2.) Das Wechselverhältnis von Historie und Hermeneutik
Die Geschichte bestimmt menschliches Leben. Der Mensch wird in dem Strom der Zeit geboren und stirbt in ihr. In der Zeit erlebt er seine geschichtlichen Begegnungen im Zusammenleben mit den Menschen und in der Umwelt. Seine Zeit wird bestimmt durch die Tradition der Familie, der Gemeinschaft. Kulturelle, politische und geschichtliche Ereignisse betreffen ihn. Er selbst reflektiert seine Rolle in der Zeit und führt darüber manchmal ein Tagebuch.
Zum Verständnis der komplexen Zeitereignissen und Zeitabläufen, wie auch der Vergangenhit- und der Zukunftsperspektiven gibt es die Methode der Geschichtsforschung und auch ihre Auslegung durch die Hermeneutik (=Auslegekunst). Sie ist als Auslegekunst sach- und personenbezogen. Sie hilft dem Menschen die geschichtliche Tradition und Ereignisse zu verstehen, so dass er sich in der Geschichte zurecht finden kann. Ja, die Hilfe der Hermeneutik benötigt er überhaupt, um sich im Alltagsleben orientieren zu können. Er wird durch die Auslegekunst und durch die Erklärung ins Leben eingewiesen. Ein Großteil leistet dabei die Familienerziehung und der Schulunterricht. Wichtig ist zu erkennen, dass die Begriffe positive wie auch negative Seiten haben. Jeder Begriff kann durch Eigenschaftswörter präzisiert werden. Die Information gehört zu Bildung und zum Weiterdanken. Information ist eine eigenständige Größe. Nach Norbert Wiener ist die „Information an sich“ als dritte Wesenhit unseres Universums als eine Entität anzusehen, die nicht an die Energie – Masse - Gleichungen und damit auch nicht an Raum und Zeit gebunden ist.“ (1) Sie spielt in der Wissensvermittlung und in der Kommunikation eine wichtige Rolle. Sie ergänzt die Bildung, die Familientradition und die Ausbildung in der Schule. Gerade die großen Lexikas enthalten gespeicherte und erarbeitete Informationen. Nur ein einigermaßen umfassend gebildeter Mensch findet sich in der globalen Welt zurecht und kann forschen.
Auch das Phänomen der Religion und des Glaubens sind geschichtliche und anthropologische Ereignisse. Schon die Frage: „Wie ist Religion entstanden?“ setzt die Forschung und Auslegungskunst in Gang. Die Archäologie hat durch die Grabungen aus den jahrtausendalten Grablegungen religiöse Hinweise über Glauben und Jenseitsvorstellungen wie auch über die religiösen Todesvorstellungen der Menschen der Vergangenheit gefunden. Gerade das Sterben und der Tod sind die Sache der Religion und des Glaubens. Die Grabfunde lassen erahnen, wie die damaligen Menschen den Tod als Übergang ins Jenseits verstanden haben. Gerade die Grabbeigaben der Toten erklären, dass sie den Tod als Schlaf und auch als Übergang in eine andere Welt verstanden haben und deshalb Speisen ins Grab gelegt haben. Demnach waren die Toten für die damaligen Menschen Schlafende. Die Grablegungen der Toten ließen die religiösen Vorstellungen der frühen Menschen über Tod und Jenseits erkennen. Aufgrund dieser weltweiten Grabesfunde folgerten die Religionsforscher, dass sich die Religionen aus dem Totenkult entwickelt haben .
Aufgrund weiterer erdgeschichtlicher Funde der Archäologen, wurden auch die Lebensvorstellungen über das Diesseits sichtbar. Der Fund in Wilmersdorf/ Österreich zeigt eine dreißig Tausendjahre alte Frauenfigur, die als die „Venus von Wilmersdorf“ in die Geschichtsschreibung einging. Sie war das Ursymbol der Frau als Gebärerin des Lebens. Die ähnlichen Funde vom Ural bis nach Spanien lassen die Verehrung des Lebens erkennen. Gerade um das Mittelmeer und seinen Inseln sind Hinweise auf den Lebenskult mit dem Symbol der Frau gefunden worden. All diese nichtschriftlichen Funden sprechen und wecken die Vorstellung über die religiösen Vorstellungen der frühen Menschen. Leider gibt es aus dieser Zeit keine schriftlichen Aufzeichnungen, sondern nur Steinskulpturen, die sich durch die Analogie deuten lassen. Erst durch die Schrift sind Nachrichten aus der Frühzeit erhalten und lassen sich lesen und ihre Aussagen entschlüsseln. Dies frühen Schriftzeugnisse sind präzise abgefasst in der Beschreibung der Personen, der Handlungsweisen und Beziehungen usw. Sie vermitteln etwas über die Lebens-, und Glaubenswelt der vergangenen Zeiten. Dies ist nur möglich, weil es eine allgemeine Urvorstellungsweise menschlichen Denkens und Handels gibt, die durch Bilder festgehalten werden können und auch in der gegenwärtigen Zeit verständlich sind. Das Wissen um die Urbildsprache stellt die Kommunikation mit der Urzeit dar. Durch Zeichen und Buchstaben kommunizieren Menschen weiter miteinander. Bereits der lateinische Kirchenvater Augustin, 400 n.Chr., vermittelt in seinem Buch „De spiritu et littera“ (= Geist und Buchstaben), dass Buchstaben Geistträger sind. Die Materie, der geschriebene Buchstabe, ist solch ein Sprach- und Geistvermittler. Dies ist nur möglich, weil sich Menschen sich in Kulturkreisen auf Schriftzeichen als Aussage festgelegt haben. Buchstaben – Sprache - Geist gehören zusammen und drücken ihre Botschaft klar aus. Gerade Augustins Buch hat wieder zum klaren Lesen der Bibel ohne die verschiedenen Schriftauslegungsmethoden wie allegorische, mythologische, spirituelle und moralische beigetragen. Für ihn war Schriftsprache eindeutig verständlich. Dr. Martin Luthers ermöglichte durch seine deutsche Bibelübersetzung während der Reformationszeit dem lesenden Publikum die Bibel ohne Priester selbständig zu erforschen. Für ihn waren die biblischen Worte klar verständlich. Sie waren Träger der biblischen Heilsbotschaft von Jesus Christus, in dem sich Gott den Menschen offenbarte.
