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Reportage Iran

Schwarze Schleier, grüne Fahnen

AutorCarola Hoffmeister
VerlagPicus
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl132 Seiten
ISBN9783711750068
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Verschleierte Frauen, weißbärtige Ayatollahs und schönheitsoperierte Nasen, Märchen aus dem Morgenland und ein Atomprogramm, rauschende Kokspartys und Unterdrückungspolitik. In kaum einem anderen Land sind die Gegensätze größer als im Iran. Als Reiseland ist der Iran jedenfalls aus dem Dorn­röschenschlaf erwacht und findet sich plötzlich auf der Hitliste der Weltenbummler ganz oben. Aber was ist so magisch am alten Persien? Und wie geht es den Menschen, die unter der Diktatur des Revolutionsregimes leben? Carola Hoffmeister hat sich ein Kopftuch umgebunden und ist in den Iran gereist. Sie schreibt über die Gastfreundschaft der Iraner und porträtiert Frauen, die während der Grünen Revolution 2009 auf den Straßen demonstriert haben. Sie begleitet einen armenischen Christen in einen Teheraner Privatclub, schaut dem ehemaligen Hofzauberer des Schahs in seine Spielkarten und spricht mit einem Homosexuellen, der wegen seiner Sexualität in ständiger Angst vor der Todesstrafe lebt. Ihre Reisen führen sie in Wüsten und Städte wie aus Tausendundeiner Nacht.

Carola Hoffmeister, in Essen geboren, zieht es in die Welt, seit sie nach der Schulzeit mit dem Rucksack durch Indien gereist ist. Die Kunst- und Literaturwissenschaftlerin hat aus Israel/Palästina, Italien und dem Iran berichtet und ihre Geschichten im Radio oder in Magazinen veröffentlicht. Im Picus Verlag erschien ihre Lesereise Albanien.

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Leseprobe
Auf der anderen Seite (S. 82-83)

Im »Tärafik« von Teheran

Peugeots hüpfen wie Springmäuse über die Fahrbahn. Motorräder schneiden Bussen den Weg ab. Japanische Geländewagen sichern sich mit chromblitzenden Kühlerhauben das Revier. Dreieinhalb Millionen Autos sind jeden Tag auf Teherans Straßen unterwegs, und sie fahren genau an der Stelle vorbei, an der ich gerade stehe. So zumindest kommt es mir vor. Ich bin an grüne Ampeln gewöhnt. Reihenhaussiedlungen mit Tempo-dreißig-Zone und Zebrastreifen, über die Kinder mit dem Fahrrad radeln. Lieber laufe ich zehn Kilometer zu Fuß, als diese vierspurige Straße zu überqueren. Auch wenn auf der anderen Seite der Tulpenpark lockt. Eine grüne Oase, in der Fontänen kleine Regenbogen in die Luft zaubern und Magnolienbäume blühen.

Der Ort erscheint mir wie das Paradies: unerreichbar fern. Tärafik, wie Einheimische den Verkehr im Iran nennen, gleicht Russischem Roulette und beschert selbst asienerprobten Touristen Nahtod-Erlebnisse. Das schreibt der »Lonely Planet«, der Reiseführer, mit dem sich die wenigen Abenteurer aus dem Ausland durch die Stadt kämpfen. Seit dem 20. Jahrhundert zerlegen schnurgerade Straßen die Hauptstadt in ein Schachbrettmuster, doch die Geometrie der Bauplaner verliert sich im Chaos der Karosserien. Die Iraner lieben Autos. Sie erledigen sogar den Einkauf beim Bäcker um die Ecke mit ihrem rostigen Paykan, dem Nationalvehikel des Landes und Wesensbruder des ostdeutschen Trabbis. Aber Benzin ist ein knappes Gut.

Die Raffinerien stellen vierzig Millionen Liter Benzin her. Die persischen Motoren verbrauchen täglich siebzig Millionen, also bald doppelt so viel. Präsident Ahmadinedschad ließ deshalb den Kraftstoff rationalisieren. Hundert Liter dürfen die Iraner seitdem pro Monat tanken. Das reicht für den Weg zur Arbeit, nicht aber für ausgedehnte Spritztouren in die Berge oder ans Kaspische Meer. Die Teenager protestierten. Sie warfen Steine auf Zapfsäulen und steckten Busse in Brand. Das Auto ist für sie ein Ort der Zuflucht. In der religiösen Diktatur des Iran leben sie ihre Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmung in Hupkonzerten aus, rasanten Überholmanövern und gemütlichen Spazierfahrten. Ein froschgrüner Peugeot rauscht vorbei. Aus seinen geöffneten Scheiben hört man »Like a Virgin« scheppern, den Achtziger-Jahre-Hit von Madonna.

Der Fahrer ist ein Junge mit zu Igelspitzen gegeltem Haar. Er hat den Song illegal aus dem Internet heruntergeladen oder bei einem Schwarzhändler gekauft, denn westlicher Pop ist im Iran verboten. Selbst einer der beiden Verkehrspolizisten, die mitten auf der Fahrbahn stehen, wippt für einen Moment im Takt der Musik. Würden die Ordnungshüter dafür sorgen, dass alle islamischen Regeln und Verbote befolgt werden, würde gar nichts mehr funktionieren. Deshalb schauen die Polizisten nicht so genau hin. Sie übersehen auch den Macho mit einer dicken Goldkette um [109]den Hals, der den Fuß vom Gas genommen hat. Er flirtet ein Mädchen im Wagen auf der anderen Spur an. Sie erwidert seinen Blick, bis sich ein roter Twingo zwischen die beiden drängelt und dem verbotenen Speed-Dating ein Ende setzt.
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