Sie sind hier
E-Book

Reisen eines Deutschen in England im Jahre 1782

Vollständige Ausgabe

AutorKarl Philipp Moritz
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl150 Seiten
ISBN9783849632076
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Wie jeder Deutsche, der Ende des 18. Jahrhunderts etwas auf sich hielt war auch Moritz gerne auf 'Studienreisen'. Hier erzählt er die Eindrücke aus seinem Aufenthalt auf der Insel.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

 

Der Ort bestand aus zwei Reihen dicht aneinandergebauter Häuser, und war so regelmäßig angelegt, wie eine Straße in London. Alle Türen waren schon verschlossen, und ich sahe nur noch in einigen Häusern Licht.

 

Endlich sah' ich ganz am Ende des Orts, ein großes Schild quer über die Straße aushängen, und das letzte Haus an der linken Seite war der Gasthof, wo noch alles in Bewegung war.

 

Ich kehrte ohne Umstände ein, und sagte, ich wolle die Nacht da bleiben. By no means! (keinesweges) hieß es, es sei schlechterdings unmöglich; das ganze Haus sei voll, und alle ihre Betten besetzt; da ich so weit wäre, solle ich nur noch vollends die fünf Meilen bis Oxford gehen.

 

Weil mich sehr hungerte, so verlangte ich wenigstens, daß man mir etwas zu essen geben sollte. Allein ich bekam zur Antwort, weil ich die Nacht nicht da bleiben könne, so ginge es auch nicht gut an, daß sie mir zu Essen geben könnten, ich möchte nur weiter gehn.

 

Endlich verlangte ich einen Krug Bier, den man mir für bare Bezahlung gab, aber einen Bissen Brot dazu, den ich auch gern bezahlen wollte, schlug man mir ab.

 

Eine solche erstaunliche Inhospitalität hatte ich denn doch in einem Englischen Gasthofe nicht erwartet. Ich wollte aber doch alles mögliche versuchen, um zu sehen, wie weit die Lieblosigkeit dieser Leute gehen würde.

 

Ich bat also, sie möchten mich nur auf einer Bank schlafen lassen, und mir Obdach geben, ich wolle dafür so viel, als für ein Bette bezahlen, denn ich wäre so müde, daß ich unmöglich weiter gehen könnte, allein indem ich noch diesen Antrag machte, schlug man mir die Tür vor der Nase zu.

 

Da man mich nun hier in einem kleinen Dorfe nicht hatte aufnehmen wollen, so konnte ich noch weit weniger erwarten, daß man es in Oxford tun würde. Ich war also beinahe entschlossen, diese Nacht, weil es überdem ziemlich warm war, unter freiem Himmel zuzubringen, und suchte mir zu dem Ende einen bequemen Platz auf dem Felde unter einem Baume aus. Als ich nun gerade im Begriff war, meinen Überrock auszuziehen, um ihn mir untern Kopf zu legen, hörte ich jemanden mit schnellen Schritten hinter mir herkommen, der mir zurief, ich solle warten, wir könnten miteinander gehen.

 

So wenig nun auch jemanden, der auf die Weise hinter einem herkömmt, in finstrer Nacht zu trauen ist, so war es mir doch eine Freude, daß sich wieder ein Mensch um mich bekümmerte, und mit mir gehen wollte, da ich vorher so äußerst unfreundlich von den Menschen ausgestoßen war.

 

Ich erwartete ihn also ruhig, und als er zu mir heran kam, sagte er, wenn ich gut zu Fuße wäre, so könnten wir miteinander gehen, denn er wolle auch noch nach Oxford. Als ich ihm das erste versicherte, setzten wir unsern Weg zusammen fort.

 

Da ich nun nicht wissen konnte, ob meinem Reisegefährten zu trauen sei, so suchte ich mich ihm auf alle Fälle von einer bemitleidenswerten Seite bekannt zu machen. Und beklagte mich zu dem Ende über das Unrecht, daß man mir, als einem armen Wandrer, in dem letzten Gasthofe nicht einmal ein Obdach verstattet, und mir für mein Geld sogar einen Bissen Brot versagt habe.

