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E-Book

Retrospektiven in agilen Projekten

Ablauf, Regeln und Methodenbausteine

AutorJudith Andresen
VerlagCarl Hanser Fachbuchverlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl293 Seiten
ISBN9783446453029
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis25,99 EUR
Retrospektiven sind das Kernelement agiler Projekte. Durch eine regelmäßige Überprüfung der Zusammenarbeit und der Projektbausteine kann das Team im laufenden Projekt die Arbeit optimieren - und so signifikant an Qualität und Tempo gewinnen.
Dennoch droht Langeweile! Wenn die Retrospektiven ohne Schwung und Struktur daherkommen, wird es zunehmend unattraktiv für die Teilnehmer, sich einzubringen. Es droht Langeweile - und es erfolgt keine Verbesserung der tägliche Arbeit. Dabei ist es einfach! Die Autorin stellt grundlegende Regeln für erfolgreiche Retrospektiven auf. Sie beleuchtet das Intro und die fünf Phasen der Retrospektive im Detail.
Neu in der 2. Auflage: Der Einleitungsteil des Buch ist entsprechend des Leser-Feedbacks überarbeitet. Um den Moderatoren und Moderatorinnen die Arbeit zu erleichtern, sind sehr viele Praxistipps ergänzt. Die Teamprozesse sind noch mehr erläutert. Es sind 25 Methodenbausteine ergänzt. Alle Grafiken sind überarbeitet.

Judith Andresen ist Programmiererin, hält regelmäßig Vorträge über Projektmanagement, Firmen- und Projektkultur und -organisation, leitet und organisiert die renommierten PHP Unconferences seit den Anfängen 2007 in Hamburg und ist Geschäftsführerin bei BERATUNG JUDITH ANDRESEN.

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Leseprobe
1Erfolgreiche Veränderungen

In komplexen Umfeldern ist ein iterativ-inkrementelles Vorgehen der Schlüssel zum Projekterfolg.

Regelmäßige Retrospektiven sind das Mittel, um eine stete Optimierung der Zusammenarbeit voranzutreiben. Veränderungen, die von Retrospektiven ausgehen, verlaufen iterativ und inkrementell. Diese Veränderungen schließen alle Projektprozesse, im- sowie expliziten Regeln und alle Verhaltensweisen im Team ein.

Erfolgreiche Retrospektiven spiegeln in der Auswahl der Methodenbausteine die aktuellen Team- und Projektprozesse. Diese werden in den kommenden Kapiteln vorgestellt. Gleichzeitig wird die Retrospektive als Instrument von Veränderungsprozessen im Unternehmen näher beleuchtet.

Die Einordnung der genannten Prozesse in den Arbeitsalltag lohnt sich für alle Leser und Leserinnen ‒ ermöglicht sie doch eine professionelle und zielgerichtete Moderation beziehungsweise Durchführung der Retrospektiven.

Alle, die sich in diesem Stoff sicher fühlen, können direkt in die Vorstellung der Methodenbausteine wechseln (beginnend mit den Intros in Kapitel 7).

Bild 1.1 Was wichtig ist: Moderation, Visualisierung + Zeiten nehmen

1.1Veränderungen nach Dilt

Die klassisch-hierarchische Managementsicht ist geprägt vom Modell der logischen Ebenen der Veränderung. Dieses Modell wurde von Robert Dilt entwickelt [Goodman 2012]. Durch eine klare Vorgabe einer Vision entwickelt sich eine kulturelle Veränderung nach und nach von oben nach unten. Veränderungen sind zeitgleich auf jeder Ebene unabhängig voneinander möglich.

Agile Veränderung beginnt dagegen meist im Kleinen ‒ ein oder mehrere Teams beziehungsweise Arbeitsgruppen verändern ihr Verhalten. Durch diese Verhaltensänderung ändern sich zum einen die Erwartungshaltung und das Verhalten der Umgebung ‒ zum anderen entwickeln sich im Unternehmen daraus neue Fähigkeiten und Standards. Dies kann zu einer Veränderung der explizit geäußerten Wertvorstellungen sowie der implizit vorhandenen Glaubenssätze der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen führen. Dieser Umschwung könnte aber auch eine Begründung für das veränderte Verhalten sein.

