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Reportage Japan. Kratzer im glänzenden Lack

Kratzer im glänzenden Lack

AutorJudith Brandner
VerlagPicus
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl132 Seiten
ISBN9783711750143
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Japan ist ein Land der spannungsvollen Gegensätze, die sich dem Reisenden nicht sofort erschließen. Judith Brandner, profunde Japankennerin, zieht den Vorhang ein wenig zur Seite und gewährt erstaunliche Einblicke in das fernöstliche Land. Eine 'japanische Großmutter' weiht in die Geheimnisse der Kochkunst ein und ein Besuch bei der Herzensfreundin endet mit einem Koffer voll antiker Kimonos. Der japanische Freund mit seinem alten Geländewagen erweist sich am Fischmarkt von Kyoto als verlässlicher Begleiter. Ausgehend von dieser vertrauten Atmosphäre unternimmt die Autorin ihre Expeditionen in die Randbereiche der japanischen Gesellschaft. Sie spricht mit Obdachlosen und Tagelöhnern, hat konspirative Treffen mit protestierenden Studierenden und Begegnungen mit Revisionisten oder jungen Menschen, die kaum etwas von der eigenen Geschichte wissen. Den intellektuellen Überbau liefern Literaturstar Haruki Murakami, mit dem sie über die Orientierungslosigkeit in der Gesellschaft philosophiert, und Literaturnobelpreisträger Kenzaburo Oe, der erzählt, weshalb ihn die Rechtsradikalen zum 'National Enemy' erklärt haben.

Judith Brandner, 1963 in Salzburg geboren, studierte Englisch, Japanisch und Japanologie in Wien. Freie Radiomacherin und Moderatorin hauptsächlich für Ö1, Reportagen und Features für den Schweizer Rundfunk DRS2 sowie öffentlich-rechtliche Sender in Deutschland. 1987 verbrachte sie erstmals längere Zeit in Japan. 1995 war sie als ORF-Korrespondentin in Japan tätig. 2009 und 2011 hatte sie eine Gastprofessur an der Städtischen Universität Nagoya inne. Im Picus Verlag erschienen zwei Reportage-Bände zu Japan.

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Leseprobe
No More Sex? (S. 74-75)

Manga, Anime und Hundertjährige

Tokyo. Akihabara. Es schüttet in Strömen. Plötzlich werden allerorts Schirme verkauft. Es ist Sonntag, kurz nach Mittag. Shopping-time. Was sonst finge man an einem Sonntagnachmittag mit seiner Zeit an? Vor einem der mehrstöckigen Konsumtempel brüllt sich ein Verkäufer des neuesten Laptopmodells die Seele aus dem Leib. Akihabara, das war immer schon das Viertel, in dem man die neuesten Elektronikwaren einkauft. Die Gadgets und Must-haves aus der digitalen Welt gibt es immer noch, und auch noch genügend Menschen, die sie sich leisten können. Akihabara aber hat sich in den letzten Jahren auch zu einem Zentrum von Manga und Anime entwickelt, deretwegen heutzutage viele junge Leute in Europa ein Japanologiestudium anfangen.

Die telefonbuchdicken, auf Billigpapier gedruckten japanischen Comics und deren Filmversionen sind zu einem unverzichtbaren Teil der Pop- und Medienkultur geworden, und sie sind ein enormer Industriefaktor. Im Westen befassen sich Dissertationen mit dem Phänomen. Wollen Sie in einem »Maid Café« Ihr Verlangen stillen, mal so richtig den Meister raushängen zu lassen? Die Kellnerinnen tragen Original-Outfits aus Manga und Anime! Wollen Sie in einem der Game-Center ein Spielchen »For Adults Only« [103]spielen? Oder sich in einer der »Hobbyabteilungen« mit Accessoires zu Ihrem Lieblingsanime eindecken? Kommen Sie nach Akihabara!

Vor den »Adults Only«-Shops stehen schon lange Schlangen wartender Männer. Als Anheizerinnen tanzen Mangabräute in knappen Bikinis und mit wogenden Brüsten auf riesigen Monitoren vor den DVD-Geschäften. Die Hobbyabteilungen entpuppen sich als schmuddelige, mit bunten Bildchen und Sächelchen vollgeramschte El Dorados für die, die in Sachen Manga wirklich ernst machen: Man mag sie otakus, Nerds oder Freaks nennen. Angesichts der Scharen an Männern im Alter zwischen etwa fünfundzwanzig und fünfzig, die mit glasigen Augen das Angebot an Plastikpüppchen und den dazugehörenden Kleidchen, Schühchen und Strümpfchen durchstöbern, drängen sich auch noch andere Attribute auf.

Neben den wilden Kämpfern und den lieblichen, blondhaarigen Prinzessinnen gibt es nämlich noch die mit den überdimensionalen (Plastik-) Brüsten, sich selbst befriedigend oder die Beine breit machend. Die Mangaindustrie setze heute zunehmend auf die Gruppe der alleinstehenden Männer um die vierzig, die ihre »sexuelle Therapie bei den Softporno-Titeln suchten«, berichtet im Juni 2009 die Zeitung Yomiuri eines Softcore-Cartoons für die TV-Spätabendprogramme, um die einsamen Wölfe an die Angel zu kriegen, und kämen dann mit zusätzlichen Folgen auf DVD heraus. Denn die heutigen Kids laden sich die bunten Streifchen gratis auf den PC oder auf ihre Mobiltelefone. Darüber hinaus kommt der Mangaindustrie, und nicht nur dieser, der Nachwuchs abhanden. Japan ist 2007 in das Zeitalter der Entvölkerung eingetreten, bringt der renommierte Japanologe und Leiter des Deutschen Instituts für Japanstudien, DIJ, in Tokyo, Florian Coulmas, das Problem Nummer eins auf den Punkt. Japan hat mit 1,3 Prozent die weltweit niedrigste Geburtenrate.

Parallel dazu werden Japans Alte immer älter. Wer je in einen der übervollen Pendlerzüge in Tokyo geraten ist, die die Massen sardinenartig geschlichtet von den Vororten zu ihren Arbeitsplätzen karren, mag sich ob der Prognosen wundern: Bis 2055 wird Japans Einwohnerzahl von heute hundertsiebenundzwanzig auf neunundachtzig Millionen geschrumpft sein. Bevölkerungsrückgang – das war in der Vergangenheit eine Folge von Katastrophen, Kriegen oder Hungersnöten. Bevölkerungsrückgang in einer nicht Not leidenden Gesellschaft ist ein Novum. Das DIJ hat zu diesem Phänomen ein großes interdisziplinäres Forschungsprojekt durchgeführt. Fazit: Die eine, einfache Antwort auf das Warum gibt es nicht, vielmehr hochinteressante Teilaspekte und viele Unbekannte.
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