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Reisen in Westafrika

Durch Französisch-Kongo, Corisco und Kamerun

AutorMary Henrietta Kingsley
VerlagEdition Erdmann in der marixverlag GmbH
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl480 Seiten
ISBN9783843803908
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Mary Kingsley war keine gewöhnliche Reisende. Als ein Krokodil versucht in ihr Einbaum zu klettern, zieht sie ihm einen Schlag mit dem Paddel über den Kopf. Während der Regenzeit besteigt sie den 4095 Meter hohen Kamerunberg, was sie zur ersten Frau auf seinem Gipfel macht. Bis zum Kinn im Wasser watet sie durch Sümpfe. Sie stürzt in eine Fanggrube für Tiere voller spitzer Pfähle, und dank ihrer guten Entscheidung, entgegen dem Rat ihrer Freunde aus England auch in Afrika keine Männerkleidung zu tragen, klettert sie unverletzt wieder heraus. Die hier versammelten Berichte handeln von der zweiten Westafrikareise 1894/1895 der britischen, heute als Nationalheldin gefeierten, Entdeckerin und Schriftstellerin. Mit großem anthropologischem Interesse beschäftigt sich Kingsley intensiv mit dem Leben der westafrikanischen Völker. Sie revolutioniert das Bild des 'primitiven Schwarzen', tritt gegen den Sklavenhandel und für die Rechte der afrikanischen Ureinwohner ein.

Mary Henrietta Kingsley wurde 1862 in London geboren und starb 1900 in Südafrika an Typhus. Mary Kingsleys Vater hat als Arzt und medizinischer Betreuer reicher Aristokraten weite Reisen unternommen. Sie selbst jedoch war bis zum Tod ihrer Eltern nie irgendwohin gereist, sondern blieb zu Hause und versorgte ihre kranke Mutter. Einzig in Büchern ging sie auf Reisen, las sehr viel über Afrika und wusste eine Menge über den Kontinent, ohne je dort gewesen zu sein. Dann, als Mary Kingsley dreißig Jahre alt war, starben beide Eltern. 18 Monate später stach sie Richtung Afrika in See.

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Leseprobe

EINFÜHRUNG


Über die vielfältigen Gründe der Autorin,
sich auf eine weite Reise zu begeben


Im Jahr 1893 gab es zum ersten Mal in meinem Leben fünf oder sechs Monate, die nicht bereits im Vorfeld völlig verplant waren. Mich wie ein Junge mit einer frisch geprägten Half Crown fühlend, rang ich mit mir, was mit jener Zeit anzustellen sei. »Geh und lerne die Tropen kennen«, riet die Wissenschaftlerin in mir. »Und wo soll ich hin?«, fragte ich mich, denn die Tropen sind überall Tropen, aber nicht überall gleich. Ich schlug einen Atlas auf und erkannte, dass Südamerika oder Westafrika mein Ziel sein musste, weil die Malaiische Halbinsel zu abgelegen und zu teuer ist. Dann nahm ich Die Geographische Verbreitung der Thiere von Wallace zur Hand, und nach der Lektüre seines meisterhaften Artikels zu Äthiopien fasste ich mir ein Herz und entschied mich für Westafrika. Der Entschluss fiel mir leicht, denn obwohl ich nichts über die praktischen Probleme wusste, wusste ich durch Überlieferung und Erzählungen eine Menge über Südost-Amerika. So erinnerte ich mich, dass Gelbfieber dort weit verbreitet war und ein bekannter, mir körperlich und mental überlegener Naturforscher beinahe verhungert wäre, als er mit einer deprimierenden Expedition, die nach und nach an Mangel und diversen Fiebern zugrunde ging, die Panamaregion bereiste.

