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Reisen, Band 2 - Californien

Vollständige Ausgabe

AutorFriedrich Gerstäcker
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl305 Seiten
ISBN9783849615598
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Dies ist Band zwei von fünf in denen der große Reise- und Abenteuerschriftsteller von seinen Erlebnissen berichtet. Friedrich Gerstäcker war ein deutscher Schriftsteller. Er ist vor allem durch seine Bücher über Nordamerika bekannt

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Leseprobe

 


Erst wenn man sich in San Francisco selber um die Mittel und Wege bekümmerte, von der Stadt weg und in die Minen zu kommen, begriff man eigentlich, wie es möglich sey, daß es in einem Hafenplatz an Arbeitskräften fehlen konnte, wo täglich, ja fast stündlich neue Schiffe einliefen und Schaaren von Einwanderern brachten, denen der hier gebotene Arbeitslohn, im Verhältniß zu den verlassenen Ländern, doch enorm, oder nach einem californischen Ausdruck eldoradisch erscheinen und sie verleiten mußte gleich auf solche etwas weniger abenteuerliche Weise, als es vielleicht früher ihre Absicht gewesen, das gesuchte Glück zu machen und Reichthümer oder doch wenigstens recht hübsche Ersparnisse aufzuhäufen. Ueberall an den verschiedenen Landungsplätzen strebte und drängte es von Tausenden, die sich jetzt eben so große Mühe gaben, von San Francisco wieder fort zu kommen, wie sie sich erst gegeben hatten, es zu erreichen; selbst die Zimmerleute ließen sich nur selten und, wenn es wirklich geschah, bloß auf sehr kurze Zeit bestimmen, den ihnen gebotenen Arbeitslohn von 16 bis 18 Dollars täglich anzunehmen. Alles, alles strömte nach den Minen und die kleinen dorthin abgehenden Dampfboote und Schooner schwärmten wirklich von Goldwäschern, die Pfannen, Maschinen und alles mögliche andere Handwerksgeräth und Kochgeschirr triefenden Angesichts an Bord schleppten und, selber rund herum mit Pistolen, Dolchen, Hirschfängern und Gewehren besteckt, endlich ihrem Gepäck nachfolgten, nach dem heißen Tag und von Schweiß naß die kalte Nacht an Deck zu schlafen und als ersten Anfang eine schauerliche, hier selten ausbleibende Dysenterie davonzutragen.

 

Aehnlich war es mit uns, nur daß unsere kleine Gesellschaft – denn es schließen sich gewöhnlich zu den Ausflügen in die Berge Bekannte oder Leute aneinander an, die für einander passen oder es wenigstens glauben – schon durch ihre wunderliche Zusammenstellung mir eine Art Interesse gewährt haben würde, wäre nicht das ganze neue Leben an und für sich interessant genug gewesen, meine volle Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen und zu fesseln.

 

Ich hatte mir eigentlich von Anfang an vorgenommen, auf dem Schiff keine Kameradschaft für die Minen einzugehen, sondern ungebunden meinen Weg zu verfolgen und es dem Zufall zu überlassen, mit wem er mich zusammenwerfen würde; aus verschiedenen Gründen änderte ich meinen Plan. Nur im allergünstigsten Fall dachte ich auch in den Bergen zu überwintern; nur ein Streifzug sollte dieß seyn, das Land kennen zu lernen, und je gemischter die Gesellschaft dabei war, desto lieber konnte es mir seyn.

 

Unserer sieben – ich mußte an die sieben Schwaben denken – gingen wir am 19. Oktober von San Francisco aus, d. h. wir accordirten in einem Bureau, das Reisende nach Sacramento City befördert, unsere Passage für 13 Dollars die Person (Deckpassage natürlich) und wurden beschieden, um 2 Uhr am Ufer zu seyn, wo uns ein Boot des Schooners Pomona an Bord bringen sollte. Unsere kleine Gesellschaft bestand aus zwei jungen Kaufleuten, einem Matrosen, einem Apotheker, zwei Berliner Israeliten und mir selber – die meisten, besonders die letzteren, schwer bewaffnet. Gepäck hatten wir jedoch, auf mein Anrathen, so wenig als möglich mitgenommen; nur etwas Wäsche und eine wollene Decke jeder nebst dem sonst nöthigen Bedarf an Munition und Eß- und Kochgeschirr. Auch ein paar Pfannen zum Goldwaschen waren nicht vergessen worden, Spitzhacken und Schaufeln wollten wir uns aber erst an Ort und Stelle anschaffen. Der Transport steigert solche schwere Artikel sonst zu einem zu hohen Preis.

 

Schlag 2 Uhr – die Deutschen sind meistens pünktlich – standen wir, des Bootes harrend, am Ufer und hatten dort zwei volle Stunden lang Gelegenheit, das rege Drängen und Treiben des neu und wie der Erde entsprungenen Welthafens zu beobachten. Ueberall keuchten die Leute unter schweren Lasten das steile Ufer herauf – es waren die Passagiere mehrerer eben angekommener amerikanischen Schiffe; in Schweiß gebadet und zum Tod erschöpft stiegen sie herauf und hinunter und ich hörte, wie sich einige mit etwas bedenklichem Kopfschütteln zuriefen – that is California.

 

Ein kleines Dampfboot war ebenfalls gerade gelandet und hatte Leute aus den Minen zurückgebracht – zwei Wägen hielten unten und in jedem lagen ein paar Kranke, die von ihren Kameraden unterstützt in die Stadt herausgeschafft wurden.

