Die Gründung eines Unternehmens als Schritt in die Selbstständigkeit öffnet zahlreiche Chancen, birgt jedoch mindestens ebenso viele Risiken. Als Gegenläufer des unternehmerischen Erfolgs geht mit jedem wirtschaftlichen Handeln folglich auch immer die Gefahr des Scheiterns einher.[1] Regelmäßig berichtet die Wirtschaftspresse über neue Insolvenzfälle. Mit der Pleite des Frankfurter Unternehmens City2City[2], gefolgt von dem einstigen Konkurrenten DeinBus.de[3] ist zuletzt der noch sehr junge deutsche Fernbusmarkt in den Fokus der Medien gerückt.
Die Annahme, dass besonders junge „Start-Up-Unternehmen“ — bei welchen ein Mangel an Erfahrung und eine zu geringe Kapitalausstattung angemutet werden könnte — der Gefahr einer unternehmerischen Schieflage ausgesetzt sind, wäre jedoch falsch. Zu Krisen im betriebswirtschaftlichen Sinne kommt es bei Unternehmen aller Branchen und Größenklassen. Nahezu jedes Unternehmen mit jahrzehntelangem Bestand musste in seinem Lebenszyklus bereits verschiedene Arten der Krise durchlaufen.[4] Differenziert werden muss hierbei allerdings zwischen existenzbedrohenden und existenzvernichtenden Krisen, denn nicht jede Krise muss zwangsläufig in die Insolvenz führen, sie stellt lediglich den Endpunkt einer unternehmerischen Fehlentwicklung dar.[5] Eine detailliertere Betrachtung der einzelnen Krisenstadien sowie deren Ursachen erfolgt in Kapitel 2.1. Vorweggenommen sei hier nur der Grundsatz, dass die Handlungsspielräume für eine außergerichtliche Sanierung umso größer sind, je früher die Anzeichen einer sich anbahnenden Krise registriert und auch als solche wahrgenommen werden. Je früher auf die Krise reagiert wird, desto höher sind i.d.R. auch die Chancen auf einen erfolgreichen Turnaround.[6]
In die Berichterstattung der Medien gelangen hingegen überwiegend Fälle von prominenten Traditionsunternehmen bei welchen die Krisenanzeichen in der Vergangenheit verkannt wurden und sich eine Insolvenz nicht mehr hat vermeiden lassen. Als Praxisbeispiele können hierfür u.a. Karstadt, Opel, Schlecker, Woolworth, Schiesser oder die Baumarktkette Praktiker genannt werden. Die öffentliche Wahrnehmung bei spektakulären Großinsolvenzen ist damit noch verhältnismäßig hoch.[7] Tatsächlich wird die deutsche Insolvenzlandschaft jedoch überwiegend von mittelständigen Unternehmen dominiert.[8] Nahezu 95% aller Unternehmensinsolvenzen entfallen auf Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von bis zu 5 Mio. €.[9] Unter dem Deckmantel der regionalen Anonymität und Abseits der Medieninteressen werden so täglich Dutzende Unternehmen stillschweigend zu Grabe getragen.[10]
Unabhängig von der Unternehmensgröße führt jede Insolvenz — insbesondere wenn das Unternehmen endgültig zerschlagen wird — zu einer Vielzahl an negativen Konsequenzen. Arbeitnehmer verlieren ihren Arbeitsplatz, langjährig aufgebautes Know-how geht verloren und mühsam gepflegte Geschäftsbeziehungen werden zerstört. Kommunen müssen auf bisherige Gewerbesteuereinnahmen verzichten und die Staatskasse wird durch die Zahlung von Arbeitslosengeld belastet. Vor allem Banken, Kunden, Lieferanten und Aktionäre müssen teils schwere wirtschaftliche Ausfälle erleiden. Sofern die Forderungen nicht hinreichend gesichert sind, müssen Gläubiger nicht selten sogar einen Totalverlust ihrer Forderungen hinnehmen, was wiederum dazu führen kann, dass das Gläubigerunternehmen selbst in finanzielle Schwierigkeiten gerät und der Gefahr einer Insolvenz ausgesetzt wird.[11] Abgesehen von den persönlichen Schicksalsschlägen, die oftmals mit einer Insolvenz einhergehen, führt der Zusammenbruch eines Unternehmens sowohl bei den direkt hinter der betrieblichen Einheit stehenden Personen, als auch bei der Volkswirtschaft im Ganzen zu erheblichen finanziellen Schäden.[12]
Abbildung 1 zeigt rückblickend bis in das Jahr 2005 die Entwicklung deutscher Unternehmensinsolvenzen,[13] die daraus resultierten Arbeitsplatzverluste sowie die Insolvenzschäden insgesamt.
