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Reformation, Gegenreformation und Bauernkrieg

Die Stadt Teuchern in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

AutorCarsten Gießler
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl180 Seiten
ISBN9783746041087
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts brachte etliche Veränderungen mit sich. Neben der Reformation fanden auch politische, gesellschaftliche und soziale Umbrüche statt. Diese gingen auch an einer kleinen Stadt wie Teuchern, im heutigen Burgenlandkreis, nicht vorbei. Im Gegenteil - einige Teucherner Persönlichkeiten wirkten sogar aktiv in Politik und Kirche mit. Der Teucherner Pfarrer Anton Zimmermann gehörte zu den frühen Reformatoren, später versuchte der Pfarrer Friedrich Wolschendorf vergeblich, den katholischen Glauben zu erhalten. Auch die Mitglieder der adeligen Familie von Bünau zu Teuchern hatten Einfluss - als Berater des Herzogs oder als kirchlicher Würdenträger in Naumburg. Ihre Biografien sollen in diesem Buch ebenso beleuchtet werden wie das Leben in Teuchern zur damaligen Zeit.

Carsten Gießler wurde 1980 geboren und wuchs in Teuchern auf. Seit 2000 ist er Mitglied des Heimatvereins Teuchern e.V. und forscht zur Geschichte der Stadt und Umgebung. Seine bisherigen Publikationen erschienen in der Reihe "Teucherns Historia" des Heimatvereins. Seit mehreren Jahren beschäftigt er sich mit den Teucherner Adelsgeschlechtern, erste Ergebnisse wurden in seinem ersten eigenen Buch "Reformation, Gegenreformation und Bauernkrieg" veröffentlicht, weitere Publikationen zum Thema sind geplant.

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Leseprobe

1. Die Reformation in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts


Es ist eines der bekanntesten und berühmtesten Daten der Geschichte: Am 31. Oktober 1517 schlug der Wittenberger Theologe Dr. Martin Luther 95 Thesen an die damalige Stifts-1 und spätere Schlosskirche in Wittenberg. Der berühmte Thesenanschlag gilt als Beginn einer Erneuerungsbewegung der Kirche - der Reformation.

Abb. 1.1: Die damalige Stifts- und heutige Schlosskirche in Wittenberg

Ob der Anschlag der Thesen an der Kirchentür tatsächlich stattgefunden hat, ist unter Historikern umstritten. Belegt ist, dass die Tür als schwarzes Brett der erst 1502 gegründeten Universität Wittenberg genutzt wurde. Für die historische Bedeutung der Thesen, die Luther zumindest in einem am 31. Oktober 1517 datieren Brief an Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz und Magdeburg, und an seine (also Luthers) Anhänger gesandt hat, ist dies ohne Belang. Luther wählte gerade Albrecht als Empfänger aus, da dessen Finanzdeals und Ablassgeschäfte die anderer Fürsten an (negativer) Bedeutung überragten.

Der frühere Jurastudent und Mönch Luther2 arbeitete damals als Professor für Theologie an der Universität Wittenberg. Er beschäftigte sich intensiv mit dem Studium der Bibel. Luther, der Zeit seines Lebens den Teufel und die Hölle fürchtete, zweifelte dadurch immer mehr an einigen Punkten der katholischen Lehre. So störte er sich an der „Allmacht des Papstes“, dem Recht der Kurie über die Auslegung der „Heiligen Schrift“ und dem Eheverbot für Priester. Auch das Mönchstum sowie die Heiligen- und Reliquienverehrung wurden von Luther kritisiert. Allein die Bibel sollte die Glaubensgrundlage sein. Am meisten aber störte ihn der Ablasshandel. Durch den Kauf von sogenannten Ablassbriefen sollte es den Gläubigen möglich sein, die sogenannten Sündenstrafen (entgegen der landläufigen Meinung nicht die Sünden selbst) erlassen zu bekommen3.