 

Mein Reisegefährte entschuldigte die Leute in etwas, indem er sagte, daß wirklich das Haus voller Leute sei, die hier in der Nähe gearbeitet hätten, und nun da logierten. Daß man mir aber einen Bissen Brot versagt habe, könne er freilich selbst nicht billigen; und hierauf fragte er mich, wo ich denn heute hergewandert käme.

 

Ich antwortete aus Nettlebed, und erzählte ihm, daß ich da heute Morgen dem Gottesdienste mit beigewohnt hätte.

 

Da Ihr also vermutlich heute Nachmittag durch Dorchester gekommen seid, sagte er, so hättet Ihr mich auch können predigen hören, wenn Ihr dort in die Kirche gekommen wäret: denn dies ist mein Vikariat, wo ich eben herkomme, um wieder nach Oxford zu gehen.

 

Also seid Ihr ein Prediger? sagte ich, ganz voller Freuden, daß ich in dieser finstern Nacht, auf meinem Wege einen Gefährten angetroffen hatte, mit dem ich einerlei Beschäftigung trieb. Ich bin auch ein Mann der predigt, sagte ich zu ihm, indem ich ihm zugleich zu verstehen gab, daß ich nicht, wie ich vorher gesagt, aus Armut, sondern um Sitten und Menschen kennen zu lernen, zu Fuße reiste.

 

Er war über diese angenehme Zusammenkunft eben so erfreut wie ich, und wir schüttelten brüderlich die Hände zusammen, ehe wir weiter gingen.

 

Nun fing er an, einige Worte Latein zu reden, und da ich ihm nach der Englischen Aussprache wieder Lateinisch antwortete, gab er mir seinen Beifall über meine richtige Pronunciation des Lateinischen zu erkennen. Denn, sagte er, vor einigen Jahren sei ihm einmal, auch in der Nacht, fast auf eben dem Fleck, ein Deutscher begegnet, der ihn auch in Latein angeredet, aber es so abscheulich ausgesprochen habe, daß er nur wenige Worte davon verstanden hätte.

 

Das Gespräch lenkte sich nun auf theologische Materien, und unter andern auf die neuen Lehren des D. Priestley, den er bis in den untersten Abgrund der Hölle verdammte. Ich hütete mich also wohl, mich über diesen Text zu tief mit ihm einzulassen, und billigte seine Behauptungen ohne alle Einschränkung, wodurch ich mir sehr seine Gunst erwarb.

 

Während diesem Gespräche waren wir fast, ohne des Weges gewahr zu werden, bis nahe vor Oxford gekommen.

 

Nun, sagte er, würde ich bald eine von den schönsten und prächtigsten Städten, nicht nur in England, sondern in ganz Europa, sehen, nur sei es Schade, daß ich, wegen der Dunkelheit der Nacht, den herrlichsten Prospekt davon verlieren würde.

 

Diesen verlor ich denn auch wirklich, und sahe nicht eher etwas von Oxford, bis wir dicht daran waren. Und nun sagte er, als wir hineingingen, würde ich eine der längsten, prächtigsten und schönsten Straßen nicht nur in dieser Stadt, sondern in England, und überhaupt in ganz Europa sehen.

 

Sehen konnte ich die Pracht und Schönheit dieser Straße nicht, aber ihre Länge fühlte ich an meiner Müdigkeit, denn ich merkte, daß wir immer fortgingen, ohne daß die längste Straße in Europa ein Ende nahm, oder daß ich gewußt hätte, wo ich nun auf dieser berühmten Straße die Nacht bleiben würde. Bis endlich mein Reisegefährte stille stand, um von mir Abschied zu nehmen, und sagte, er wolle nun in sein Kollegium gehen, wo er wohnte.

 

Und ich will mich die Nacht hier auf einen Stein setzen, gab ich ihm zur Antwort, und den Morgen abwarten, weil ich hier wohl schwerlich eine Herberge finden werde.