Meine Unkenntnis betreffend Westafrika endete rasch. Und obwohl die große Leere, die jener Weltteil in meinem Kopf einnahm, bis heute nicht einmal zur Hälfte gefüllt ist, lassen sich dort doch eine Menge sehr ausgefallener Informationen finden. Ich benutze das Wort »ausgefallen« mit Bedacht, denn ich fürchte, manch einer missverstand meine Bitte um praktische Tipps und Ratschläge als Aufforderung, herauszustellen, welch vielfältigen Arten von Unbill man dort begegnen könne. Obwohl ich größte Anstrengungen unternommen habe, diese Aussagen zu ordnen, sind sie noch immer sehr unsortiert. Meinem Eindruck nach lassen sich aber fast alle unter den folgenden Überschriften einsortieren:

·Die Gefahren Westafrikas

·Die Unannehmlichkeiten Westafrikas

·Die Krankheiten Westafrikas

·Was man nach Westafrika mitnehmen muss

·Was man in Westafrika besonders praktisch finden wird

·Was man in Westafrika auf keinen Fall tun sollte

Für den Anfang fragte ich alle meine Freunde, was sie über Westafrika wüssten. Die Mehrheit wusste nichts. Einige sagten: »Oh, dahin kannst du unmöglich gehen. Dort liegt Sierra Leone, das Grab des weißen Mannes.« Fragte ich genauer nach, hörte ich gelegentlich von irgendwelchen Verwandten, die es irgendwie dorthin verschlagen hatte: »Traurige Fälle«, deren Fehler aber nun vergeben und vergessen waren, angesichts der Tatsache, dass sie nicht nur Westafrika, sondern diese Welt verlassen hatten.

Als Nächstes verglich ich die Aussagen der verschiedenen Ärzte. »Der tödlichste Ort auf der Welt«, verkündeten sie fröhlich und zeigten mir Landkarten, welche die geographische Verbreitung verschiedener Krankheiten zeigten. Nun behaupte ich nicht, ein Land sähe auf einer Karte besonders einladend aus, wenn man es in Giftgrün oder krankhaftem Gelb einfärbt, doch diese Farben mögen dem mangelnden künstlerischen Geschick des Kartographen geschuldet sein. Ist es dagegen schwarz gefärbt, kann es kein Missverständnis geben, und schwarz gefärbt ist ganz Westafrika von oberhalb Sierra Leones bis hinunter zum Kongo. »Wenn ich du wäre, ginge ich da nicht hin«, rieten mir die Mediziner unter meinen Freunden, »du wirst dich mit irgendetwas anstecken. Aber du bist stur wie ein Esel, und wenn du unbedingt gehen musst, bring mir doch bitte …« Es folgte eine Liste mit Aufträgen von hier bis New York, von denen jeder einzelne … aber das fand ich erst im Nachhinein heraus.

Alle meine Informanten berichteten mir über die Missionare. »Viele waren dort unten«, erklärten sie recht vage, »und zwar lange Jahre«. Also stürzte ich mich auf die Literatur der Missionare. Doch welche Enttäuschung! Das Einzige, was ich herausfand, war, dass diese Leute ihre Berichte nicht schrieben, um zu erzählen, wie das Land, in dem sie wohnten, beschaffen war, sondern wie weit es auf dem Weg dorthin, wo es hin sollte, bereits gekommen war. Außerdem sprachen diese Autoren darüber, wie wichtig es sei, dass die Leser mehr spendeten und keine falschen Vorstellungen entwickelten, sie bekämen für ihr Geld eine zu geringe Anzahl Seelen. Ich stieß auch auf Furcht einflößende Belege für die Aussagen meiner Medizinerfreunde über die Vielzahl von Krankheiten sowie auf diverse Details über die Verbreitung von Baumwollhemden, mit denen ich mich nicht lange aufhielt.