Anfang des 16. Jahrhunderts nahm der Handel mit Ablassbriefen schwunghaft zu. Einer der bekanntesten Ablasshändler war Johann Tetzel4. Der Dominikanermönch wurde vermutlich um 1460 in Pirna5 geboren. Wahrscheinlich ab 1504 war Tetzel zunächst für den Deutschen Ritterorden im Ablasshandel tätig6. Von 1505 bis 1510 war er in dieser Funktion in Sachsen, konkret auch in den Diözesen Merseburg und Naumburg7, unterwegs8. In Görlitz soll er 1509 erstmals den berühmten Satz „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt“ geäußert haben9. Sein Amt führte ihn auch in den süddeutschen Raum und nach Österreich, wo er in Innsbruck angeblich wegen Ehebruchs und Spielbetrugs zum Tode durch Ertränken verurteilt worden sei10. Bereits im sächsischen Raum wurde ihn ein sündiges Leben nachgesagt. Aufgrund einer Intervention des Kurfürsten Friedrich von Sachsen bei Kaiser Maximilian I. soll das Todesurteil aufgehoben worden sein. Allerdings ist diese Geschichte eine Erfindung, die aber bereits zu Lebzeiten Luthers verbreitet wurde und so Eingang in zahlreiche Geschichtsbücher gefunden hat11.

Tatsache ist, dass Tetzel nach Sachsen zurückkam und war wieder als Ablassprediger tätig war. 1516 ernannte das Bistum Meißen ihn zum Subkommissar beim Ablasshandel für den Bau der Peterskirche in Rom12. Ab 1517 war er als Generalsubkommissar im Auftrag des Erzbischofs von Mainz Albrecht von Brandenburg in den Bistümern Halberstadt und Magdeburg unterwegs13. Dieses Wirken in der unmittelbaren Nachbarschaft Wittenbergs – Luther nennt in seinen Aufzeichnungen konkret Jüterbog und Zerbst14 - war letztlich der Anlass für die Verfassung der Thesen durch Luther15. Selbst Herzog Georg von Sachsen, später einer der erbittertsten Gegner der Reformation, ließ 1517 sogar Luthers Thesen verbreiten, um vor dem „Betrug Tetzels“ zu warnen16.

Tetzel soll ab dem 1. März 1517 für einige Tage in Naumburg gewesen sein17. 1519 sei er in Weißenfels gewesen, wobei ihn der Sage nach die meisten Menschen mit Pfiffen begrüßt hätten. Tetzel hätte sogar vor der Menschenmenge beschützt werden müssen. Diese Episode hat so wohl nicht stattgefunden, die Aufenthalte in Weißenfels18 und Naumburg sind aber bezeugt, wahrscheinlich ist auch ein Aufenthalt Tetzels in Zeitz19. Am 11. August 1519, nach anderen Quellen am 4. Juli 151920, starb Tetzel in Leipzig vermutlich an der Pest21.

Luther kritisierte den Ablasshandel, da er sich um das Seelenheil der Gläubigen sorgte. Der Ablass sei nur eine Illusion bzw. ein „Geldgeschäft“. Nur durch Buße, die nicht erkauft werden könne, könne ein Christ sich die begangenen Sünden vergeben lassen22. Seine Thesen verbreiteten sich in der darauffolgenden Zeit im gesamten deutschsprachigen Raum. Ebenso wie für die Ablassbriefe war hier die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern Grundvoraussetzung23. Da es so etwas wie ein Urheberrecht nicht gab, gab es auch zahlreiche „unlizenzierte“ Nachdrucke. Luthers Thesen wurden zumindest in Leipzig, Nürnberg und Basel gedruckt24. Insbesondere die Plakatdrucke von Jakob Thanner, einem Leipziger Buchdrucker, verbreiteten sich Ende des Jahres 1517 schnell25. Luther und seine Ideen erlangten damit eine ungewollte Bekanntheit. Einige der Drucke sind noch bis heute erhalten, so auch der sogenannte „Zeitzer Thesendruck“. Dabei handelt es sich um einen Plakatdruck, der in den 1880er Jahren in der Bibliothek der Zeitzer Michaeliskirche gefunden wurde. Gedruckt wurden diese Thesen von dem oben genannten Jakob Thanner26. Der Thesendruck war Teil eines Sammelbandes, welcher nach einem Vermerk 1613 von „Lucas Scholtz, Bürger und Krämer allhier in Zeitz“ der Bibliothek geschenkt wurde. In dem Sammelband befanden sich mehrere Dokumente zum Ablasshandel, eventuell auch ein Brief, der Tetzels Anwesenheit in Zeitz dokumentieren soll. Der Band ist leider nicht mehr vorhanden, nur der Druck der Thesen ist noch erhalten27.