 

Ihr wollt Euch auf einen Stein setzen, sagte er, und schüttelte mit dem Kopfe: Kommt lieber mit mir in ein Bierhaus hier in der Nähe, vielleicht treffen wir da noch mehr Gesellschaft an!

 

Wir gingen also noch ein Paar Häuser weiter, und klopften an die Türe. Es ging schon auf zwölf Uhr. Man machte uns auf, und wie groß war meine Verwunderung, da wir gleich zur linken Seite in einen Verschlag traten, wo eine ganze Anzahl Priester mit ihren Mänteln und Kragen, um einen großen Tisch, jeder seinen Bierkrug vor sich, saßen, denen mich mein Reisegefährte als einen german Clergyman vorstellte, und mich nicht genug wegen meiner richtigen Aussprache des Lateinischen, meiner Orthodoxie, und meines guten Schrittes wegen, rühmen konnte.

 

Ich sahe mich also plötzlich in eine Gesellschaft versetzt, wovon ich mir nie etwas hatte träumen lassen; und es kam mir äußerst sonderbar vor, daß ich nun so auf einmal, ohne zu wissen wie, nach Oxford, und mitten in der Nacht in eine Gesellschaft oxfordischer Geistlichen gekommen war.

 

Indes suchte ich mich in dieser Situation so gut wie möglich zu nehmen. Ich erzählte von unsern deutschen Universitäten, und daß es auf denselben oft sehr unruhig und geräuschvoll zuginge, und dergleichen: O hier gehts auch manchmal sehr geräuschvoll zu, versicherte mir einer von den Geistlichen, der einen kräftigen Zug aus seinem Bierkruge tat, und dabei mit der Hand auf den Tisch schlug.

 

Die Unterhaltung ward immer lebhafter: man fragte mich auch nach Herrn Bruns, jetzigen Professor in Helmstädt, den die meisten unter der Gesellschaft gekannt hatten.

 

Nun war unter allen diesen Clergymen auch ein Weltlicher, Namens Clerck, der ein starker Geist sein wollte, und ihnen allerlei Einwürfe gegen die Bibel machte. Er machte ein Wortspiel mit seinem Namen, weil Clerk auch ein Küster heißt, indem er sagte, er bleibe immer Clerk, und avanciere nie zum Clergyman; überhaupt war er, nach seiner Art, wirklich ein launigter Kerl.

 

Dieser machte denn unter andern meinem Reisegefährten, der, wie ich hörte, Mr.  Modd hieß, den Einwurf gegen die Bibel, daß mit klaren Worten darin stünde, Gott sei ein Weintrinker.

 

Darüber ereiferte sich nun Mr. Modd gewaltig, indem er behauptete, es sei schlechterdings unmöglich, daß eine solche Stelle in der Bibel gefunden werde. Ein andrer Geistlicher, der Mr.  Caern hieß, berief sich auf seinen abwesenden Bruder, der schon vierzig Jahr im Amte sei, und gewiß etwas von dieser Stelle wissen müsse, wenn sie in der Bibel stände, er wolle aber darauf schwören, daß sein Bruder nichts davon wisse.

 

Waiter! fetch a Bible!...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Europa - Tourismus und Reiseführer

Radwandern: Der Jakobsweg

E-Book Radwandern: Der Jakobsweg
Von Pamplona nach Santiago de Compostela Format: PDF

Radwandern auf dem historischen Jakobsweg Der handliche Radwanderführer liefert Ihnen: - 14 Etappenbeschreibungen - Beschreibung von knapp 800km auf dem Original-Pilgerweg, dem "Camino…

Radwandern: Der Jakobsweg

E-Book Radwandern: Der Jakobsweg
Von Pamplona nach Santiago de Compostela Format: PDF

Radwandern auf dem historischen Jakobsweg Der handliche Radwanderführer liefert Ihnen: - 14 Etappenbeschreibungen - Beschreibung von knapp 800km auf dem Original-Pilgerweg, dem "Camino…