Von den Missionaren stammten jedoch meine anfänglichen Ideen über die soziale Situation Westafrikas. Ich erfuhr, dass dort zunächst einmal die Einheimischen vegetierten – das Rohmaterial gewissermaßen – und diese dann entweder zum Guten oder zum Bösen geführt würden, und zwar jeweils entweder vom Missionar oder, im anderen Fall, vom Händler. Es gab auch Regierungsmitarbeiter, deren wichtigste Funktion darin bestand, den Missionaren bei ihrer Arbeit zu helfen und deren Ergebnisse zu konsolidieren. Es ist eine Aufgabe, der sie nur mehr oder weniger gut nachkommen. Aber diese Händler! Ich sortierte sie sofort unter den Gefahren Westafrikas ein. Später tischte man mir ein gutes altes Stück Küsten-Seemannsgarn auf: Ein Händler aus jener Region betritt das Jenseits und der gefallene Engel verzichtet selbstverständlich und ohne zögern zugunsten des toten Händlers auf seinen höllischen Thron. Dies ist, wie man beachten sollte, die maritime Form der Legende: In der Version, die ich später auf dem Festland hörte, wird aus dem Händler ein Seemann aus Liverpool. Aber natürlich muss man keiner der beiden Versionen Glauben schenken – es ist keine Missionarsgeschichte. Obwohl mein Verstand mit all diesen Aussagen beschäftigt war, legte sich mein Herz unaufhaltsam auf diese Reise fest und ich musste ihm folgen. Glücklicherweise zählte zu meinem Bekannten auch eine Person, die sieben Jahre lang an der afrikanischen Westküste gelebt hatte. Zugegebenermaßen handelte es sich nicht um jene Gegend, die ich ansteuern wollte, dennoch verdienten seine Ratschläge besondere Aufmerksamkeit, denn trotz seines langen Aufenthalts in der tödlichsten Ecke des Kontinents erfreute er sich noch immer bester Gesundheit. Ich erzählte ihm, nach Westafrika reisen zu wollen, und er antwortete: »Wenn du beschlossen hast, nach Westafrika zu reisen, ist das Beste, was du tun kannst, deinen Beschluss zu ändern und stattdessen Schottland anzusteuern. Doch falls deine Intelligenz dafür nicht ausreicht, meide zumindest direkte Sonneneinstrahlung, nimm, bevor du die Flüsse erreichst, zwei Wochen lang täglich vier Gran Chinin und besorge dir einige Empfehlungsschreiben für die Wesleyaner. Sie sind die einzigen Leute an der Küste mit federgeschmückten Leichenwagen.«1

Als Nächstes wandte ich meine Aufmerksamkeit den Dingen zu, die ich mitnehmen wollte. Ich hatte die Schleusentore der guten Ratschläge selbst geöffnet und war bald völlig durcheinander. Meine Freunde und auch deren Freunde schienen in der Illusion zu leben, ich wollte einen kompletten Dampfer chartern, und mein Reichtum überträfe selbst die gierigsten Träume. Da beides falsch war, konnte ich nur dankbar zuhören und den Ereignissen ihren Lauf lassen.

Nicht nur die Dinge, die man mitnehmen muss, sondern auch die, in denen man diese verstaut, stellen den jungen Reisenden vor eine Reihe von Problemen. Alle möglichen Freunde und Bekannte empfahlen mir, welche Behältnisse zur Gepäckaufbewahrung sie jeweils als unentbehrlich empfunden hätten, und selbstverständlich unterschieden sich diese voneinander in Verarbeitung und Material erheblich.

Angesichts all der quälenden Auswahl war ich zu durcheinander, um irgendetwas an Gepäck neu zu kaufen, außer einem langen, wasserdichten Sack, oben gut verschlossen mit einem Riegel und einem Griff. Dort hinein kamen die Bettlaken, Stiefel, Bücher, und letztlich alles, das weder in meinen Reisekoffer noch in meiner schwarzen Tasche Platz fand. Von Anfang an verfolgte mich die fixe Idee, der Boden des Sacks könne sich lösen, aber das geschah nie, und trotz der Tatsache, dass er bezüglich der Anordnung seines Inhalts seine eigenen Vorstellungen entwickelte, erfüllte der Sack seine Aufgabe während der gesamten Reise vorbildlich.

Es war Anfang August ’93, als ich England zum ersten Mal in Richtung »Westküste« verließ. Das vorbereitete Chinin erreichte mich wegen nur teilweise gezahlter Versandgebühr erst im letzten Moment, und ein Freund schickte mir noch schnell zwei ausgeschnittene Zeitungsartikel. Der erste trug den Titel »Eine Woche in einem...

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