Bild 1.2 Von der Vision zur Veränderung der Umgebung in Unternehmen

Die Summe der impliziten Grundannahmen über Mitmenschen, das Firmengefüge und das Wirtschaftsgeschehen prägen die Unternehmenskultur aus. Veränderung, die über Retrospektiven im Kleinen startet, ist in diesem Bereich ein bewusster Prozess. Die Ein- und Durchführung von Retrospektiven ‒ und insgesamt von agilen Projektmethoden ‒ führt zu mehr Wissen über die eigene Unternehmenskultur und bringt häufig auch eine Kulturveränderung mit sich.

Dies geschieht, weil viele veränderte Grundannahmen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Einfluss auf die Identität des Unternehmens haben. Dies kann wiederum Einfluss auf die Unternehmensvision haben.

Die Vision ‒ und die daraus abgeleiteten Zielsetzungen ‒ sind die Richtschnüre für alle Projektentscheidungen.

Insofern ist jede Retrospektive ein kleiner Schritt zur Verbesserung und Optimierung der Arbeitsumgebung ‒ und ein kleiner Schritt zur Veränderung der Unternehmensvision und -identität.

1.2Komfort-, Lern- und Panikzone

Bild 1.3 Wir neigen dazu, die Komfortzone nicht verlassen zu wollen.

Die Komfortzone ist der Bereich von Wissen und Fähigkeiten, in dem wir uns wohlfühlen, weil uns alles vertraut ist. Wir können alles in der Komfortzone gut leisten, weil wir alle benötigten Fähigkeiten sicher beherrschen. Auch ist uns klar, was wir mit wem besprechen müssen, um eine Leistung in der Komfortzone abschließen zu können.

Wir wissen, was sie von den Beteiligten in der Komfortzone erwarten können. Niemand muss darüber nachdenken, wie sich Personen oder Dinge verhalten werden ‒ in der Komfortzone gibt es keine Überraschungen. Angenehm ist auch, dass alle Beteiligten nicht darüber nachdenken müssen, wie sie sich verhalten sollten. In der Komfortzone bin ich mir als Person total sicher. Im täglichen Miteinander versuchen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die Komfortzone nicht verlassen zu müssen [Sandler 2011].

Tatsächlich tun wir in der Komfortzone auch Dinge, die im Prinzip unangenehm sind. Es ist aber bequem, die Abläufe nicht in Frage zu stellen. Konflikte zu benennen und zu lösen, meiden wir häufig. In der Komfortzone zu bleiben, heißt häufig auch, notwendige Konflikte nicht zu gehen.

In der Panikzone laufen Dinge schief und erzwingen sofortige Handlungen. Befinden sich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Panikzone, reflektieren sie einen Großteil ihrer Handlungen nicht. Dafür fehlt ihnen auf Grund des als hoch empfundenen Drucks die Zeit und die Muße. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen agieren hektisch und bedienen neue Anforderungen mit alten Mustern. In der Panikzone zeigt sich, welche Mechanismen tief in ihnen verwurzelt sind. In dieser Arbeitssituation handeln sie angstgetrieben und meist auf eigene Faust: Sie wollen zurück in die Komfortzone.

In der Panikzone ist jeder sich selbst am Nächsten. Größtes Motiv ist die Sicherung der eigenen Integrität und der eigenen Reputation. Möglichst schnell versuchen Personen, die sich aktuell in der Panikzone befinden, in ihre Komfortzone zurückzugelangen. In der Panikzone werden Schuldvorwürfe laut ‒ ohne dass es eine gemeinsame Lösung geben kann.

Die Diskussion über geänderte Verhaltensweisen eskaliert zu diesem Zeitpunkt, da allen Beteiligten die Wahrnehmung anderer Meinungen und Modelle in der Panikzone schwerfällt. Das eigene (meist nicht nachhaltig überdachte) Modell erscheint als das einzig Wahre. Eine nachgelagerte Reflexion dieser Handlungen ist ebenfalls schwierig. Daraus positiv abzuleiten, wie in einer kommenden Situation sinnvollerweise agiert werden sollte, können nur wenige.