Deutschland, eine Reise

E-Book Deutschland, eine Reise
Format: ePUB

Wolfgang Büscher ist einmal um Deutschland herum gereist. Drei Monate war er unterwegs, zu Fuß, per Bus, per Anhalter oder auch mit dem Schiff. Er hat ein Land gesehen, das unendlich viel…

Vino, Verdi, dolce vita

E-Book Vino, Verdi, dolce vita
Warum wir Italien so lieben Format: ePUB

Prada oder Birkenstock, Adria oder Baggersee, Pizza oder Bratwurst - wenn es um »la dolce vita« geht, ist Italien einfach unschlagbar. Nicht umsonst ist es unser liebstes Reiseziel: In Scharen…

Vino, Verdi, dolce vita

E-Book Vino, Verdi, dolce vita
Warum wir Italien so lieben Format: ePUB

Prada oder Birkenstock, Adria oder Baggersee, Pizza oder Bratwurst - wenn es um »la dolce vita« geht, ist Italien einfach unschlagbar. Nicht umsonst ist es unser liebstes Reiseziel: In Scharen…

Berlin - Moskau

E-Book Berlin - Moskau
Eine Reise zu Fuß Format: ePUB

Wolfgang Büscher ist zu Fuß von Berlin nach Moskau gelaufen. Allein. An die drei Monate dauerte die Wanderung. Im Hochsommer hat er die Oder überquert, an der russischen Grenze die Herbststürme…

Berlin - Moskau

E-Book Berlin - Moskau
Eine Reise zu Fuß Format: ePUB

Wolfgang Büscher ist zu Fuß von Berlin nach Moskau gelaufen. Allein. An die drei Monate dauerte die Wanderung. Im Hochsommer hat er die Oder überquert, an der russischen Grenze die Herbststürme…

Gebrauchsanweisung für Irland

E-Book Gebrauchsanweisung für Irland
10. aktualisierte Auflage 2020 Format: ePUB

Die Insel in Europas Nordwesten: vielleicht der Flecken Erde mit den meisten Klischees pro Quadratmeter. Was aber erwartet den Irlandreisenden wirklich? Eine der jüngsten Bevölkerungen, die nach…

Weitere Zeitschriften

arznei-telegramm

arznei-telegramm

Das arznei-telegramm® informiert bereits im 53. Jahrgang Ärzte, Apotheker und andere Heilberufe über Nutzen und Risiken von Arzneimitteln. Das arznei-telegramm®  ist neutral und ...

FREIE WERKSTATT

FREIE WERKSTATT

Die Fachzeitschrift FREIE WERKSTATT berichtet seit der ersten Ausgaben 1994 über die Entwicklungen des Independent Aftermarkets (IAM). Hauptzielgruppe sind Inhaberinnen und Inhaber, Kfz-Meisterinnen ...

Berufsstart Gehalt

Berufsstart Gehalt

»Berufsstart Gehalt« erscheint jährlich zum Sommersemester im Mai mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

dima

dima

Bau und Einsatz von Werkzeugmaschinen für spangebende und spanlose sowie abtragende und umformende Fertigungsverfahren. dima - die maschine - bietet als Fachzeitschrift die Kommunikationsplattform ...

ea evangelische aspekte

ea evangelische aspekte

evangelische Beiträge zum Leben in Kirche und Gesellschaft Die Evangelische Akademikerschaft in Deutschland ist Herausgeberin der Zeitschrift evangelische aspekte Sie erscheint viermal im Jahr. In ...

e-commerce magazin

e-commerce magazin

PFLICHTLEKTÜRE – Seit zwei Jahrzehnten begleitet das e-commerce magazin das sich ständig ändernde Geschäftsfeld des Online- handels. Um den Durchblick zu behalten, teilen hier renommierte ...

filmdienst#de

filmdienst#de

filmdienst.de führt die Tradition der 1947 gegründeten Zeitschrift FILMDIENST im digitalen Zeitalter fort. Wir begleiten seit 1947 Filme in allen ihren Ausprägungen und Erscheinungsformen.  ...