend vom heutigen Standard des Pflanzenschutzmitteleinsatzes, der „guten fachlichen Praxis“, analysiert. Darüber hinaus sollte geklärt werden, inwieweit die heutige Pflanzenschutzmittelanwendung schon den im „Reduktionsprogramm chemischer Pflanzenschutz“ definierten Zielen entspricht. In 3-jährigen Feldversuchen wurde diese Problemanalyse unter möglichst praxisnahen Bedingungen durchgeführt, um eine Übertragung der Ergebnisse der Untersuchungen in die landwirtschaftliche Praxis zu prüfen und zu ermöglichen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, wurde eine für die Versuchsstandorte typische Marktfruchtfolge (Zuckerrübe, Winterweizen und Wintergerste) und eine praxisübliche Bewirtschaftung der großflächig angelegten Versuche gewählt. Im zweiten Teil der Arbeit wurde der Einfluss der Krankheitsresistenz der Sorten bei Wintergerste und Winterweizen auf die Möglichkeit der Reduktion des Fungizideinsatzes ermittelt. Die Versuche wurden in Wintergerste nach Vorfrucht Weizen und bei Winterweizen als Stoppelweizen durchgeführt. Im Weizen wurde darüber hinaus der Einfluss einer wendenden und nicht wendenden Bodenbearbeitung auf den Befallsdruck von Krankheiten und dem sich daraus ableitenden Fungizidbedarf untersucht. Die heutige Pflanzenschutzmittelausbringung der guten fachlichen Praxis richtet sich schon vielfach nach den bekannten Schadensschwellen. In den Fällen, in denen keine Schadensschwellen bekannt sind oder deren Anwendungen auf Schwierigkeiten stößt, werden auch protektive Maßnahmen durchgeführt. Die Unkrautbekämpfung ist den vorhandenen Unkrautarten angepasst und wird dem Artenspektrum entsprechend umfassend durchgeführt. Die Pflanzenschutzmittelanwendung nach guter fachlicher Praxis zeigte die sicherste insektizide, herbizide und fungizide Wirkung. Während bei Zuckerrübe auch ökonomisch gesehen die Anwendung der Pflanzenschutzmittel nach guter fachlicher Praxis die wirtschaftlichste war, konnten unter Einsatz von Expertenwissen und Prognosesystemen im Getreide Pflanzenschutzmittel eingespart und dadurch auch ökonomische Vorteile erwirtschaftet werden. Über die gesamte Fruchtfolge gesehen, überwog die Vorzüglichkeit der Pflanzenschutzmittelaufwendungen nach guter fachlicher Praxis in Zuckerrübe die Nachteile im Getreide, sodass insgesamt der Pflanzenschutzmitteleinsatz nach guter fachlicher Praxis den höchsten Gewinn auswies. Gegenüber der guten fachlichen Praxis konnte durch die Anwendung von Expertenwissen und Prognosemodellen der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln über die Fruchtfolge gesehen am Standort Ahlum um 35 % reduziert werden. Im Winterweizen waren es über 40 % (davon 30 % Herbizide, 40 % Fungizide, 60 % Insektizide und 30 % Wachstumsregler) und in der Wintergerste ca. 35 % (davon 40 % Herbizide, 20 % Fungizide, 60 % Insektizide und 15 % Wachstumsregler). In Zuckerrübe war eine Reduktion schwieriger, sodass hier nur ca. 25 % eingespart wurden, davon 25 % an Herbiziden und 40 % an Fungiziden. Die Einsparungen waren bei Herbiziden durch die gezielte Nutzung von Wirkungsreserven sowie die Tolerierung einer geringen Restverunkrautung unter der Schadensschwelle möglich, wobei das Reduktionspotential bei Zuckerrübe gegenüber den anderen Kulturen als gering zu beurteilen ist. Die Einsparungen an Fungiziden bei Getreide durch andere Mittelwahl, Terminierung und Aufwandmengen führte insgesamt zu vergleichbaren Bekämpfungserfolgen im Vergleich zur guten fachlichen Praxis. Bei Zuckerrüben führte die Reduktion teilweise zu schlechteren Ergebnissen bei der Wirkung, da der Befall unterschätzt und die Sortenresistenz überschätzt wurden. Bei Insektiziden konnte durch die konsequente Anwendung von Schadensschwellen eine Reduktion von 60 % im Getreide erzielt werden. Allerdings bestand ein erhebliches Risiko hinsichtlich der ertraglichen Auswirkungen beim Auftreten eines schwer prognostizierbaren Befalls (z. B. Weizengallmücken). Ökonomisch zeigte die Reduktion in Zuckerrübe im Mittel der Versuche gegenüber der guten fachlichen Praxis Verluste von ca. 100 €/ha. Im Getreide konnten allerdings Mehrerlöse gegenüber der guten fachlichen