Während die Kirche die Thesen zunächst nicht widerlegen konnte, vertiefte Luther 1518 in weiteren Schriften seine Ideen. Für Luther stand allein der Glaube im Mittelpunkt. Für Gott seien alle Christen gleich. Insbesondere das Mönchs- und Nonnentum kritisierte Luther mit solchen Aussagen28. Als ehemaliger Mönch kannte Luther das Klosterleben. Vielleicht stellte er deswegen die Klöster so vehement in Frage. Auch die Art und Weise, wie in der römischkatholischen Kirche das Abendmahl praktiziert wurde, stand für Luther zur Diskussion. Im Mittelalter war es ungewöhnlich, dass den Gläubigen neben dem Brot auch Wein gereicht wurde. Allein der Pfarrer trank den Wein (Abendmahl in einerlei Gestalt). Ab 1415 war es sogar generell untersagt, den Gläubigen, dass Abendmahl in beiderlei Gestalt (also mit dem sogenannten Laienkelch) zu erteilen29. Das Zölibat hielt Luther für überholt, zumal zahlreiche Pfarrer eine (oder mehrere) Geliebte hatten. Weiterhin regte er die „Reduzierung“ der Sakramente – Taufe, Firmung, Abendmahl, Beichte, letzte Ölung, Ordination und Ehe – auf zwei, nämlich Abendmahl und Taufe, an30.

Daneben übte Martin Luther an der Heiligenverehrung und insbesondere am Marienkult Kritik. Nach seiner Lehre stand niemand zwischen den Gläubigen und Gott. Es bedurfte keiner Kirche und auch keiner Heiligen, um mit Gott in Kontakt zu kommen. Damit stellte Luther auch die „Schriftauslegungskompetenz“ der Kirche in Frage31. Deswegen wurde noch im Juni 1518 in Rom gegen ihn der Ketzerprozess eröffnet32.

Luther war nicht der erste „Reformator“33, aber die Umstände bei Luther waren anders. Obwohl der Ketzerprozess lief, folgten zunächst keine Konsequenzen. Die Herrschenden hatten zunächst andere Sorgen, da das Reich von außen durch die Osmanische Armee bedroht war34. Damit konnte sich Luthers Lehre auch weiter verbreiten35. Aufgrund der Erfindung des Buchdruckes verbreiteten sich Luthers Ideen schnell und er war in der Bevölkerung bekannt und beliebt. Es war klar, dass sich Luthers Thesen durch dessen Verurteilung nicht einfach stoppen lassen würden. Die Humanisten36, deren Ideen sich bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts verbreiteten, hatten zudem den Boden für eine umfassende Bildungsreform geebnet37. Luther selbst hatte eine humanistische Vorprägung38. Auch er kritisierte das Bildungswesen und trat in seinen Schriften für ein besseres Schulsystem ein39. Der wichtigste Unterschied zu seinen „Vorgängern“ dürfte aber folgender gewesen sein: Martin Luther hatte mit dem Kurfürsten Friedrich von Sachsen40, genannt „der Weise“41, einen...

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