In der Panikzone besitzen wir nicht genügend Wissen und Fähigkeiten. Das ist in der Komfortzone komplett anders. Dennoch ist die Komfortzone beständig unter Druck. Aus Angst vor Fehlern und Reputationsverlust beschneiden sich viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Laufe der Zeit in ihren Möglichkeiten. Sie führen nur diejenigen Tätigkeiten durch, in denen sie sich vollständig sicher fühlen. Die Komfortzone verkleinert sich so ständig. Damit verlieren die betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zunehmend Sicherheit in Tätigkeiten, die ihnen vorher in der Komfortzone möglich waren.

Damit das Unternehmen einen erfolgreichen, zukunftsweisenden Weg gehen kann, sind das Wissen und die Fertigkeiten aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ständig zu erweitern. Eine Vergrößerung des Wissens und der Fertigkeiten gelingt in der Lernzone.

Im Bereich der Lernzone begegnen den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Aufgaben, die sie noch nicht kennen, die aber so nahe an ihrem bisherigen Wissen und ihren Fähigkeiten liegen, dass sie diese meistern können. Die Aufgabe erscheint ‒ obwohl unbekannt ‒ lösbar. Zur Lösung bedarf es Nachdenkens und der Kombination bekannten Wissens.

Die Lernzone betreten die Beteiligten durch kleine Schritte.

1.3Mit Retrospektiven in die Lernzone

In Retrospektiven diskutieren die Teilnehmer und Teilnehmerinnen gemeinschaftliche Wahrnehmungen und neue Erkenntnisse. Daraus abgeleitete Teamregeln und Maßnahmen können in der Komfortzone liegen ‒ sollten aber darüber hinausgehen.

Diese Maßnahmen und Teamregeln entstehen aus den diskutierten Handlungsoptionen ‒ diese sollten außerhalb der Komfortzone, aber noch nicht in der Panikzone liegt.

Retrospektiven fordern die Verabschiedung klarer Teamregeln und Maßnahmen. Dabei gilt „Weniger ist mehr“. Das iterativ-inkrementelle Vorgehen unterstützt die Beteiligten, ihre Fähigkeiten (in der Lernzone!) auszubauen.

Schafft es ein Team, sich ständig in der Lernzone aufzuhalten, ist dies gewinnbringend für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, das Projekt und insbesondere für das Unternehmen. Daher gilt für die Phase Decide What to Do:

Tipp

Damit das Team nicht in die Panikzone abstürzt, ist sicherzustellen, dass die vereinbarten Maßnahmen und Teamregeln von allen getragen werden.

Durch die Etablierung der sechs Phasen einer Retrospektive verlasst ihr den Bereich der unprofessionellen Arbeitstreffen. Vielleicht ist dies ja auch eine Anregung für euch, alle anderen Arbeitstreffen in Gestaltung und Durchführung zu überdenken.

Hinweis

Für jedes Arbeitstreffen im Unternehmen ‒ insbesondere für alle Retrospektiven ‒ bereiten sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor. Alle Arbeitstreffen werden moderiert. Alle Arbeitstreffen folgen einer klaren Zielsetzung.

Wird das Ziel von Projektartefakten nicht geklärt, sind die entsprechenden Arbeitstreffen leer und ermüdend. Manche Teams setzen zu Beginn ihrer Projekte ein Backlog-Refinement-, ein Estimation- und ein Planning-Arbeitstreffen an.

„Das gehört sich doch so, wenn man diese Projektmethode macht!“

heißt es dann zur Begründung der drei Arbeitstreffen. Wenn dann die drei Treffen nicht sauber in ihrer Zielsetzung beschrieben sind, sind drei nervende Arbeitstreffen vorprogrammiert. In insgesamt drei Arbeitstreffen öden sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen an. Dabei wäre es leichter gewesen, mit einem Planning zu starten und Schritt für Schritt herauszubekommen, wie das Verfahren für dieses Team und dieses Projekt besser gestaltet werden kann.

Für die...

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