Praxis von bis zu 60 €/ha erzielt werden. Bei steigenden Getreidepreisen verminderte sich aber dieser wirtschaftliche Vorteil. Dabei bleiben noch die zusätzlichen Kosten für den Einsatz von Expertenwissen und Prognosemodellen unberücksichtigt. Die generelle Halbierung der Pflanzenschutzmittelanwendungen zeigte bei Insektiziden und Fungiziden insgesamt vergleichbare Wirkungen zur guten fachlichen Praxis. Grund dafür war das relativ niedrige Befallsniveau mit Pilzen im Getreide im Versuchszeitraum, bei starkem Befallsdruck zeigte sich jedoch ein deutlicher Wirkungsabfall bei reduziertem Aufwand. Bei Herbiziden führte die Halbierung der Aufwandmengen zu einer unzureichenden Wirkungssicherheit und im Versuchszeitraum zu erhöhten Dichten beim Unkrautaufgang. Langfristig ist eine starke Erhöhung der Unkrautdichte zu erwarten. Eine Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes um die Hälfte gegenüber der guten fachlichen Praxis ist daher aus biologischer und ökonomischer Sicht nicht möglich. Der generelle Verzicht auf Pflanzenschutzmittel führte zu starken wirtschaftlichen Verlusten und ist für eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft unrealistisch. Durch den Anbau von resistenteren Sorten konnte der Fungizideinsatz um ca. 25 % reduziert werden und war schwerpunktmäßig im Winterweizen der Fall. Die Reduktion der Fungizide gemessen am Gesamtaufwand an Pflanzenschutzmitteln beträgt dagegen nur 5 %. Aus Sicht einer energetischen Bilanzierung ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zur Sicherung von Erträgen sehr positiv zu bewerten. Eine Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn keine Ertragseinbußen damit verbunden sind. Trotz kleinräumiger Witterungsunterschiede zwischen den beiden Standorten ergaben sich für den Einsatz von Fungiziden und Insektiziden nach guter fachlicher Praxis kaum Abweichungen. Sehr wohl differierte der Pflanzenschutzmittelaufwand zwischen den Jahren. Beim Einsatz von Herbiziden wurden demgegenüber auch starke Standortunterschiede festgestellt. Im Zuckerrübenanbau war der Herbizideinsatz gegenüber der NEPTUNErhebung 2005 im Einzelfall sogar doppelt so hoch. Normierte Behandlungsindizes zum notwendigen Maß der Pflanzenschutzmittelausbringung anhand von NEPTUN-Erhebungen können daher nur für das spezielle Untersuchungsjahr gelten. Insgesamt konnte durch den Einsatz von Prognose- und Expertenwissen gegenüber der guten fachlichen Praxis im Getreide gezeigt werden, dass noch Reduktionspotential bis zu 40 % unter optimalen Bedingungen besteht. Die Umsetzung ist jedoch nur unter der Voraussetzung günstiger Beratungsmöglichkeiten und bei Nutzung von praxisrelevanten Prognosemodellen möglich. Ansonsten ist vor dem Hintergrund gestiegener Getreidepreise eher mit einer Intensivierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes zu rechnen. Sowohl in Wintergerste als auch in Winterweizen, insbesondere auch Stoppelweizen stehen der Praxis derzeit Sorten mit hohem Ertragspotential zur Verfügung, die auf Grund ihrer guten Krankheitsresistenz eine Reduktion des Fungizideinsatzes möglich erscheinen lassen. In den Weizenversuchen konnte gezeigt werden, dass bei Nutzung krankheitsresistenter Sorten im Hinblick auf den Befall bis zu zwei Drittel des Fungizideinsatzes gespart werden konnte. Dieses war sogar unter extremen Befallsbedingungen mit P. recondita möglich. Auch bei den anderen blattpathogenen Pilzen (S.tritici, und D. tritici-repentis), die schwächer auftraten, war dies der Fall. Die physiologischen Effekte förderten dabei allerdings die Wirtschaftlichkeit des Fungizideinsatzes. Im Mittel der Versuche konnte durch den Anbau von resistenteren Sorten das notwendige Maß an Fungiziden z. T. halbiert werden. Dabei ist das notwendige Maß in diesen Versuchen definiert als die wirtschaftlichste Variante der stadienbezogenen Fungizidapplikation (unbehandelt, 1-fach, 2-fach oder 3-fach Behandlung). Während durch die Nutzung der Sortenresistenz zur Befallsminderung von P. herpotrichoides und Fusarium spp. gezielt Fungizidanwendungen eingespart werden können, war dies gegenüber blattpathogenen Pilzen nicht