Zur Erforschung religiöser Texte bedarf es eines Interesses, wie auch eines Vorverständnisses von der Sache, wie auch das ABC, das den Konsens zwischen Subjekt und Objekt herstellt. Hinter dem geschriebenen Text, wie auch hinter das gesprochene Wort kann keiner schauen. Das Wort wie auch die Schrift sind die Grenze des Ausgesagten, die gilt. In der Wissenschaft sind zum Verständnis Textvergleiche manchmal notwendig. Überlieferte Texte sind auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbar. Ein Beispiel bietet der Evangelist Lukas, der seinem Freund Theophilus mitteilt, dass er alles über die Ereignisse Jesus erforscht hat „auf dass du den gewissen Grund erfahrest der Lehre, in der du unterrichtet bist.“ so Lukas 1, 1-4. Lukas will Theophilus die Wahrhit über Jesus Christus Reden und Tun mitteilen, damit sein Glauben einen festen Grund gewinnen möchte. Der Evangelist setzt einen Konsens im Glauben mit seinen Freund Theophilus voraus. Gewiss gibt es wiederum Leser, die den Bericht Lukas bezweifeln. Dieser Zweifel hat nichts mit dem Text zu tun, sondern mit der Sache und dem Glauben. Es gibt eine Grenze in der Forschung, die respektiert werden, wenn exakt geforscht werden soll. So kann keiner hinter die Schrift. und Glaubensaussagen zurückgehen: „Es gibt Gott“. Er ist für den Gläubigen eine Realität, der mit ihm Erfahrungen gemacht hat. Der Glaube wird erst durch seine Erfüllung eine Realität.. Wer keine Erfahrungen gemacht hat, der versteht nicht das Wesen einer vorgestellten Sache, auch nicht den Glauben an Gott. Die sich erfüllende Erfahrung bestätigt die Realität der Aussage. Dies zeigt die biblische Geschichte über den zweifelnden Jesus Jünger Thomas, der über die Nachricht der Auferweckung Jesus zweifelte. Erst die geschehene Begegnung mit dem sich ihm zeigenden auferweckten Jesus überwindet seinen Zweifel. Johannes 20, 24-31. Die Erfahrung mit dem auferweckten Jesus wird für Thomas eine Realität. Auch die Worte Jesus in der Geschichte sind eine Realität „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Denn die Eigenschaft des Glaubens ist, dass er sich seiner Sache gewiss sein will.
Zum Verstehen einer Sachen gehört ein Vorverständnisse. Aufgrund eines solchen Vorverständnis beginnt eine Wechselbeziehung zwischen forschendem Subjekt und zu erforschendem Objekt. Das Vorverständnis ist die geistige Klammer zwischen beiden. Sie erst ermöglicht den Verstehens- , Forschungs- , und Glaubensprozess.
Zum Verständnis der Religion und des Glaubens bedarf es der Hermeneutik, der Auslegekunst durch fachkundige Menschen, um in die Sache einzuführen. Zunächst gilt es zu wissen, das Glauben dem Ergriffenseins von der Sache entspringt. Der unsichere Glaube erhält eine Gewissheit und wird zur Realität. Dann kann erst interessierten glaubenden Menschen ihr religiöses Wissen vertieft und fortgesetzt werden. Die Methode der Hermeneutik (=Auslegekunst) ermöglicht dem fragenden Menschen das Dunkle eines Textes zu erhellen, damit er es versteht und es in sein Bewusstsein integriert. Der Ausleger als Wissender kann den Text verständlich machen und dessen Sinn aufzeigen. Deutlich zeigt dies der Bibeltext über die „Bekehrung“ des Kämmerers aus dem Mohrenland (=Abessinien) durch den Apostel Philippus in der Apostelgeschichte 8, 28-40. Der Text schildert die Kriterien und Funktionen des Hermeneuten Philippus. Er trifft den Kämmerer auf der Heimfahrt und hört ihn lautlesenden einen Text aus dem Buch des Propheten Jesajas. Der Konsens zwischen beiden ist gegeben. Philippus fragt ihn, ob er die Textstelle Jesaja 53, 7.8.,...