 

»You are for the mines?« frug mich ein alter, sonngebräunter Amerikaner, der an uns vorüberschlenderte, stehen blieb und mit einer Art halbversteckten spöttischen Lächelns – er hatte übrigens alle Ursache dazu – unsere kleine Karawane beobachtete, »Yes we are,« lautete die kurze Antwort; der Mann war aber nicht so gleich abgefertigt – a wink is as good to a blind horse, as a nod, fuhr er auf etwas ungenirte Weise fort, »wenn Ihr aber einen guten Rath annehmen wollt, so bleibt Ihr die Regenzeit durch – die schon in vierzehn Tagen anfangen kann – in San Francisco; geht Ihr in die Berge um zu waschen, so könnt' es recht gut seyn, daß Ihr gewaschen würdet – verstanden?« Ja, du lieber Gott, der gute Mann sprach in den Wind – in der That kam der Rath auch ein bischen spät – ich machte ihm begreiflich, daß wir unsere Passage nach Sacramento City schon accordirt und bezahlt hätten und jetzt unter jeder Bedingung die Folgen auf uns nehmen müßten.

 

»Schon bezahlt?« sagte er, »und wahrscheinlich auf einem Schooner, Deckpassage?« Ich nickte bloß mit dem Kopf, der Alte aber schob, ohne weiter etwas zu erwiedern, seine beiden Hände so tief als möglich in die Hosentaschen hinein, drehte sich auf dem Absatz herum, pfiff aus Leibeskräften und stiefelte mit langen Schritten die Straße hinunter.

 

Mir gefiel das Manöver gar nicht – der alte Bursche hatte augenscheinlich schon viel von Californien gesehen; jede weitere Betrachtung wurde aber durch die Ankunft des ersehnten Bootes vom Schooner aus unterbrochen und das Einladen und Einsteigen nahm jetzt unsere Aufmerksamkeit viel zu sehr in Anspruch um noch an etwas anderes vorderhand auch nur denken zu können. Der Schooner lag zwischen den andern Schiffen und von diesen ziemlich dicht eingeschlossen; aber, lieber Gott, wie sah es an Bord aus! kein Platz war, wohin man auch nur den Fuß setzen konnte, überall Mehlsäcke, Fässer, Breter und Planken, und Menschen. Mann an Mann standen sie zwischen diesem Chaos von Frachtgut herum und schienen unsere Ankunft, als eine neue Plage, nur sehr ungern mit anzusehen. Hier half aber weiter kein Besinnen, wir sprangen an Bord, stauten unser weniges Gepäck so viel und so eng wie möglich aus dem Weg und suchten uns dann, so gut als das in diesen Verhältnissen anging, einzurichten. Erst mit Sonnenuntergang wurde der Anker gelichtet und der Schooner, einer der größten, die den Sacramento befahren, setzte sich langsam in Bewegung.

 

Unsere Freude sollte nicht lange dauern; durch schlechte Führung trieb er von seiner Bahn ab und auch gleich darauf mit dem großen Segel, ehe dieses ganz niedergelassen werden konnte, in den Clüverbaum einer zu Leebord liegenden Brigg hinein. Das Segel wurde total zerrissen, und ehe der Schooner frei gemacht und dieses ausgebessert werden konnte, war die Nacht so weit vorgerückt, daß an keinen Aufbruch vor morgen früh mehr gedacht werden durfte.

 

Ein schöner Beginn der Reise! Die Nacht brach kalt und feucht herein und der Aufenthalt an Deck war wahrhaft traurig. Dazu trug ich besonders ganz leichte Kleidung, und nach dem vielen Herumrennen den Tag über fröstelte es mich so, daß ich mich in meiner Decke, auf ein paar Mehlsäcke und über einige Kistenecken hingestreckt, kaum zu erwärmen vermochte.

 

Am nächsten Tage gegen Mittag gingen wir allerdings unter Segel, legten aber nur eine ziemlich unbedeutende Strecke, bis zu dem kleinen an der Bai gelegenen Städtchen Benitia, zurück, und liefen am nächsten Tage sogar (der verwünschte Schooner ging 10 Fuß tief und es wurde uns jetzt gesagt, daß einzelne der seichtesten Stellen im Sacramento nur acht Fuß Wasser hätten – Sacrrramento –) auf den Strand. Es war zum Verzweifeln.

 

So gesund und wohl ich mich bis dahin auch gefühlt hatte, bekam ich jetzt doch durch den wirklich nichtswürdigen Aufenthalt an Bord (am Lande waren uns very good accommodations for deckpassengers mit vielen Betheuerungen zugesichert) eine sehr bösartige Dysenterie, und zum erstenmal zwang sich mir der Gedanke auf, dem ich bis dahin immer absichtlich ausgewichen war, wie entsetzlich es doch seyn müsse, wenn man jetzt hier, in dem fremden Land, in den fernen Bergen, unter lauter Goldsuchern, denen der Mammon Alles, der Mensch Nichts ist – ernstlich krank würde. Schon solche Gedanken beweisen eine Unordnung in unserem Organismus, denn der vollkommen gesunde Körper denkt selten oder nie an solche Augenblicke – er erspart die Furcht solchen Zustands auf die Zeit, wo er wirklich eintreten sollte.

 

Montag den 22. erleichterten wir den Schooner auf ein kleines Flatboot, das vom Capitän aus dem nächsten Städtchen beigebracht war und segelten dann, Benitia gegenüber, dem kleinen Städtchen Newyork zu, um dort, wie gesagt wurde, für die Nacht wieder Anker zu werfen.

 

Der Capitän der Pomona – so hieß der Schooner – Peterson mit Namen, ein amerikanisches Exemplar der erbärmlichsten Art, wie sie in den vereinigten Staaten meist nur...

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