generell möglich. Da es keine Sorte mit guten Resistenzeigenschaften gegenüber allen Pilzen gibt, muss hier das Befallsrisiko und damit der optimale Fungizideinsatz gegenüber jedem einzelnen Erreger betrachtet werden. Durch die z. T. jährlich wechselnde Bedeutung einzelner Erreger ändert sich auch die optimale Fungizidintensität einer Sorte und somit auch das notwendige Maß in Abhängigkeit vom Befallsgeschehen. Insofern ist die Einordnung von Sorten in einen starren sortenspezifischen Fungizid-Behandlungsindex schwierig. Nach wendender Bodenbearbeitung entsprach der Fungizideinsatz nach Expertenwissen und Prognosesystemen (im Mittel der Versuche und Sorten) dem des notwendigen Maßes, im Vergleich einzelner Sorten traten aber auch Unterschiede auf. Bei der nicht wendenden Bodenbearbeitung wurden demgegenüber 45 % mehr Fungizide in der Expertenvariante eingesetzt. Grund hierfür war die vorsorglich nötige Absicherung gegenüber dem sehr aggressiven Erreger D. tritici-repentis, für den nur Fungizide mit einer sehr begrenzten kurativen Leistung vorhanden sind. Die nicht wendende Bodenbearbeitung erfordert somit einen höheren protektiven Schutz des Weizens, der im Nachhinein nicht in jedem Jahr nötig gewesen wäre. In Wintergerste wurde nur ein bekämpfungswürdiges Auftreten mit D. teres nachgewiesen. Durch Nutzung der Sortenresistenz war im Hinblick auf den Befall eine Reduktion des Fungizideinsatzes bis zu zwei Dritteln möglich. Dies führte aber auf Grund des niedrigen Befallsniveaus nicht zu sortenspezifischen Unterschieden in der Wirtschaftlichkeit. In der Expertenvariante wurden in diesen Versuchen gegenüber dem notwendigen Maß 25 % mehr aufgewendet. Gegenüber dem optimalen Fungizideinsatz (notwendiges Maß) hat die prognosegestützte Expertenvariante zu leichten Mindererlösen geführt. Ein Grund dafür war die nicht ausreichende Resistenz einiger Sorten gegenüber dem Braunrost, die möglicherweise durch eine Veränderung in der Population des Erregers P. recondita zu erklären ist. Zum anderen zeigte sich, dass einzelne Prognosesysteme für den Praxiseinsatz noch weiter entwickelt und evaluiert werden müssen. Die Versuche zeigen überdies die Schwierigkeit der Festlegung des optimalen Fungizideinsatzes (notwendiges Maß). Die optimale Fungizidintensität wurde stark durch die Erzeugerpreise beeinflusst. Bei Preisen von über 20 €/dt stieg der notwendige Fungizidaufwand um 30 bis 40 %. Dieser Effekt tritt bei hohem Krankheitsdruck verstärkt ein. Diese Steigerung der optimalen Fungizidintensität zeigte sich in der Wintergerste z. T. unabhängig von der Sorte und dem Krankheitsdruck. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft wird auch zukünftig im Spannungsfeld zwischen ökologischen Interessen, dem Schutz des Naturhaushalts und der Notwendigkeit einer ökonomischen Produktion diskutiert werden. Der heute praktizierte Pflanzenschutzmitteleinsatz nach guter fachlicher Praxis hat bereits ein Niveau erreicht, dass sowohl aus biologischer als auch ökonomischer Sicht dem angestrebten Optimum sehr nahe kommt. Eine Zielsymbiose aus weiterer Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes einerseits und dadurch bedingte höhere Gewinne zeigte sich nur im Getreide unter bestimmten Voraussetzungen als möglich. Weitere Reduktionen werden durch die Nutzung der Sortenresistenz in Kombination mit kurativ wirkenden Fungiziden möglich sein. Eine gezielte Anwendung von Pflanzenschutzmitteln setzt einen erhöhten Aufwand für Prognose und Beratung voraus. Bei einer deutlichen Senkung der Aufwandmengen von Pflanzenschutzmitteln ist die Gefahr einer Resistenzbildung auf Seiten der Schaderreger nicht auszuschließen und bedarf einer weiteren aufmerksamen Betrachtung. Vor dem Hintergrund steigender Rohstoffknappheit und steigender Erzeugerpreise wird die Wirtschaftlichkeit des Pflanzenschutzmitteleinsatzes und somit das notwendige Maß ansteigen. Dadurch werden die Möglichkeiten der Umsetzung dieser Zielsymbiose möglicherweise weiter eingeschränkt werden. Dies wird eine ständige Neubewertung dieses zukünftigen Zielkonfliktes nötig machen.

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