Abbildung 1: Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen und deren Folgen
Quelle: Eigene Darstellung, Zahlenmaterial Bretz, M. in Creditreform, Insolvenzen in Deutschland, 1. Halbjahr 2014
Bricht ein nicht überlebensfähiges Unternehmen zusammen, so ist seine Entfernung aus dem Markt eine Maßnahme der Marktbereinigung und eine unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten notwendige Konsequenz, die im Interesse einer funktionierenden Marktwirtschaft steht. Wird hingegen ein an sich überlebensfähiges Unternehmen zerschlagen, ist dies im Hinblick auf die Vielzahl an negativen Konsequenzen nicht hinnehmbar.[14]
An diesem Punkt knüpft das am 27.10.2011 verabschiedete und am 01.03.2012 in Kraft getretene[15] Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen an.
Vor Einführung der am 01.01.1999 in Kraft getretenen InsO waren für die alten Bundesländer die Bestimmungen der Konkurs- und Vergleichsordnung, für die neuen Bundesländer die Bestimmungen der Gesamtvollstreckungsordnung maßgebend.[16] Unter Geltung der bis Ende 1998 anwendbar gewesenen Rechtsvorschriften wusste man, dass der Konkursantrag gleichbedeutend mit der Zerschlagung des Unternehmens war. Vor diesem Hintergrund versuchte man den Antrag mit allen Mitteln zu vermeiden. Handelte es sich bei dem Unternehmen um ein Familienunternehmen — wie es häufig bei klein- und mittelständigen Unternehmen der Fall ist —, zog die Familie sprichwörtlich das letzte Hemd aus, wenn auch nur eine minimale, meist unrealistische Chance bestand, den Konkursantrag zu vermeiden. Es wurden Bürgschaften an die das Unternehmen finanzierenden Banken gegeben um noch kleine Kredite zu erhalten, man verpfändete das Eigenheim der Familie, und nicht selten wurden sogar die eigenen Kinder in die Haftung mit einbezogen. Wenn, wie üblich, der Konkurs dadurch nicht verhindert werden konnte, waren sämtliche Familienmitglieder oftmals für den Rest ihres Lebens zum Sozialfall geworden. Das soziale Umfeld wendete sich ab und die Firmenlenker bekamen den „Stempel des Versagers“ aufgedrückt. In Kenntnis dieser abschreckenden Wirkung wurde die Antragstellung solange hinausgezögert, wie noch eine vermeintliche Chance bestand, den Konkurs zu vermeiden. Selbst wenn die Betroffenen bereits längst bemerkt hatten, dass der Konkurs unvermeidbar geworden war, wurde oftmals noch versucht die Situation zu verschleiern, indem Banken und Gläubiger getäuscht und Bilanzen gefälscht wurden.[17]
Die damals gängige Praxis des Hinauszögerns der Antragstellung hatte dazu geführt, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung i.d.R. keine Vermögenswerte mehr vorhanden waren. Zwischen 1985 und 1990 wurden über 75% der eingereichten Konkursanträge mangels Masse abgewiesen. Während dieser Anteil 1950 noch bei 27% lag, stieg er 1960 auf 35% und weitere 10 Jahre später auf 47%.[18] Aus diesem Umstand heraus musste die überwiegende Anzahl an Unternehmen liquidiert werden, da eine Sanierung regelmäßig nur bei Vorliegen einer ausreichenden Vermögensmasse gelingen kann.[19]
Bei den verbliebenen Verfahren die zur Eröffnung gelangt sind, stellte sich die Situation nicht besser dar. Die nicht bevorrechtigten Gläubiger erzielten durchschnittlich eine geringe Quote von etwa 5% ihrer Forderungen.[20] Im Jahr 1993 beliefen sich die hierdurch entstandenen Forderungsausfälle auf 35 Mrd. DM, 1996 betrug der Schaden bereits 50 Mrd. DM.[21]
Die steigende Anzahl an Insolvenzen, bei denen es mangels Masse erst gar nicht zur Verfahrenseröffnung kam,[22] verdeutlichte den zunehmenden Funktionsverlust der ehemaligen Rechtsordnung[23] und war ausschlaggebend für die Ausarbeitung eines Reformvorhabens.
Nach nahezu 20 Jahren Reformbemühungen[24] wurde die InsO am 05.10.1994 durch den Bundestag verabschiedet und ist schließlich am 01.01.1999 in Kraft getreten. Das Hauptanliegen bestand darin, ein modernes und funktionsfähiges Insolvenzrecht zu schaffen[25] und den Eröffnungszeitpunkt des Verfahrens zeitlich vorzuverlagern, um dadurch massehaltigere Verfahren zu erhalten.[26] Erreicht werden sollte die frühzeitige Verfahrenseröffnung im Wesentlichen durch die Ausweitung der Eröffnungstatbestände um die drohende Zahlungsunfähigkeit und die Einführung der Eigenverwaltung.
In der Praxis hatte sich die Reform allerdings nicht bewährt. In ihrer damaligen Fassung legte die InsO der frühzeitigen Sanierung insolvenzbedrohter Unternehmen zahlreiche Hindernisse in den Weg. Als einer der Gründe, weshalb besonders ausländische Investoren die damalige InsO als ungeeignet für eine Sanierung angesehen haben wird u.a. genannt, dass der Ablauf eines deutschen Insolvenzverfahrens nicht berechenbar sei und dass kaum eine Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Auswahl des...